Dortmund. Kriege, Kummer, Katastrophen: Die besten Pressebilder des Jahres haben aber hier und da doch einen Hoffnungsschimmer zu bieten.
Da ist der Mann inmitten einer Trümmerwüste mit der Jacke in Signal-Orange. Sein linker Arm führt zu einer Matratze, die unter einer herabgefallenen Betondecke liegt. Wer näher an das Foto herangeht, sieht mit Schrecken, dass die Hand des Mannes auf einer Hand ruht. Es ist die seiner 15-jährigen Tochter, die bei diesem Erdbeben am 6. Februar 2023 ums Leben kam, wie 55.000 andere Menschen in Syrien und der Türkei. Es ist das, was die Zahlen ignorieren, ja unsichtbar machen: „Der Schmerz eines Vaters“ hat Adnan Altan sein Foto genannt, das beim alljährlichen Wettbewerb um das beste Pressefoto auf dem dritten Platz landete. Die Ergebnisse sind jetzt bis zum 20. Oktober im Dortmunder Kulturort Depot zu sehen.
Es ist gar nicht so leicht, bei diesem World Press Photo-Wettbewerb etwas jenseits von Kriegen, Kummer und Katastrophen zu finden. Aber der Zweitplatzierte, der australische Fotograf Eddie Jim hat so etwas hinbekommen. Scheinbar. Ein alter, weißhaariger Mann steht mit seinem Enkel in einer Meereslandschaft im Wasser und umarmt ihn – unter Wasser. Dass man das sehen kann, ist, jenseits des klaren Wassers, eine fotografische Meisterleistung, die Kamera muss kurz über der Wasseroberfläche geschwebt haben. So geht Familie, denkt man noch. Um dann zu erfahren, dass das Foto von den Fidschi-Inseln stammt. Und dass da, wo der alte Mann mit seinem Kind steht, dem das Wasser schon bis zum Kinn reicht, früher das Ufer war, als der Alte noch selber Kind war.
World Press Photos in Dortmund: Monarchfalter in Amerika, Braunkohle in Lützerath
Um eine Ursache für das Ansteigen der Meeresspiegel geht es bei der Fotoserie „Niemandsland“ des Deutsch-Franzosen Daniel Chatard (Jahrgang 1996), der die Proteste der Braunkohle-Gegner in Lützerath und Immerath begleitet hat. Brutal verschnürte Demonstrantinnen, der Abriss des „Doms“ von Immerath, der Polizeikordon vor dem gigantischen Abraumbagger: gute, parteiliche, bewegende Fotos. Wie nebenan die Serie über die Monarchfalter, die schon deshalb oft Fotopreise gewinnen, weil sie schöne Schmetterlinge sind, die zu tausenden in Scharen auftreten. Aber auch sie sind gefährdet: Ihre einzige Nahrung ist die Seidenpflanze – und deren Bestände gehen dramatisch zurück. So sterben viele Monarchfalter auf ihrer alljährlichen Wanderung von Mexiko über die USA bis nach Kanada einen Hungertod. Aber es gibt Menschen, die Seidenpflanzen aussäen und sich um das Schicksal der bedrohten Schmetterlinge kümmern. Grenzüberschreitend, jenseits aller Ausgrenzungsversuche.
Das Engagement der Fotografinnen und Fotografen ist im Laufe der Jahre immer gefährlicher geworden: Während die Weste mit der Aufschrift „Presse“ früher ein Schutzschirm war, ist sie heute eher zu einer Zielscheibe geworden. Eine Karte in der Ausstellung verdeutlicht, wie schlecht es in der Pressefreiheit in aller Welt bestellt ist.
Zur Ausstellung
„World Press Photo“, Kulturort Depot. Immermannstr. 29, 44147 Dortmund. Bis 20. Oktober. Geeignet ab 14 Jahren. Geöffnet: So-Do 11-20 Uhr, Fr/Sa 11-22 Uhr. Eintritt: 8 €, erm. 6 €. Öffentliche Führungen: 28.9., 5., 12. und 19. 10. um 14 Uhr; 2., 9. und 17. 10. 18 Uhr; 13. 10. 11 Uhr. Führungsgebühr: 4 . Für Schulen gibt es Führungen ab 8 Uhr. Kontakt (Jan Schmitz): 0231 / 80 80 57.
Am 17. Oktober ist im Depot Daniel Chatard zu Gast, der die Proteste gegen den Braunkohle-Abbau in Lützerath fotografiert hat. Wer ihn erleben möchte, sollte seine Eintrittskarte zur Ausstellung aufbewahren – damit ist der Eintritt zu dem Abend frei.
Die rätselhaften Toten in den Booten auf der Karibik-Insel Tobago (sie waren von Mauretanien nach Europa aufgebrochen und drifteten über den Atlantik nach Westen), der heillos ausgetrocknete Nebenfluss des Amazonas, der furchtbar schäumende, schwarze (Ab-)Wasserfall in Indonesien und dann das Pressefoto des Jahres: Eine Palästinenserin im Gaza-Streifen, die ihre tote Nichte im Leichenschauhaus entdeckt hat und nun, eingehüllt in ein Tuch, ein letztes Mal umarmt. Man braucht starke Nerven für diese Fotos. Aber richtig gute Bilder sind sie alle.
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