Brilon/Marsberg. Es ist sicher nicht der wichtigste Aspekt an dem Verfahren: Die Briloner dürfen ihre Schnade auch durch ein Vogelschutzgebiet ziehen.

Auch wenn der Schnade-Korridor künftig in einem Vogelschutzgebiet liegen sollte: Die Briloner Mannsluie dürfen weiterhin ihren traditionellen Grenzgang pflegen und querfeldein eine Schneise durch den Wald pflügen. Das haben der Leiter der Biologischen Station des HSK, Werner Schubert, und auch einer der Initiatoren des Verfahren, Johannes Schröder vom Verein für Natur- und Vogelschutz im HSK, Anfang der Woche Bürgermeister Dr. Bartsch versichert - ein für das Verfahren zwar eher untergeordneter, vielen Briloner aber sehr am Herzen liegender Aspekt. Am Dienstagabend befasste sich der Ausschuss für Forst, Umwelt und Landwirtschaft mit dem Thema.

Eingabefrist erneut verlängert

Die Stadt Brilon hat mit Marsberg und dem Hochsauerlandkreis eine Münsteraner Anwaltskanzlei zu Rate gezogen, um eine gemeinsame Stellungnahme für das Verfahren auszuarbeiten. Wie berichtet, war die Eingabefrist bis zum 30. April verlängert worden. Offenbar ist auch diese Frist nach einem Gespräch mit Landesumweltministerin Heinen-Esser am heutigen Mittwoch noch ein weiteres Mal verlängert worden, und zwar bis 30. Juni. CDU-Stadtrat Michael Hilkenbach wollte wissen, ob es denn Ziel dieser juristischen Unterstützung sei, die Ausweisung eines Vogelschutzgebietes zu verhindern.

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Mit dem Rechtsbeistand soll vor allem, so Dr. Bartsch, die Grundlagen-Ermittlung für das Ausweisungsverfahren hinterfragt werden. Ob etwa der Raubwürger der richtige Indikator für eine Schutzgebietskulisse sei, die zu großen Teilen Waldflächen umfasst. Oder ob, um beim Raubwürger zu bleiben, der hier mit seinen kartierten 16 Brutpaaren tatsächlich wenigstens fünf Prozent des NRW- und wenigstens ein Prozent des Bundesbestandes entspricht.

Weitere Schutzgebiete „längst überfällig“

Um eine derartige Aussage treffen zu können, so Dr. Bartsch, müsste ja in ganz NRW „genauso intensiv kartiert worden sein wie hier bei uns“. Und auch die Frage nach einem Nachweis der Sachkompetenz der ehrenamtlichen Vogel-Beobachter kam einmal mehr zur Sprache. Dr. Bartsch: „Die wird zwar immer betont. Aber wird die auch fachspezifisch überprüft?“

Christiana Kretzschmar (BBL) sagte, dass die Ausweisung weiterer Schutzgebiete angesichts des Klimawandels „längst überfällig“ sei: „Einfach weiter machen wie bisher geht nicht.“

Zweifel an Fachkompetenz

Als aus dem Ausschusskreis das Verbot von neuen Windrädern im Wald angesprochen wurde, sagte Dr. Bartsch, dass derzeit in Düsseldorf der Winderlass überarbeitet werde. Aus Waldbesitzerkreisen sei zu hören, dass die nichts dagegen hätten, auf den ausgedehnten Borkenkäfer-Kahlschlägen „als Übergangswirtschaft für etwa 20 Jahre“ Windräder zu errichten.

Breite Spanne bei Schutzgebiet-Quoten

Bundesweit gibt es laut Bundesamt für Naturschutz (Stand: Dezember 2019) insgesamt 742 Vogelschutzgebiete mit einer Gesamtfläche von 4,03 Millionen Hektar; das sind 11,3 Prozent der Landfläche Deutschlands.

NRW hat rund 165.000 ha ausgewiesen (4,8 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern 584.642 ha (25,2 Prozent).

Flächenmäßiger Spitzenreiter ist Brandenburg mit rund 648.400 ha (22,0 Prozent).

