Essen. Herbert Grönemeyer eröffnet mit seiner Biografie die Lit.Ruhr. Und verrät, wer ihm in „A Most Wanted Man“ eine Rolle wegschnappte.
Da war er wieder, dieser Grönemeyer-Moment, den im Sommer schon zehntausende Fans im Bochumer Ruhrstadion geteilt haben. Stehende Ovationen zur Eröffnung der Lit.Ruhr in der mit 1300 Besuchern ausverkauften Lichtburg. Dabei hat Herbert, wie „mich hier im Ruhrgebiet alle nennen“, eigentlich nur zwei Stunden aus seinem Leben und über seine Musik geplaudert. Und damit sehr viele Menschen sehr glücklich gemacht. Gemeinsam mit seinem Freund und Schriftsteller Michael Lentz stellte der Künstler seine Ende September erschienene Biografie „Grönemeyer“ vor.
Warum es gar nicht so einfach war, Grönemeyer zum Ehrenmitglied des VfL Bochum zu machen
Zunächst werden die Zuschauer zeugen eines rheinisch-westfälischen Gemüterstreits. Der Westfale zuverlässig und selbstironisch, der Rheinländer das Gegenteil davon. Soweit, so Klischee. Während der in Düren geborene Lentz dem ersten FC Köln die Treue hält, schlägt Grönemeyers Herz – natürlich – für den VfL Bochum. Der habe ihn einst zum Ehrenmitglied machen wollen. Ohne wirklich Vereinsmitglied zu sein, sei das gar nicht so einfach gewesen. „Jetzt bin ich Ehrenmitglied bei 4630 Bochum“, so Grönemeyer, dessen Hymne und Ode an die Stadt vor jedem Heimspiel an der Castroper die Fans elektrisiert (und übrigens in Köln geschrieben wurde). Der Erfolg von „Bochum“ verblüffe ihn bis heute, gibt der Sänger zu: „Ein Plattenhändler an der Kortumstraße wollte das Album damals nicht und meinte, dass die Platte mit dem Namen schon in Bottrop keiner mehr kaufen wolle.“
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Ob er „Bochum“ nochmal live im Ruhrstadion vor einem VfL-Spiel singen werde, will ein Fan in der Lichtburg wissen. Glück gebracht habe das nicht, konstatiert Grönemeyer. Beim letzten Mal, 2006, gingen die Bochumer 0:6 gegen Werder Bremen unter. Er werde es sich aber überlegen, sichert der Künstler zu, der in der laufenden Saison Ärmelsponsor beim VfL ist. Und außerdem habe er ja gerade erst vier Konzerte im ausverkauften Ruhrstadion gespielt. „Das war so überwältigend, diese Wärme, die mir dort entgegengebracht wurde“, schwärmt Grönemeyer in der Lichtburg vom musikalischen Heimspiel im Juni. Dort auf der Bühne zu stehen, „das ist wie aus 30 Metern abziehen und den rechten Winkel treffen. Ein absolutes Glücksgefühl.“
Von „Bananentexten“ und Poesie in Grönemeyers Liedern
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Persönliche Einblicke wie diese machen den Abend für viele Fans unvergesslich. Das Buch gerrät dabei oft ins Hintertreffen: Wenngleich sich Literarturhistoriker Michael Lentz redlich bemüht, das musikalische Werk zu sezieren und den lyrischen Mehrwert zu beleuchten, der nach seiner Überzeugung sogar Grönemeyers „Bananentexten“ inne wohne. Als solche bezeichnet er die teils zusammenhanglosen Wortgebilde, mit denen der Sänger seine Platten komponiert, ehe er die „richtigen“ Texte schreibe. „Das mache ich schon immer so. Ich arrangiere alle Lieder ohne Text, der kommt zum Schluss. Und manchmal verändere ich ihn noch, wenn das Booklet bereits im Druck ist“, verrät der Künstler.
Mit der Vorstellung, seine Texte seien biografisch, räumt Grönemeyer indes auf: Bei den Texten betreibe er keine Nabelschau, man sollte nie von der Kunst auf den Künstler schließen, das gelte auch für ihn. „Aber eine Emotion liegt natürlich immer dahinter“, sagt der 68-Jährige.
Wenig später verrät er noch, dass er sich zwar eher für einen Mittelklasse-Schauspieler halte, aber beim richtigen Angebot offen wäre, wieder vor der Kamera zu stehen: „Wenn ich eine gute Rolle kriegen würde und da dann ein guter Regisseur ist, der dann auch hinguckt und mich auch richtig führt, dann kann das gut sein“, sagte der 68-Jährige. Für „A most wanted man“ sei er im Gespräch für die Hauptrolle gewesen, die am Ende Philip Seymour Hoffman spielte. „Ich bin ja nicht so bekannt in England“, so Grönemeyer, der schließlich die Filmmusik beisteuerte und in einer Nebenrolle auftrat.
2026 soll ein neues Studioalbum erscheinen
Bei den Fans in der Lichtburg bestärkt der Sänger an diesem Abend vor allem das Heimatgefühl. Auch, wenn er nach Stationen in Hamburg, London und mittlerweile Berlin längst nicht mehr im Ruhrgebiet lebt, so vermittelt Grönemeyer doch wie kaum ein anderer die DNA dieser Region, mit jeder seiner Geschichten. Wenn er zurückdenkt an seine Zeit am Bochumer Schauspielhaus. Nochmal daran erinnert, dass Currywurst eigentlich von Diether Krebs geschrieben wurde. Oder den Rat preisgibt, den ihm sein Vater damals am Krankenbett mitgegeben habe, als er mit „Mensch“ das bislang erfolgreichste Album seiner Karriere veröffentlicht hatte: „Junge, werd‘ mir bloß nicht arrogant.“
Grönemeyer hat den Rat seines Vaters ganz offensichtlich befolgt, von Hochmut fehlt bei ihm jede Spur. Umso ausgeprägter ist sein Wille, noch lange weiterzumachen. Er würde gern dem französischen Chanson-Sänger Charles Aznavour nacheifern, mit dem er einmal ein Duett habe aufnehmen dürfen, sagte Grönemeyer: „Er hat auch bis 92 noch Konzerte gegeben und das ist für mich dann auch ein großes Vorbild.“ Mitte 2025 soll ein Akustikalbum erscheinen. Für 2026 kündigte er außerdem ein neues Studioalbum an.