Berlin. Millionen Deutsche schlucken Vitamine oder Mineralstoffe. Sie gelten als gesund. Für manche Menschen können sie aber gefährlich werden.
Einzelne Vitamine und Mineralstoffe in Obst, Gemüse oder Nüssen wirken gegen aggressive Sauerstoffverbindungen, sogenannte „freie Radikale“, die etwa durch UV-Strahlen oder das Rauchen in den menschlichen Zellen entstehen. Das gilt etwa für die Vitamine C, E und B2 oder Selen, Zink oder sekundäre Pflanzenstoffe wie Beta-Carotin. Die auch als Antioxidantien bezeichneten Stoffe sollen den Körper vor Krankheiten schützen. Für den Fall einer Krebserkrankung aber stehen sie seit einiger Zeit im Verdacht, das Tumorwachstum zu fördern. Eine Studie aus Schweden liefert dafür nun neue Hinweise. Das Magazin Scinexx hat darüber zuerst berichtet.
Bereits in den Jahren 2014 und 2015 hatten zwei im Fachmagazin „Science Translational Medicine“ veröffentlichte Untersuchungen ebenfalls aus Schweden gezeigt, dass sich bei Mäusen die Streuungsrate von Hautkrebs verdoppelt hatte, und Lungenkrebstumore im Frühstadium schneller wuchsen, wenn die Tiere hohe Dosen von Radikalfängern über die Nahrung erhielten. Ähnliches zeigte sich im Labor bei menschlichen Haut- und Lungenkrebszellen.
Laut den Wissenschaftlern gab es dafür einen Grund: Die Erhöhung des Antioxidantien-Spiegels schränkte in den Zellen die Produktion des Proteins p53 stark ein. p53 sorgt dafür, dass kleine Erbgutschäden ausgebessert werden und leitet bei stärkerer Schädigung den programmierten Zelltod ein. Beides verhindert, dass sich Tumorzellen entwickeln können. „Ein Zuviel an Antioxidantien schwächt also die schützende Aktivität des p53-Proteins und begünstigt die Überlebenschancen von Krebszellen“, erklärten die Studienautoren.
Nahrungsergänzungsmittel: Viele Erwachsene greifen zu Pillen
Nun haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Karolinska Institut in Stockholm die Wirkung von Antioxidantien auf Krebstumore auf zellulärer Ebene noch genauer angeschaut. Sie taten das mittels sogenannter Lungentumor-Organoide, also im Labor gezüchteter Minitumore aus menschlichem Tumorgewebe. Das Forscherteam untersuchte darüber hinaus auch Krebszellen und -gewebe von Mäusen und Menschen mit Brust- oder Nierenkrebs.
Im Ergebnis wies das Forscherteam nach, dass Antioxidantien wie die Vitamine A, C und E das Wachstum und die Ausbreitung von Lungenkrebstumoren deshalb förderten, weil sie das Eiweiß BACH-1 stabilisierten. BACH-1 fördert die Bildung von Blutgefäßen, wodurch Tumore besser mit Nähstoffen versorg werden.
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Antioxidantien sind gängiger Bestandteil von Vitamin-Präparaten und anderen Nahrungsergänzungsmitteln. Diese sind ein Milliardenmarkt. Laut einer Befragung von 5400 Erwachsenen von 18 bis 64 nahmen allein in dieser Altersgruppe 75 Prozent mindestens ein Produkt, vor allem Vitamine und Mineralien.
Verbraucherschützer: Nur wenige Aussagen sind belegt
Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hat die Studienlage zur Schutzfunktion von Antioxidantien geprüft. „Bei vielen Stoffen bezeichnet sie die Datenlage als nicht wissenschaftlich gesichert“, teilt die Verbraucherzentrale mit. Nur einige wenige Aussagen zum Schutz vor freien Radikalen seien zulässig. „Dazu gehört für Zink, Selen sowie Vitamin C, E und B2 die Aussage, dass sie dazu beitragen „die Zellen vor oxidativem Stress zu schützen“
Die Forscher aus Schweden raten nun Krebspatientinnen und -patienten davon ab, Nahrungsergänzungsmittel mit Antioxidantien eher zu meiden. Eine Empfehlung, die auch das Deutsche Krebsforschungszentrums und etliche medizinische Fachgesellschaften teilen.
Erhöhen Vitamine das Krebsrisiko generell?
„Nach derzeitigem Kenntnisstand ist nicht auszuschließen, dass Antioxidantien wie Vitamin C, E und Beta-Carotin die Wirkung einer Chemo- oder Strahlentherapie beeinträchtigen. Einige Vitamine führen außerdem zu unerwünschten Wechselwirkungen mit manchen Krebsmedikamenten“, erklärt das Deutsche Krebsforschungszentrum. Bei Mangelzuständen sollte zunächst versucht werden, diese über eine vollwertige Ernährung statt über Vitamin- und Mineralstoffpräparate auszugleichen.
Unabhängig von der Situation bereits an Krebs erkrankter Patienten ist die Frage, ob Antioxidantien das Krebsrisiko bei gesunden Personen beeinflussen. „Hierzu wurden etliche Studien durchgeführt. Die Ergebnisse sind allerdings nicht eindeutig“, heißt es vom Krebsinformationsdienst. Der Einfluss von Antioxidantien auf das Erkrankungsrisiko sei daher noch unklar. „In einigen klinischen Studien wurde eine Risikoerhöhung für manche Krebsarten durch bestimmte Antioxidantien gezeigt. Es gibt aber auch Studien, die eine krebshemmende Wirkung beschreiben.“
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