Allerdings sind beide mit 69 bzw. 85 Einwohnern pro Quadratkilometer wesentlich dünner besiedelt als NRW mit 526 Einwohnern/qkm.

Bürgermeister Dr. Bartsch stellte im Umwelt-Ausschuss die Frage, ob für das Schutzgebiets-Soll die (niedrigere) NRW- oder die (höhere) Bundes-Quote als EU-Referenzwert diene soll; die 11,3 Prozent empfindet er als genug.

Dass das Vogelschutzgebiet zwar keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Forstwirtschaft habe, wohl aber eine entsprechende Anpassung der Landschaftspläne nach sich ziehe, sagte Forstbetriebsleiter Dr. Bub. Das wäre „eine Fremdbestimmung über die Biologische Station.“ Dr. Bub: „Die freie Verfügung über das Eigentum wäre möglicherweise nicht mehr gegeben.“

Nicht nur in Marsberg und Brilon, den beiden am meisten betroffenen Kommunen, ist das Vogelschutzgebiet Thema, sondern auch im Kreis. Auch im dritten Anlauf hat das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) vor allem die unmittelbar betroffenen Kommunalpolitiker aus Brilon und Marsberg nicht davon überzeugen können, dass die Kartierung zur Ausweisung eines Vogelschutzgebietes mit der entsprechenden Sachkunde vorgenommen wurde. Das jedenfalls hielten in der jüngsten Sitzung des Kreis-Umweltausschusses die beiden Kreistagsmitglieder aus Brilon und Marsberg, Eberhard Fisch und Manuela Köhne, dem Vogelschutzwart des (LANUV), Michael Jöbges, vor. Jöbges hatte, wie berichtet, zuvor bereits in den Ratssitzungen der beiden Städte und im Naturschutzbeirat des Kreises das Verfahren vorgestellt.

Auch das LANUV in Schusslinie

Für Eberhard Fisch (CDU) ist es nach wie vor nicht hinreichend belegt, ob die VNV-Mitglieder, die drei Jahre lang die Kartierung in einem über 280 Quadratkilometer großen Fläche vorgenommen haben, tatsächlich über die erforderliche Sachkunde verfügen. Dass das LANUV die Kartierung überprüft habe, kann den Briloner Kommunalpolitiker nicht beruhigen.

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Denn es war auch das LANUV gewesen, das 2017/18 die sechs Hektar große Feriendorf-Fläche am Kahlen Hohl in Petersborn naturschutzfachlich überprüft und für die Bebauung freigegeben hatte. Der von einem Anlieger auf eigene Kosten hinzugezogene Bremer „Extrem-Botaniker“ Jürgen Feder hatte dann innerhalb weniger Stunden rund 180 schützenswerte Pflanz- und Tierarten entdeckt. Sein damaliger Kommentar: „Hier hat jemand weggeguckt.“ Bei einer erneuten Begutachtung hatte das LANUV dann auch den hohen Wert weiter Flächen als Magerrasen festgestellt - mit den für den Investor leidigen Folgen.

„Gute fachliche Praxis“ bewährt sich

Die Marsberger Kreistagsabgeordnete Manuela Köhne wäre von den Vogelschutzplänen unmittelbar betroffen. Ihre Familie bewirtschaftet seit Jahrzehnten das „Kloster-Gut“ in Bredelar. Weite Teile, so die CDU-Politikerin zur WP, stünden bereits heute unter Naturschutz. Mit der für die Land- und Forstwirtschaft geltenden „guten fachlichen Praxis“ gebe es dort bisher keine Interessenskollisionen: „Aber wir wissen nicht, was auf uns zukommt.“ Auf die Jagd, sagt sie, soll die Ausweisung eines Vogelschutzgebietes ja keine Auswirkungen haben.

Kein Verständnis hat sie, dass der VNV sein Vogelschutz-Projekt so lange unter der Decke gehalten habe. Manuela Köhne: „Die Betroffenen wollen doch mitgenommen werden. Das kann man uns doch nicht einfach überstülpen.“