Bochum. Die britischen Heavy-Metal-Stars traten schon viele Male im Ruhrgebiet auf. Zum kuriosesten „Konzert“ kam es vor fast 40 Jahren in Bochum.

Im Juli 2025 steht im Ruhrgebiet wieder ein Feiertag für Metal-Fans an: Am 11.7. machen Iron Maiden auf ihrer „Run For Your Lives World Tour“ Station in der Arena auf Schalke. Es ist die Gelsenkirchener Premiere der vor 50 Jahren gegründeten Genre-Ikone, die seit 1980 bereits 19 Mal im Revier auf der Bühne stand – meistens in Dortmund oder Essen. Drei Mal kamen die Flaggenträger der New Wave Of British Heavy Metal auch nach Bochum, zuerst im Jahr 1982, als Bruce Dickinson & Co. ihr Maskottchen „Eddie“ in der 2001 abgerissenen Ruhrlandhalle von der Kette ließen. Ihren kuriosesten Auftritt (nicht nur) im Ruhrgebiet absolvierte die Band allerdings vier Jahr später – in der Edel-Disko Tarm Center.

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Es war auch einer ihrer kürzesten Gigs, denn Iron Maiden spielten nur einen Song. Hintergrund: Die britischen Metal-Stars waren zu Gast der ZDF-Sendung „P.I.T. – Peter Illmann Treff“ des gleichnamigen Moderators auf. Anfang 1986 hatte der Sender begonnen, die Musikshow live aus wechselnden Diskotheken der Republik zu übertragen, und da durfte das Tarm Center nicht fehlen. Erst im Januar des Jahres hatte die neue Erlebnisgastronomie eröffnet und mit ihrer topmodernen Licht- und Lasershow für Furore gesorgt. In ganz Deutschland verbreitete sich der Ruf des Tarm Centers als angesagte Edelsdisko. Wer hinein wollte, musste schick sein – die Türsteher selektierten gnadenlos.

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Die komplette P.I.T.-Folge vom 20.8.1986 kann man sich bei Youtube anschauen – und dabei nicht zuletzt in die (Frisuren-)Mode der 80er eintauchen. Das Tarm Center ist knallvoll, als sich Moderator Peter Illmann durch die Massen quetscht, und sein Publikum hat sich entsprechend herausgeputzt. Heavy-Metal-Fans sind allerdings nicht zu sehen. Vergleichsweise verhalten fällt entsprechend der Jubel aus, als Illmann Iron Maiden ansagt. Es habe immer wieder Bitten gegeben, auch das Metal-Genre im Programm zu berücksichtigen, das wolle man nun einmal versuchen.

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Allerdings: Alle Bands und Interpreten mussten bei P.I.T. zum Vollplayback auftreten. Was für die anderen Acts des Abends – u.a. Human League, The Housemartins und Frankie Goes To Hollywood – Routine war, kratzte bei Bruce Dickinson, Steve Harris & Co. an der Rocker-Ehre. Schon bei ihrem allerersten Aufritt in der berühmten BBC-Sendung „Top of the Pops“ im Jahr 1980 bestand die Band darauf live zu spielen. In Bochum mussten sie nun doch zur Konserve performen – was sie davon hielten, machten die Briten schon Sekunden nach dem Intro des Songs „Wasted Years“ deutlich.

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Zunächst mimt Frontmann Dickinson noch den Gesang, um sich nach wenigen Takten aber die Gitarre von Steve Harris zu schnappen und damit auf der Bühne herumzutollen. Es ist der Startschuss für einen wilden Instrumententausch, der jegliche Playback-Illusion zunichte macht. Sogar Drummer Nicko McBrain, der sich just im vergangenen Jahr in die Rocker-Rente verabschiedete, verlässt seinen Posten, um zur Abwechslung mal den Sänger am Mikro zu geben – wahrscheinlich das einzige Mal überhaupt in seiner Maiden-Karriere. Aufs Schlagzeug wiederum darf in der Folge jeder mal draufhauen. Die ZDF-Regie reagiert schnell und zeigt die desolate Darbietung daher entweder mit Abstand aus der Totalen oder mit Effekten verfremdet.

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Als es vorbei ist, sind die Macher vom ZDF in doppelte Hinsicht erleichtert, wie sich Peter Illmann erinnert: „Es hat seitens des Teams keine großen Reaktionen auf den merkwürdigen Auftritt gegeben – wir waren einfach froh, dass sie da waren und nichts passiert ist. Wir hatten eher Sorge, dass die uns da vielleicht die Bude zusammenschlagen oder so, man weiß es ja nicht.“ Für Iron Maiden sei der Tarm Center sicher die kleinste Location gewesen, in der sie je auf der Bühne standen, mutmaßt der Moderator. „Die haben sich wahrscheinlich ein bisschen komisch gefühlt, in einer Diskothek aufzutreten, und dann auch noch zum Playback. Aber live zu spielen, wäre dort gar nicht möglich gewesen, bei dem Sound, der dort herrschte.“

Iron Maiden In Saginaw, MI
Heavy ohne Hose: Bruce Dickinson neigte in den 80ern zum Schabernack. Auch im Bochumer Tarm Center hatte er 1986 den Schalk im Nacken. © Getty Images | Icon and Image

Irritiert waren Iron Maiden zusätzlich sicher vom so ganz anderen Publikum, vor dem sie auftreten mussten. Das vermutet auch Erhard „Hucky“ Heppke, der es wohl als einziger Heavy ins Tarm Center schaffte. „Vielleicht waren zwei, drei Leute da, die sich für Metal interessiert haben – aber das hat man ihnen nicht angesehen“, erinnert sich der Gelsenkirchener, der damals für das Metal-Magazin Aardschok arbeitete. „Es war kein einziger echter Heavy zu sehen. Kein Wunder, mit Kutte und langen Haaren kam ja auch nicht rein.“

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Hucky selbst blitzte ebenfalls zunächst bei den berüchtigten Türstehern ab: „Dabei war ich doch akkreditiert! Ich bin dann zu einer Telefonzelle, es gab ja noch keine Handys, und hab bei der Plattenfirma angerufen. Als ich zurück zur Disko bin, meinten die Kanten am Eingang, ,Was willst du denn schon wieder hier?‘ Ich sagte, ,Warte ab, gleich kommt der Manager von Maiden und wird dir das erklären.‘ Im Endeffekt bin ich dann auch reingekommen und hab mich nur gefragt, wo bin ich denn hier gelandet?“

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Vor dem Tarm Center warteten derweil viele Heavy-Metal-Fans vergeblich darauf, eingelassen zu werden. „Aber die Security war knallhart. Die hatten Angst, dass die Heavies ihnen den Laden zerlegen. Das war natürlich völliger Quatsch“, ärgert sich Heppke noch heute über das schlechte Image der Metal-Fans. So blieb die einzige „Ausschreitung“ im Rahmen der Sendung dann Frankie-Goes-To-Hollywood-Sänger Holly Johnson vorbehalten. Der entledigte sich seines Mikrofon-Ständers gleich zu Beginn des Auftritts im Außenbereich der Disko mit einem beherzten Wurf in den legendären Tarm-Center-Pool.

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Iron Maiden wiederum konnten nur zwei Jahre später ihren Fans in Bochum doch noch eine standesgemäße Show bieten – live und in einer Location von angemessener Größe: Am 28.8.1988 waren die Briten Top-Act beim legendären „Monsters of Rock“-Festival im Bochumer Ruhrstadion und machten damit sogar KISS zu ihrem Anheizer.