Berlin. Ein gutes Geschenk zu Weihnachten? Experten erklären, worauf es ankommt und wann und warum es gut tut, anderen eine Freude zu bereiten.
- Weihnachten steht vor der Tür
- Dabei lösen nicht nur Geschenke per se Glücksgefühle aus
- Auch das Verschenken kann glücklich machen
Die Wunschzettel sind geschrieben, Geheimverstecke bald mit eingepackten Kleinig- oder „Großigkeiten“ gefüllt. Einkäufe sind in Auftrag gegeben oder stehen noch auf der Weihnachts-To-Do-Liste. Denn: Bei den meisten gehören sie zum Fest zwingend dazu, auf der Prioritätenliste rangieren sie noch vor Weihnachtsbaum und Singen: Geschenke.
„Es gibt Familien, in denen wirklich viele Geschenke verteilt werden“, gibt Neurobiologe und Hirnforscher Gerald Hüther im Gespräch mit unserer Redaktion zu bedenken. „Und man kann nicht sagen, dass sie es dadurch hinkriegen, ein friedvolles Weihnachtsfest zu genießen.“
Andere Familien wiederum hätten fast nichts. „Und trotzdem wird es das wunderschönste Fest, das sie miteinander erleben – davon handelt ja sogar die Weihnachtsgeschichte“, so Hüther. Er ist davon überzeugt: Wir machen es uns in der modernen Gesellschaft mit Blick auf Geschenke zu einfach. Vielen gehe es mehr um eine Aufwertung des eigenen Selbstwerts als um das Gegenüber.
Weihnachten: Geschenke machen Problematik der Konsumgesellschaft deutlich
Auch Biophysiker, Philosoph und Wissenschaftsautor Stefan Klein betont hinsichtlich der Bescherung unterm Baum: „Dass man die Neigung zu einem Menschen oder die Beziehung zu einem Menschen versucht im materiellen Wert von Geschenken gewissermaßen zu monetarisieren, das finde ich wirklich ganz, ganz schwierig.“ Weihnachten, wie es hierzulande gefeiert wird, sei definitiv keine durchweg sinnvolle Veranstaltung, da sind sich die beiden Experten einig.
Laut Hüther haben viele das Prinzip „Je größer das Geschenk, umso mehr ist das Ausdruck der großen Liebe“ verinnerlicht. Dabei hätten die Feiertage großes Potenzial für Gemeinschaft und ehrliches Wachstum – selbst die Geschenke. Vorausgesetzt, wir machten uns ernsthaft Gedanken um sie: Warum schenke ich wem was? Was möchte ich damit erreichen?
„Das ist gerade der Witz des Schenkens, dass wir gewissermaßen gezwungen werden, uns über die Bedürfnisse der beschenkten Person ernsthaft Gedanken zu machen und uns in sie einzufühlen – und uns unsere eigenen Motive bewusst zu machen“, so Stefan Klein, Autor der Bücher „Der Sinn des Gebens“ und „Die Glücksformel“. Sein Appell: „Schenken Sie weniger und dafür aufmerksam.“
Experte: Geschenke sollten nicht dem eigenen Selbstwert dienen
Geht es um das eigene Motiv, wollen die meisten Menschen, ob Freunde, Eltern oder Großeltern, Hüther zufolge mithilfe der Geschenke gemocht werden. „Als Hirnforscher muss ich sagen: Sie sind im Grunde genommen Bedürftige. Sie haben nicht das Gefühl, dass sie so wie sie sind gut genug sind.“ Diese Verantwortung müsse man aber bei sich lassen und nicht durch Geschenke weitergeben.
Das Schöne: Das gute Gefühl beim Schenken lässt sich nicht allein auf eine Bestätigung des eigenen Selbstwerts reduzieren. Es ist mehr als das Bedürfnis zurückgeliebt zu werden. Die eigene Freude, die wir spüren, wenn wir anderen ein Geschenk machen, stellt sich auch ein, wenn wir den Empfänger gar nicht kennen – etwa bei einer anonymen Spende. In der Forschung spricht man vom „Warm Glow“, einem „wohligem Gefühl“.
Neurowissenschaftlerin Soyoung Park konnte in einer Studie, die von der Universität Zürich und der Universität Lübeck gemeinsam durchgeführt wurde, nachweisen, dass großzügiges Verhalten und Glücksgefühle in unserem Gehirn miteinander verknüpft sind. „Schenken ist aus meiner Sicht daher definitiv mehr als nur Berechnung und Eigennutz“, sagt Park.
„Wir konnten sehen, dass die Augen unserer Probanden allein bei dem Gedanken, wen sie beschenken wollen, geleuchtet haben und es war schwer, sie in Zaum zu halten, damit sie uns nicht etwa von den Blumen für die Mutter oder dem Essen für den Obdachlosen erzählen.“
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Zu Weihnachten besser gemeinsame Zeit verschenken
Das bestätigt auch Klein. Genau wie Hüther geht es ihm eher um die Art des Geschenks. „Ich glaube, dass wir den Wert von Dingen, die wir verschenken, überschätzen und den Wert von Erfahrungen unterschätzen“, so Klein.
Hüther erklärt es an einem konkreten Beispiel. „Kindern wird das lang erträumte blinkende, wackelnde und quakende Plastikspielzeug vermutlich eher nicht helfen, sich tatsächlich in der Welt zurechtzufinden“, so der Neurobiologe. „Und es wird wohl eher nicht dazu beitragen, dass sich das Kind entfalten kann.“ Ähnliches lässt sich auch auf Geschenke für Erwachsene übertragen.
Ein gutes Geschenk aus Hüthers Sicht: „Ein Reiseführer – etwa von Prag, kombiniert mit einem Gutschein für einen Städtetrip.“ Die gemeinsame Unternehmung schaffe nicht nur positive Erinnerungen durch Erlebnisse, sondern stärke gleichzeitig das Gefühl der Verbundenheit. „Das ist etwas, was das Kind braucht, damit es sich als kleiner Entdecker und Gestalter entfalten kann“, so Hüther.
Eltern müssen Verantwortung übernehmen
Klar könne es passieren, dass insbesondere ein Kind enttäuscht ist, wenn der Herzenswunsch von Weihnachtsmann oder Christkind nicht erfüllt wird. „Aber diese Enttäuschung sollte man in Kauf nehmen“, betont auch Klein. „Das Kind lernt mit negativen Gefühlen umzugehen, ich als Elternteil lerne genau das auszuhalten und nehme gleichzeitig meine Rolle als Erziehungsberechtigter und Schenkender ernst.“
Fest steht für Klein aber auch: Wunschzettel sind per se etwas Gutes. Denn durch sie erfahre man auch, was das Kind vielleicht tatsächlich brauche. Etwa neue Torwarthandschuhe, da die alten abgenutzt sind. Liegen neue unterm Baum, werden wir auch bei diesem nützlichen Geschenk die Freude spüren – ganz automatisch.
„Glück ist ein Signal, das die Natur erfunden hat, um uns zu zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, erklärt Klein. „Anderen Menschen etwas wirklich Gutes zu tun, das kann sich so anfühlen und kann im Hirn ganz ähnliche Reaktionen auslösen wie eine gute Schokolade essen oder guter Sex.“ Also sollten wir unbedingt weiter schenken, aber eben überlegt und richtig.