Düsseldorf. Das legendäre Haus am Drakeplatz in Oberkassel ist wieder zugänglich: Eine Stiftung hat es gekauft, stellt Beuys aus, vergibt Stipendien.
Dieses Haus mit seinen großzügigen Sprossenfenstern und dem fast unscheinbaren Portal aus Holz könnte zu einer Pilgerstätte für Beuys-Fans aus aller Welt werden. Hier hat der große Kunst-Schamane Joseph Beuys gelebt, gedacht, gearbeitet und gefeiert. Drakeplatz 4 im Düsseldorfer Edel-Stadtteil Oberkassel, das stand einst in vielen Adressbüchern der internationalen Kunstwelt – bis zu seinem Tod 1986 hat Beuys hier ein Vierteljahrhundert gewohnt: „Es war ein zentraler Ort der Kunst Europas in den 70er- und 80-Jahren“, sagt auch Gerhard Finckh, der ehemalige Direktor des Museums von der Heydt in Wuppertal. Ab dem kommenden Sonntag ist der Drakeplatz 4 erstmals wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Rosa Badezimmer, ein historisches Ofenrohr-Loch und selbstgebauter Gartentisch inklusive.
Beuys war in Düsseldorf gerade zum Akademie-Professor für Monumentalbildhauerei berufen worden, als er 1961 in dem dreigeschossigen Haus mit hohen Decken einzog. Anfangs teilte er es sich noch mit seinem Künstlerkollegen Gotthard Graubner, der später für seine raumfüllenden Kissenbilder berühmt wurde.
Drakeplatz 4: Das Haus und Atelier von Joseph Beuys soll auch Stipendiaten beherbergen
Die großzügigen Räumlichkeiten waren von Anfang an als Atelier- und Wohnhaus für Künstler gedacht. 1902-1908 ließ es der Düsseldorf Akademieprofessor Albert Pehle errichten. Oberbilk war gerade erst durch einen Brückenbau zu einem Düsseldorfer Stadtteil geworden. Selbst die Adresse erinnert an einen Künstler, den preußischen Bildhauer Friedrich Drake (von ihm stammt das Reiterstandbild Wilhelms I. an der Deutzer Rheinbrücke in Köln). Am Drakeplatz wohnten und arbeiteten dann Laufe der Jahrzehnte fast zwei Dutzend Künstler, darunter der rheinische Expressionist Walter Ophey.
Zuletzt gehörte das Haus dem Schmuckfotografen Reinhold Schroers, und als er es verkaufen wollte, rannten ihm Fußballprofis aus Leverkusen und andere Neureiche die Türe ein. Aber Schroers ist Beuys-Fan und wollte keine Luxuswohnungen oder Büros hier. Und hoffte darauf, dass das Land Nordrhein-Westfalen, die Stadt Düsseldorf oder die Kunststiftung NRW diesen historischen Ort ankaufen würde. Fehlanzeige. Ob das Desinteresse mit der abgeflauten Beuys-Konjunktur zu tun hat? „Ein Armutszeugnis“, findet Gerhard Finckh.
Die Stiftung der Düsseldorfer Autohaus-Millionärin Brunhilde Moll griff zu
Anfang des vergangenen Jahres aber griff die 2020 gegründete Stiftung der Düsseldorfer Autohaus-Millionärin Brunhilde Moll (86) zu: Sie soll zu gleichen Teilen die Hirnforschung und die Kunst fördern. Den Anfang macht eine kleine Ausstellung von rund 60 Zeichnungen und bekannten Auflagen-Kunstwerken von Beuys, die Gerhard Finckh gemeinsam mit Elza Czarnowski eingerichtet hat, der künstlerischen Leiterin am Drakeplatz 4.
Auch Petra Kelly und Gert Bastian waren am Drakeplatz zu Gast. Andy Warhol wahrscheinlich auch
Die beiden Ausstellungsräume im Erdgeschoss des Hauses waren das Lebens- und Schaffenszentrum von Beuys – im Atelierraum rechts, der früher mit einem Lederteppich ausgekleidet war, empfing er die vielen Gäste, Galeristen, Freunde, Künstler. „Ob er Andy Warhol wirklich hier bewirtet hat“, schmunzelt Gerhard Finckh, „haben wir noch nicht sicher nachweisen können“. Aber die Grünen-Ikonen Petra Kelly und Gert Bastian waren rund um die Parteigründung, an der ja auch Beuys beteiligt war, sicher hier.
- Mutig: Münster zeigt den umstrittenen Otto Mueller
- Gerhard Richter: So nah kam man dem Maler noch nie
- Gerhard Richter in Düsseldorf: Schau der verborgenen Schätze
- Wie sich das Kunstmuseum Gelsenkirchen neu erfunden hat
Der Raum links dagegen war Beuys‘ Heiligstes, hier durfte niemand außer ihm hinein, hier grübelte und plante er. Jetzt leuchtet hier ein Exemplar der „Capri-Batterie“ gelb vor sich hin – die Multiples und Zeichnungen ringsum umfassen Beuys‘ Schaffenszeit von 1949 bis 1986.
Den Gartentisch hat Beuys selbst gebaut. Und die rote Rose gepflegt
Der Drakeplatz 4 soll aber auch künftig weiter mit künstlerischem Leben erfüllt sein: Die Moll-Stiftung will in den hohen, lichten Räumen ab dem kommenden Jahr auch künstlerischen Nachwuchs leben und arbeiten lassen, ausgestattet mit Atelier-Stipendien. Im Hinterhof-Gärtchen des Hauses können sie sich dann an einen niedrigen Tisch setzen, den Beuys aus kleinen Stein- und einer großen Betonplatte selbst gebaut hat. Und die rote Rose gießen, die er vielleicht gepflanzt, sicher aber gepflegt hat. Ansonsten ist so gut wie nichts Originales aus Beuys‘ Zeit geblieben. Auch das rosa Badezimmer („Rhabarber“ nennt die Moll-Stiftung die Farbe) könnte vor, von oder nach Beuys eingebaut worden sein. Und das Ofenrohr-Loch? Der Ofen steht heute, in ein Kunstwerk verwandelt, im Lenbachhaus in München. Und das Ofenrohr ragt hoch oben über dem Düsseldorfer Kom(m)ödchen, wo Beuys es einst ebenfalls als Werk anbrachte. Am Drakeplatz blieb nur das unverputzte Loch.
Am Ende ist es ja seine Kunst, auf die es ankommt.