Oberhausen. Frauen im Comic jenseits von Wonder Woman: Wir sprachen mit Cartoonistin Franziska Becker über die Ausstellung „Aus der Rolle gefallen“.
Der weibliche Körper im Comic: Man denkt unweigerlich an die Klischees von Superheldinnen mit gewaltigen Oberweiten und an schlüpfrige Perspektiven aus Männersicht. Doch es geht auch ganz anders: „Aus der Rolle gefallen“ heißt die Ausstellung, die einen komplett weiblichen Blick auf Schönheitsideale und Körperbilder richtet. Die fünf Comic-Zeichnerinnen Franziska Becker, Julia Bernhard, Lisa Frühbeis, Mia Oberländer und Paulina Stulin thematisieren auch vermeintliche Tabu-Themen wie Menstruation, Menopause und Verhütung, Körperbehaarung, Scham und Erwartungsdruck, mit denen sich Frauen auseinandersetzen müssen. Kuratorin Leonie Neidert eröffnet damit in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen einen ungeschminkten Blick auf moderne Weiblichkeit – und auf die Schwierigkeiten, mit denen Frauen heute immer noch konfrontiert sind, in der Gesellschaft, am Arbeitsplatz, im Familienleben. Wir sprachen mit Franziska Becker, Wegbereiterin des feministischen Cartoons, darüber, wie sich die Perspektiven für Frauen in den vergangenen fünf Jahrzehnten verändert haben und wo es noch immer Dinge zu verändern gibt.
Sie zeichnen Ihre feministischen Cartoons und Illustrationen seit 47 Jahren für die „Emma“, die „Titanic“ und viele andere Publikationen. Die anderen Zeichnerinnen in der Ausstellung haben ihre Debüts meist vor weniger als zehn Jahren veröffentlicht. Macht es Sie stolz, dass heute so viele junge Frauen Comic-Kunst erschaffen?
Franziska Becker: Ich hoffe doch, dass ich den Weg ein bisschen frei geschlagen habe. Vor mir gab es natürlich schon Marie Marcks. Aber dass man sich einfach vorstellen kann, als Mädchen oder als Frau auch als Zeichnerin tätig zu sein, das war damals schon eine Anmaßung, also dass man in diesem Beruf seinen Senf zum Leben dazuzugeben kann.
War das Themenfeld des Feminismus in den 1970ern humoristisch noch weitgehend unerschlossen?
Als ich anfing in der Frauenbewegung in Heidelberg, habe ich natürlich auch Dinge aus meinem täglichen Leben und Erleben verarbeitet. Meist selbstironisch, aber ich habe auch ein bisschen die Frauenbewegung verarscht, die mir manchmal ein bisschen zu ernst war. Oder zu intellektuell. Dann hat sich mein Themenfeld immer mehr erweitert in die allgemeine Politik. Und dann habe ich mir eigentlich sozusagen die ganze Welt angeeignet als Thema, aber immer mit Bezug auf Frauen, weil ich ja für die immer gezeichnet habe.
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Als vor wenigen Jahren durch die #MeToo-Bewegung der weit verbreitete sexuelle Missbrauch und die Belästigung von Frauen durch Männer angeprangert und angeklagt wurde, war das für Sie nichts Neues. Sie haben etwa das Angrapschen am Arbeitsplatz schon oft gezeichnet – nur dass bei Ihnen die Männer von Frauen angefasst wurden …
Es ist halt ein alter Trick, dass in der Rollenumkehr die Absurdität stärker zum Tragen kommt. Dass Männer sich anmaßen, Frauen anzugrabbeln, ist ja erwartbar. Wenn umgekehrt Frauen das in meinen Zeichnungen tun, kommt Komik zustande, eben weil das so unvorstellbar ist.
Ihre Comics behandeln zum überwiegenden Teil feministische Themen. Gibt es beim Feminismus in den vergangenen Jahren eigentlich eher Fortschritte?
Man hat schon viel erreicht, aber es gibt immer wieder mal einen Rückschlag. Das sieht man schon an dieser Körperbezogenheit, die durch das Internet vertausendfacht wird. Die ständige Frage, wie man aussieht, wie man sich darstellt, diese dauernde Selbstbespiegelung, das gab es ja in unserer Jugend nicht. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals über unsere Körperformen nachgedacht hätten. Das war keine Kategorie. Und das ist heute extrem geworden. Hinzu kommt die Pornografisierung, mit der Jungen und Mädchen konfrontiert sind, die gab es bei uns auch nicht.
Frauen sind in der Comic-Szene zwar auf dem Vormarsch, aber immer noch in der Minderheit. Wie lässt sich das erklären?
Das weiß ich auch nicht so genau. Frauen wollen ja meistens geliebt werden. Und wenn sie dann Kritik einstecken müssen, dann ziehen sie sich oft in ihr Schneckenhaus zurück. Aber das hat sich vielleicht mittlerweile ein bisschen geändert. Deshalb bin ich gespannt, am Sonntag bei der Ausstellungseröffnung die anderen Zeichnerinnen zu treffen.
„Aus der Rolle gefallen – Deutsche Comiczeichnerinnen im Blick“ Ausstellung mit Franziska Becker, Julia Bernhard, Lisa Frühbeis, Mia Oberländer und Paulina Stulin. 20. Oktober 2024 bis 2. Februar 2025, Ludwiggalerie Schloss Oberhausen (Konrad-Adenauer-Allee 46). Ausstellungseröffnung: 20. Oktober, 11 Uhr. Eintritt frei. www.ludwiggalerie.de