London. Dolly Parton über ihr neues Album „Rockstar“ mit Starts von Sting bis Miley Cyrus – und warum Mick Jagger nicht ihr „Satisfaction“ gesungen hat.

Dolly Parton, man kann es kaum anders sagen, sieht fantastisch aus. Im schwarzen Lederdress sitzt die 77-jährige Country-Music-Ikone („Jolene“) aus den Smoky Mountains in Tennessee im Leseraum eines noblen Londoner Hotels, um mit Steffen Rüth über ihr neues Album „Rockstar“ zu sprechen, das eines der ungewöhnlichsten in dieser bisher sechs Jahrzehnte währenden Weltkarriere sein dürfte.

Dolly Parton, „Rockstar“ ist ein Doppelalbum mit dreißig Hits der Rockgeschichte und einem Riesen-Aufgebot an Gästen. Was hat Sie zu diesem Mammutwerk angetrieben?

Parton: Der entscheidende Anstoß für „Rockstar“ kam, als ich 2022 in die „Rock and Roll Hall of Fame“ aufgenommen wurde. Diese außerordentliche Ehre hat mich ermutigt, das zu wagen. Ein bisschen habe ich „Rockstar“ auch für meinen Mann gemacht. Carl liebt Rock’n’Roll über alles und lag mir seit Jahren in den Ohren, ein Rockalbum zu machen. Ich habe also die Lieblingslieder meines Mannes ausgewählt und sie mit meinen eigenen Favoriten gemischt.

Fühlen Sie sich nun auch wie ein Rockstar?

Der Gedanke, im zarten Alter von 77 Jahren ein Rockstar zu werden, ist charmant. Aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich diese Bezeichnung schon verdient habe.

Sind denn Stars wie Elton John, Paul McCartney, Steven Tyler oder Sting allesamt Freunde von Ihnen?

Nicht alle, aber auch bei denen, die noch keine Freunde waren, hatte ich keine Scheu, sie anzurufen. Mit anderen wiederum bin ich seit ewigen Zeiten befreundet, mit Elton John zum Beispiel, wir wussten also, dass unsere Stimmen prima zusammenpassen würden. Mit Paul McCartney ist es ganz ähnlich gelaufen. Jetzt singt er auf „Let It Be“ nicht nur, er spielt auch Piano. Und er hat sogar noch Ringo Starr mitgebracht,

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außerdem spielt Peter Frampton Gitarre auf dem Song und Mick Fleetwood Percussion. Mehr Rock’n’Roll geht kaum, wir sind eine echte Supergruppe (lacht).

Haben alle mitgemacht, die Sie gefragt haben?

Nein, nicht alle. Wir haben auch Absagen bekommen. Natürlich hätte ich Mick Jagger auf „(I Can’t Get No) Satisfaction“ sehr gerne dabeigehabt. Er war auch im Grunde willig, aber dann waren die Stones plötzlich so sehr mit ihrem eigenen Album beschäftigt, dass es zeitlich nicht mehr klappte. Ich denke aber, Pink und Brandi Carlile machen den Job ebenfalls toll.

Sie haben immer gezögert, sich als Feministin zu bezeichnen. Trotz Ihrer Musik, trotz solcher Filme wie der Komödie „Warum ei­gentlich… bringen wir den Chef nicht um?“ von 1980, in dem Sie mit Jane Fonda und Lily Tomlin einen sexistischen und egomanischen Boss zu Fall bringen.

Stets im extraordinären Outfit: Dolly Parton live im Austin City Limits beim South by Southwest Festival.
Stets im extraordinären Outfit: Dolly Parton live im Austin City Limits beim South by Southwest Festival. © picture alliance / Jack Plunkett/Invision/AP

Ich bin keine große Freundin solcher Definitionen. Ich bin eine Frau, ich habe Karriere gemacht, ich lebe wohl ein Leben nach den Vorstellungen des Feminismus. Ich zeige der Welt seit vielen Jahren, wozu Frauen fähig sind. Ich muss aber nicht mit einem Schild über die Straße laufen, auf dem steht: „Hey, seht alle her, ich bin eine Frau!“ Ich hoffe, dass ich ein gutes Vorbild bin. Wenn Sie mich unbedingt zur Feministin erklären möchten, dann ist das okay. Aber dann will ich auch das sagen: Nicht nur Mädchen, auch Jungs steht es gut, Feministinnen oder Feministen zu sein.

Eines Ihrer bekanntesten Lieder ist „Coat of Many Colors“, der Mantel mit den vielen Farben. Er war ein selbstgenähtes Geschenk Ihrer Mutter. In dem Song erzählen Sie, wie Sie mit wenig Geld, aber mit sehr viel Liebe und Kreativität aufgewachsen sind. Haben Sie den Mantel noch?

Nein, das Original gibt es nicht mehr. Ich konnte ja als junges Mädchen doch nicht ahnen, dass ich mal ein großer Star werden würde (lacht). Ich erinnere mich sehr gut an diesen Mantel, und ich glaube, als ich rausgewachsen war, hat ihn meine Mum für meine Geschwister, und wir waren ja viele, wir waren zu zwölft, irgendwie umgeschnitten.

Sie tun viel Gutes. Zum Beispiel mit einem kostenlosen Bücherversand, der armen Kindern das Lesen näherbringen soll.

Wenn du in einer Position bist, in der du helfen kannst – dann solltest du auch helfen. Gott war sehr gut zu mir, und ich will das Gute weitergeben. Aber ich will niemanden mit einer Predigt nerven. Alles, was ich sagen will, ist: Glaube an dich, aber glaube bitte auch an irgendetwas, das größer ist als du selbst!

Sie selbst haben keine Kinder, aber mit Ihrer Patentochter Miley Cyrus haben Sie ein kraftvolles Duett ihres Hits „Wrecking Ball“ aufgenommen. Erfreut Sie die Vorstellung, dass Zehnjährige Kids in den sozialen Medien zu Ihrer Musik tanzen?

Und wie! Miley, ist sie nicht fantastisch? Unsere Beziehung ist etwas ganz Besonderes. Wir lieben gegenseitig unsere Musik, und wir lieben uns. „Wrecking Ball“ ist einer meiner Allzeit-Lieblingssongs.

Ist Ihnen mal die Idee gekommen, kürzerzutreten, in Rente zu gehen?

Ich kann nicht in Rente gehen. Für die Rente habe ich viel zu viel zu tun. Solange ich arbeiten kann, werde ich arbeiten.