Berlin. Bei „Hart aber fair“ ging es um die sozialen Medien. Wie sollten wir damit umgehen? Und lässt sich Tiktok noch kontrollieren?
Am Montagabend um halb neun war es endlich so weit. „Revolution bei Tiktok. Heute geht es los”, verkündete Karl Lauterbach noch etwas unbeholfen im Selfie-Modus. Dies sei sein allererster Tiktok-Beitrag. Hinter ihm lächelt Sascha Lobo leicht gequält in die Kamera, dann springt auch noch Louis Klamroth ins Bild, um Werbung für die nächste „Hart aber fair“ -Folge zu machen, wo die beiden Männer in wenigen Minuten zu Gast sein werden. Das Thema der Sendung: „Tiktok & Co: Wer nimmt es mit der AfD auf?”
Es diskutierten:
- Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister
- Muhanad Al-Halak (FDP), Bundestagsabgeordneter
- Sascha Lobo, Digitalexperte und „Spiegel“-Kolumnist
- Tara-Louise Wittwer, Autorin, Kulturwissenschaftlerin und „Content Creator“
- Silke Müller, Schulleiterin in Niedersachsen und Buchautorin
- Alexander Prinz, Youtuber und Autor
„Hart aber fair“: Lauterbach will sich dem Tiktok-Kampf mit der AfD stellen
Schon vor einigen Tagen war die Meldung des bald tiktokenden Bundesgesundheitsminister durch die Presse gegangen, bei Louis Klamroth betonte Lauterbach seine Gründe hierfür erneut: „Wir dürfen die sozialen Medien der AfD nicht überlassen.” Die ist dort nämlich überaus erfolgreich. Auf Tiktok werden ihre Videos ungefähr doppelt so oft angeklickt wie die Videos von anderen Parteien.
Ganz vorn mit dabei ist der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl: Maximilian Krah. „Echte Männer sind rechts”, proklamierte er in einem seiner populistischen Videos und erntete damit 1,4 Millionen Likes. Zahlen, von denen sich Tiktok-Neuling Lauterbach nicht einschüchtern lässt. Immerhin habe er auch mehr als eine Million Follower bei Twitter. „Warum sollte es auf Tiktok nicht laufen?”, fragte er trocken.
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Sascha Lobo kritisiert bei „Hart aber fair“ die Langsamkeit der Politik
Etwas zu spät dran ist er mit seinem großen Auftritt trotzdem. Bereits 2018 sei Tiktok die meistheruntergeladene App gewesen, erklärte Sascha Lobo. „Da hätte man schon mal darauf kommen können, dass sie eine gewisse Relevanz hat.” Eine feine Spitze in Richtung der demokratischen Parteien, die Tiktok lange als zu unpolitisch eingestuft hatten. Mittlerweile sei die chinesische Plattform mehr als ein beliebtes Unterhaltungsmedium. Immer mehr Leute würden dort auch gezielt nach Wissen suchen und sich über die aktuelle Weltlage informieren. Heute sollen mehr als 20 Millionen Deutsche die Plattform monatlich nutzen. Knapp 60 Prozent sind zwischen 14 und 19 Jahre alt.
Sie sind auch die Zielgruppe von Silke Müller. Die Schulleiterin und erste Digitalbotschafterin Niedersachsens gesellte sich gegen Ende der Sendung zu der Runde, brachte die Diskussion allerdings noch mal ordentlich auf Trab. Müller erzählte von einer Babykatze, die in einem Mixer zerhäckselt wurde, von der Kastration eines Mannes und von Nacktfotos. Alles Videos und Bilder, die quasi täglich auf den mobilen Endgeräten ihrer Schülerinnen und Schüler landen würden.
„Das ist Alltag”, erklärte die Schulleiterin, an deren Schule es unter anderem eine Mediensprechstunde gibt. Eine Anlaufstelle, um Kinder im Netz nicht alleinzulassen. Allerdings dürfe nicht nur die Kompetenzbildung von Schülerinnen und Schülern im Fokus stehen. „Auch wir Eltern müssen Experten sein in der Welt, wo die Kinder unterwegs sind“, forderte Müller. „Ich kann nicht über Tiktok reden, wenn ich niemals auf dieser Plattform war.”
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Kommt bald das Schulfach „Interneterziehung“?
Die von Karl Lauterbach angedachten Verbote und Strafen, die der Verbreitung von menschenverachtenden oder gewaltverherrlichenden Videos zumindest etwas Einhalt gebieten sollen, sieht die Lehrerin kritisch. Tiktok sei eine Plattform, die man mittlerweile so gut wie nicht mehr reglementieren könne, und selbst wenn man es versuchen würde: „Dann gäbe es morgen schon eine neue Plattform”, davon ist Müller überzeugt.
Ihrer Kritik schließt sich auch Sascha Lobo an. „Sie unterschätzen die schiere Größe dieser Plattformen und die unfassbare Zahl an Content-Einheiten, die dort täglich veröffentlicht werden”, erklärte der Blogger Karl Lauterbach. Hinzu komme, dass bereits jetzt viele Videos nicht mehr über Instagram oder Tiktok verbreitet werden, sondern über Chatverläufe, die sich wiederum in Computerspielen verbergen. Auch deshalb sei eine „intensive Aufklärung der jungen Menschen darüber, wie soziale Medien, wie das Internet funktioniert”, besonders wichtig. Dies könne zum Beispiel das Schulfach „Interneterziehung” bewirken.
Karl Lauterbach postete übrigens schon kurz nach der Aufzeichnung sein zweites Tiktok-Video. Die Sendung sei „erträglich” gewesen. Dem kann man sich nur anschließen.
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