Olsberg. Müssen die Schützen in Olsberg ihre Flagge wegen des Reichsflaggen-Erlasses ändern? Das sagen Merz, Sensburg, Wiese, Cronenberg und Kerkhoff.
Darf dieSchützenbruderschaft St. Michael Olsbergihr Flagge doch behalten? Nachdem die Innenminister von Bund und Ländern sich auf einen gemeinsamen Erlass gegen das Zeigen von Reichsfahnen und Reichskriegsflaggen in der Öffentlichkeit geeinigt hatten, sah es danach auch, dass die Bruderschaft aus Olsberg ihre Vereinsfarben ändern muss, da die Flagge im Original senkrecht schwarz, weiß, rot gestreift ist. Sie hat damit die Farben der Reichsfahne und Reichskriegsflagge aus der Kaiser- beziehungsweise NS-Zeit.
Die Innenminister von Bund und Ländern haben sich auf einen Erlass gegen das Zeigen von Reichsfahnen und Reichskriegsflaggen in der Öffentlichkeit geeinigt. Fahnenschwenker bzw. Vereine müssen künftig mit einem Verfahren rechnen. Hintergrund des Verbots sind Aufmärsche von Corona-Leugnern, Reichsbürgern und Rechtsextremisten in der Vergangenheit.
Die WESTFALENPOST hat bei den maßgeblichen Bundes- und Landespolitikern aus dem Hochsauerlandkreis nachgefragt. Die Tendenz ist deutlich: Der Verbotserlass sorgt wohl nicht automatisch dafür, dass die Olsberger Bruderschaft ihre Flaggen ändern muss.
Friedrich Merz
Leider führt die missbräuchliche Nutzung der alten Reichsflagge und der Reichskriegsflagge zu dieser notwendigen Entscheidung der Innenminister. Die Olsberger Schützenbruderschaft St. Michael wird damit ohne jedes eigenes Zutun Opfer der Aktionen einer kleinen Minderheit in unserem Land. In Olsberg verbindet ganz offensichtlich niemand die traditionellen Farben der Schützenbruderschaft mit diesem Unfug. Wenn die Olsberger ihre Farben jetzt trotzdem wechseln müssen, dann sollte ihnen die Stadt Olsberg dabei auch finanziell unter die Arme greifen. Und in den Archiven der Schützen dürfen die Bilder früherer Schützenfeste dann hoffentlich immer noch gezeigt werden, ohne dass ein verirrter Zeitgenosse auf die Idee kommt, diese Feste hätten irgendetwas mit dem Kaiserreich und den Kriegen der Preußen zu tun.
Dirk Wiese
Es ist konsequent und richtig, dass sich die Innenminister von Bund und Ländern auf einen Mustererlass zum Umgang mit dem öffentlichen Zeigen von Reichskriegsflaggen verständigt haben. Reichskriegsflaggen werden immer wieder von rechtsextremistischen Gruppierungen und Einzelpersonen wie Reichsbürgern und sogenannten Selbstverwaltern für Ihre Ideologie missbraucht, um ihre Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und ihrer Organe deutlich zu machen. Bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus bedarf es eines umfassenden Ansatzes. Einer Gefahr für die öffentliche Ordnung durch Hissen der Flagge muss der Staat konsequent entgegentreten. Die Schützenbruderschaft St. Michael Olsberg braucht sich nach dem Wortlaut des Erlasses keine Sorgen zu machen. Die Verwendung ihrer Vereinsfarben in der Öffentlichkeit stellt definitiv keine Gefahr für die öffentliche Ordnung dar, zu der außerdem auch provokative oder aggressive Begleitumstände kommen müssten. Die Verwendung der Vereinsfarben der Schützenbruderschaft wird daher nach meinen Informationen nicht von diesem Erlass umfasst.
+++ Lesen Sie auch +++
Patrick Sensburg
Das NRW-Innenministerium arbeitet gerade daran, den Muster-Erlass der Innenministerkonferenz ins Landesrecht zu überführen. Ich gehe aber nicht davon aus, dass unsere Schützenbruderschaften davon betroffen sein werden. Auch das NRW-Innenministerium hat das heute meinem Büro gegenüber noch einmal bestätigt. Der Muster-Erlass sieht ja kein grundsätzliches Verbot der schwarz-weiß-roten Flagge vor sondern es geht darum, den Missbrauch der Reichsflagge durch Extremisten zu verhindern. Reichsbürger, Nazis oder auch Teile der Querdenker etwa verwenden diese Flaggen ja als Zeichen der Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland und unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und in diesen speziellen Kontexten soll das Verbot greifen. Bei der Olsberger St. Michael Schützenbruderschaft hingegen ist die schwarz-weiß-rote Flagge ja Teil der eigenen, über 150 Jahre alten Tradition, die eben in das Kaiserreich zurückreicht, und nicht etwa ein Symbol der Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland. Ich sehe hier kein Problem und hoffe, dass die Schützenbruderschaft an ihrer traditionellen Flagge festhält.
Carlo Cronenberg
Auch interessant
Der Erlass der Innenminister von Bund und Länder ist richtig, um rechtsextreme Zurschaustellung einzudämmen. Dass die Schützen in Mitleidenschaft des Erlasses gezogen werden, halte ich für nicht gerechtfertigt. Die Flagge ist älter als der Nationalsozialismus und unsere Schützenvereine haben weder mit rechtsextremen Tendenzen noch mit der Anlehnung an die NS-Zeit etwas zu tun. Der Landtag NRW hat im Herbst 2020 bereits einen Beschluss dazu in Gesetzesform gefasst. Ich habe in den letzten Tagen vom Innenministerium NRW den Einzelfall der Schützenvereinsflagge noch einmal prüfen lassen. Das Ministerium führte mir gegenüber dazu aus, dass es kein generelles Verbot der Flagge gebe, sondern es auf die Einzelfallprüfung vor dem Hintergrund der rechtsgerichteten Verwendung der Flagge ankäme. Das heißt, dass zur Zeit keine Notwendigkeit besteht, die Flagge des Schützenvereins auszutauschen. Ohnehin würde erst eine Anzeige bei den Ordnungsbehörden zu einer rechtlichen Überprüfung führen. Da es nicht einmal einen ansatzweise entsprechenden Hintergrund des Rechtsextremismus gibt, wird nach meiner Einschätzung die rechtliche Überprüfung zugunsten des Schützenvereins verlaufen. Deshalb sollte aus meiner Sicht die Bruderschaft die Flagge behalten. Sie steht bei Schützen für Tradition und Brauchtum.
Matthias Kerkhoff
Ich habe nach den Berichten in der WP sowohl mir dem NRW-Innenminister als auch mit dem Olsberger Schützenhauptmann Tobias Klauke Kontakt aufgenommen. Der Inhalt des Erlasses betrifft nicht allein die St. Michael Schützenbruderschaft Olsberg, sondern viele andere Schützenvereine. Der Innenminister hat zugesagt, dass es eine Lösung im Sinne der Vereine geben wird. Ziel ist es schließlich, dass eine rechtsextreme Gesinnung nicht zu Schau gestellt werden darf. Ein Schützenfest oder ein Schützenumzug zählen unzweifelhaft nicht in diesen Verdachtskreis. Daher bin ich sicher, dass die Vereine und Bruderschaft ihre Flaggen behalten können, wenn sie möchten.