Essen. Der Sänger (72) legt mit seiner Heavy-Metal-Band das neue Album „Invincible Shield“ vor. Seine eigene Stimme hört er gar nicht gern.
Auf Judas Priest, gegründet 1969, ist einfach Verlass. Sechs Jahre nach „Firepower“ veröffentlichen die Legenden um Sänger Rob Halford das neue Album „Invincible Shield“, und es besticht einmal mehr mit epischen und brachial harten wie auch sehr melodischen Heavy-Metal-Songs. Wir sprachen mit dem 72-jährigen Engländer, der seit langem mit seinem Mann in Phoenix/Arizona lebt, per Video.
Mr. Halford, Ihr guter Freund und Kollege Ozzy Osbourne ist unlängst 75 geworden. Hatten Sie Gelegenheit, ihm zu gratulieren?
Rob Halford: Ja, ich habe Ozzy ein Glückwunschvideo geschickt. Ozzy ist ein echter Schatz für uns alle! Ich bin mir sicher, er ist so richtig überschüttet worden mit Liebe, und das natürlich völlig zu Recht!
Sie sind 72 und Ihre Stimme ist in ganz ausgezeichneter Verfassung, wie man auf dem neuen Album „Invincible Shield“ hören kann.
Rob Halford: Danke sehr. Ich singe für mein Leben gern. Wenn ich singe, fühle ich mich lebendig. Und komplett. Das Singen gibt mir den Grund, auf der Welt zu sein. Und das, obwohl ich den Sound meiner Stimme überhaupt nicht leiden mag.
Wie bitte?
Das war schon immer so. Ich habe das, was viele Musiker quält, nämlich eine ständige Unsicherheit, ob man wirklich gut genug ist. Diese Unsicherheit treibt mich auf der anderen Seite an. Ich möchte etwas erreichen, was praktisch unerreichbar ist. Aber als Judas Priest können wir uns keine Schlampereien erlauben.
Ist es Ihnen schwergefallen, das neue Album zu schreiben und aufzunehmen?
Naja, aus dem Ärmel geschüttelt haben wir es nicht. Wie jede Kunstform erfordert auch das Songschreiben sehr viel handwerkliches Geschick und eine feine Antenne für kleinste Details. Judas Priest hat noch nie irgendwelche kreativen Abkürzungen genommen und wir haben es einfach nicht in uns, Ergebnisse zu akzeptieren, die nicht allererste Sahne sind. Als wir vor einigen Jahren die Entscheidung trafen, ein neues Album anzupacken, waren wir aufgeregt wie am ersten Tag. Und wir waren ganz schön in Panik.
Warum das?
Weil es sehr gut sein musste. Es muss ja einen Grund geben, warum wir ein weiteres Album machen. Wenn es nichts Besonderes wäre, hätten wir uns das nach 18 Studioalben ja auch sparen können. Wir hatten uns nach über fünfzig Jahren Bandhistorie der Frage zu stellen, welchen Mehrwert ein neues Priest-Album haben würde. Ich bin mir sicher, die Rolling Stones haben ähnliche Überlegungen angestellt, bevor sie „Hackney Diamonds“ erschufen. Und die Antwort ist, jedenfalls in unserem Fall: Weil wir es immer noch lieben, aus dem Nichts etwas zu kreieren. Plötzlich hast du einen Song, den es vorher nicht gab, das ist einfach ein mit nichts zu vergleichendes Gefühl.
Halten Sie sich deshalb für unverwundbar oder was steckt hinter dem Albumtitel „Invincible Shield“?
Immer schon war es meine Aufgabe in der Band, nicht nur zu singen, sondern auch die Texte, die Musik, die Botschaften zu verfassen. Der Titelsong spricht recht offenkundig über das jahrzehntealte Band, das nicht nur uns als Musiker, sondern auch uns mit den Fans verbindet und zusammenschweißt. Ich denke, jeder von uns besitzt und hält ein Schild, von dem er hofft, dass es undurchdringlich ist und ihn beschützt. Dieser Schild kommt dir zugute bei allen Schwierigkeiten, denen du ausgesetzt bist, sei es mit deiner Gesundheit, deiner Beziehung, deinem Job, was auch immer.
