Köln. Die Lanxess-Arena war nicht ganz ausverkauft, als mit Ms Hill und Wyclef Jean als Fugees antraten. Gäste mit illustrem Namen gab‘s auch.

Allzu oft hat Ms Lauryn Hill sich ihren Status als Diva redlich verdient, indem sie Konzerte plötzlich absagte. Oder sich mit einstündiger Verspätung doch noch auf der Bühne blicken ließ. In der Kölner Lanxess-Arena war sie mit 22 Minuten Wartezeit für ihre Verhältnisse fast überpünktlich. Ziemlich divös war ihr Auftritt beim ersten von drei Deutschlandkonzerten aber doch: Sie rauschte erst mit einem vielköpfigen Hofstaat in ein Zelt neben der Bühne, um sie dann in einem Outfit zu beschreiten, das eine Alaska-Expedition ausgehalten hätte: Schwarzer Pelz, dicke schwarze Jacke, Weste und schwarze Krawatte mit drei Ketten darüber, Plateauschuhe auf Bordstein-Niveau und ein schräg aufgesetztes Wagenrad von Hut mit leichtem Barett-Touch: Queen Lauryn beherrschte die Szene mit zwölf musikalischen Pagen und Hofdamen im Hintergrund, darunter vier (!) Keyboarder.

Ms. Lauryn lebte in der Kölner Arena zwar nicht auf großem Fuß, aber auf hohem Schuh.
Ms. Lauryn lebte in der Kölner Arena zwar nicht auf großem Fuß, aber auf hohem Schuh. © Thomas Brill | Thomas Brill

Angekündigt waren „The Fugees“, aber die sind ja eigentlich passé, seit Pras Michel in den USA wegen Geldwäsche und illegaler Wahlkampfspenden verurteilt wurde und Lauryn Hill wegen Betrugs und Unterschlagung verklagt, womit ein Drittel der Fugees für eine Weile ausfallen dürfte. Wobei wohl nicht nur Ms Hill die Lücke etwas kleiner einschätzen dürfte. Jedenfalls entfachten sie und Wyclef Jean, der über eine Stunde nach ihr unter dem Jubel der 9000 Fans die Bühne enterte (und gerade noch bei Janet Jackson in der Halle war), mit Fugees-Songs wie „How Many Mics“ oder „Zealots“ Jubel über Jubel. Mit Wyclef Jean, dessen Präsidentschaftskandidatur in seiner Heimat Haiti kläglich scheiterte, begann die eigentliche Hip-Hop-Sequenz des Abends. Er durfte dann erst mal eine Weile solo ran, spielte seine Gitarre in bester Jimi-Hendrix-Gedächtnismanier im eigenen Nacken und mit den Zähnen, mischte ganz cool „Maria, Maria“ mit „Guantanamera“ – und forderte, bevor er den Mega-Ohrwurm „Ready or Not“ dann wieder mit Lauryn anstimmte, „das Stadion“ wie einen Weihnachtsbaum zu erleuchten. Den Wunsch erfüllten ihm tausende der meist weiblichen Fans prompt mit ihren Smartphone-Lampen.

Wyclef Jean singt mit reichlich angekratzter Stimme, Lauryn Hill dagegen tadellos samten, soulig und voller Kraft

Während Jeans Stimme reichlich angekratzt und hier und da ein bisschen überstrapaziert daherkam, verwöhnte Lauryn Hill die Gehörgänge mit Samt, mit Soul, mit diesem unterschwelligen Beben, das ihre Stimme so unverwechselbar macht. Zwischendurch flirtet die 49-Jährige auch noch mit Rythm‘n‘Blues, so dass man gar nicht mehr weiß, aus welcher Richtung genau jetzt die Gänsehaut kommt. „Final Hour“, „Last Ones“, „Ex Factor“, „To Zion“, später auch noch „Doo Wop (That Thing)“– es geht hier auch darum, die Feiern zum 25-Jahre-Jubiläum von Hills 20-Millionen-fach verkauftem Meilenstein-Album „The Miseducation of Lauryn Hill“ fortzusetzen, das sich längst zu einer feministischen Ikone entwickelt hat. „The Celebration Continues“ ist denn auch der Vorname der Tournee.

Und dann lässt Lauryn Hill ihre Söhne Zion und YG als Enkel von Bob Marley Reggae singen

Und auf der ist für Abwechslung gesorgt, zumal es einen Reggae-Block von den Marleys gibt. Zwar nicht mit Bob Marley, aber seinen Enkeln, deren Eltern Marleys Sohn Rohan und Lauryn Hill sind. Als erstes durfte ihr Ältester ran, und Zion Marley hat, was die Stimme angeht, einige Ähnlichkeit mit Opa Bob: „Why Won‘t You Stay“ klingt sehr danach. Später darf auch noch Sohn YG Marley ran, und wie sein Bruder singt er nicht nur Reggae, sondern wirkt auch eher etwas introvertiert und fast schüchtern als für die Bühne geschaffen.

Ms Lauryn Hill: die Diva in ihrem Ornat in Köln.
Ms Lauryn Hill: die Diva in ihrem Ornat in Köln. © Thomas Brill | Thomas Brill

Aber auch sie werden gefeiert von einem Publikum, das die DJane Reborn im Vorprogramm als gut gemischt enthüllt hatte. Auf die Aufforderung, sich zu melden, reagierten die 70er-Jahrgänge und ältere mit annähernd derselben Lautstärke wie die 80er-, 90er- und 2000er-Jahrgänge. Die Schwarze Community war bei diesem über zweistündigen Konzert ebenfalls stark vertreten – Ms Hill, die es von der Imbiss-Tellerwäscherin zur Multimillionärin geschafft hat, ist eben in vielerlei Hinsicht eine Leitfigur in Sachen Selbstermächtigung,