Essen. Der Poet, Literarhistoriker und Freund Michael Lentz seziert Herbert Grönemeyers Musik und Texte. Das hat Hand und Fuß, aber wenig Reiz.
Ja, Romane schreibt Michael Lentz auch, aber vor alle ist er ein hochgelobter Dichter, „Lautpoet“, wie man so sagt, zumal er auch ein überaus erfolgreicher Poetry-Slammer war. Er hat den Ingeborg-Bachmann-Preis gewonnen und fast einmal auch den Deutschen Buchpreis, er ist in Leipzig nicht nur Präsident der Freien Akademie der Künste, sondern auch Professor für Schreiben am örtlichen Literaturinstitut. Und, nun ist es raus: Der Mann, der 1964 in Düren geboren wurde, ist auch ein veritabler Herbert-Grönemeyer-Fan. Sein neuer Band „Grönemeyer“ ist eine Buch gewordene Verbeugung vor dem Popsänger aus Bochum. Von einem Fan, für Hardcore-Fans.
Das Buch, das mit Grönemeyers Satz „Im Grunde genommen bin ich in Bochum geboren“ beginnt, besteht aus zwei Hälften. Die erste liefert so etwas wie eine musikalische Biografie. Sie beschwört die Ganzheitlichkeit des Musikers Grönemeyer, der ohne den Theater- und Filmschauspieler gleichen Namens nicht zu denken wäre. Seine Eltern, seine Brüder, seine Kindheit und Jugend, deren Anekdoten und Entwicklungen spielen nur insoweit eine Rolle, als sie Einfluss auf Grönemeyers Musikschaffen, seine Texte und seine Art zu singen, zu spielen, zu komponieren hatten („Das Musizieren war ein familiäres Verständigungsmittel“). Lentz hangelt sich, ausgehend von der frühen Zeit am Bochumer Schauspielhaus, im Weiteren an den vielen Alben entlang, die im Laufe der Jahre erschienen, und den Orten, an denen sie entstanden.
„So Grönemeyer“ in einer der Grundakkorde dieses Buchs
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Der zweite Teil ist dann eine literatur- und musikwissenschaftliche Detail-Analyse der in der Tat ja sehr speziellen Songs von Grönemeyer. Hier fährt Lentz die großen Geschütze von Kunst- und Volkslied als Vergleichsgrundlage auf, die Analyse setzt sich en detail auf eine Weise mit diversen Takt- und Akkord-Formen und -Folgen auseinander, die durchaus auch wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Sie ist nicht allzu akademisch, aber voraussetzungsreich.
Wer bis dahin vorstoßen will, muss allerdings damit klarkommen, dass der Name Grönemeyer auf jeder Seite drei bis sechsmal fällt, „so Grönemeyer“ lautet einer der ständig wiederholten Grundakkorde dieses Buchs, für das sich Michael Lentz lange mit dem Popmusiker unterhalten haben muss. Ein überaus kluges, verständiges Buch, das bis in die kleinste Faser, auch im Zusammenspiel von Musik, Text, Singweise und Persönlichkeit, die Einzigartigkeit Grönemeyers herauskristallisiert. Wenn man die bisher nur geahnt haben sollte, weiß man nun, wie sie funktioniert. Das Zergliedern beeinträchtigt allerdings die unbefangene Freude an Grönemeyer und seiner Musik. Es hebt ihn und sie auf einen Sockel, auf dem sie dann weit entfernt sind von uns Fans.
Michael Lentz: Grönemeyer. S. Fischer Verlag, 368 S., 28 €. Am Mittwoch, 9. Oktober, eröffnen Lentz und Grönemeyer mit dem Buch die Lit.Ruhr. Die Veranstaltung ist bereits ausverkauft.
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