Denken Sie, Ihr unsichtbarer Schutzschild ist besonders stark und stabil?
Tja, ich bin nach gut 72 Jahren immer noch hier (lacht). Mein Schild scheint intakt zu sein. Ich fühle mich potent und kraftvoll, voller Leben und voller Neugier auf das, was kommt. Auch optisch verbreitet dieser Schild auf dem Albumcover, das wieder von unserem langjährigen Kunstdesigner Mark Wilkinson entworfen wurde, sehr viel Energie, Entschlussfreude und Resilienz.
Sie haben es im Leben nicht immer leicht gehabt, waren etwa bis 1986 alkoholabhängig, vor einigen Jahren an Prostatakrebs erkrankt, und haben erst 1998 Ihre Homosexualität öffentlich gemacht. Konnten Sie sich immer auf Ihren Schutzschild verlassen?
Auf einer tiefen, spirituellen, Ebene habe ich immer gewusst, dass ich in Ordnung kommen oder dass sich die Dinge klären werden. Allein meine Drogen- und Alkoholsucht hätte böse enden können, wenn nicht irgendein mächtiges, höheres Wesen auf mich achtgegeben hätte. Mein Krebs vor einigen Jahren war eine Geschichte, die die Undurchdringlichkeit des Schilds und damit die Überzeugung, unzerstörbar zu sein, ziemlich auf die Probe gestellt hat. Doch selbst in dieser Lage habe ich mich nicht im Bett zusammengekrümmt, sondern bin aufrecht stehengeblieben und habe mit meiner ganzen Kraft gegen etwas angekämpft, das mich potentiell hätte zerstören können.
Haben Sie Ihre Krebskrankheit eigentlich überwunden?
Oh ja, glücklicherweise ist alles wieder in Ordnung.
Zwischen Ihrem letzten Album „Firepower“, das 2018 rauskam, und „Invincible Shield“ haben Sie 2020 Ihre Autobiographie „Ich bekenne“ veröffentlicht. Eine ganz andere Form der Kunst, oder? Wie war das Buchschreiben für Sie?
Nun ja, mein Leben ist die Musik und die Musik ist mein Leben. Von daher war es kein immenser Kraftakt, „Ich bekenne“ zu schreiben, da sehr viele der Inhalte, die mich als Menschen betreffen und beschäftigen, ja immer schon in den Songs von Judas Priest zur Sprache gekommen sind. Es gibt jede Menge Priest-Songs, die ich höre und denke „Ach, so ging es mir zu dieser Zeit also“.
Ihre Kollegen von Kiss haben nun ihre aktive Karriere beendet und wollen, wie es bereits Abba sehr erfolgreich vormachen, als virtuelle Band weitermachen. Ist das auch eine Option für Judas Priest?
Mein Mann Thomas und ich machen hier jeden Abend einen kleinen Spaziergang durch die Hügel und reden über Dies und Das. Neulich sprachen wir tatsächlich darüber, wie cool es ist, wenn du demnächst Kiss auf deine Geburtstagsparty wirst einladen können. Dann stehen diese Avatare in ein paar Jahren in deinem Wohnzimmer und legen los. Ist das nicht geil? (lacht) Ich glaube, solche Hologrammprojektionen werden bald schon ganz alltäglich sein.
Judas Priest live in Deutschland
24.3.2024 Frankfurt, Festhalle
25.3.2024 München, Olympiahalle
27.3.2024 Dortmund, Westfalenhalle
1.7.2024 Hamburg, Arena
2.7.2024 Berlin, Max-Schmeling-Halle
4.7.2024 Nürnberg, Arena
6.7. 2024 Ballenstedt, Rockharz
8.7.2024 Mannheim, Arena