Essen. Eon gibt dem Museum Folkwang 600.000 Euro für neue Publikumsschichten. Eon-Chef Leonhard Birnbaum verrät im Interview, warum.

Seit 35 Jahren engagiert sich der Energieriese Eon (und seine Vorgänger-Firma Ruhrgas) im Essener Museum Folkwang, bislang vor allem mit der Förderung publikumsträchtiger Ausstellungen. Nun will Eon, das gerade eine Gewinnsteigerung von 27 Prozent für die ersten neun Monate dieses Jahres verkündet hat, ein neues Förder-Kapitel aufschlagen: Der Konzern finanziert über drei Jahre hinweg ein Projekt, mit dem sich das Folkwang noch weiter zur Gesellschaft hin öffnen und aus dem Museum herausgehen will. Das Engagement beläuft sich auf 600.000 Euro. Jens Dirksen sprach darüber mit dem Eon-Vorstandsvorsitzenden Leonhard Birnbaum und Folkwang-Direktor Peter Gorschlüter.

Herr Birnbaum, warum engagiert sich Eon noch einmal mehr im Museum Folkwang?

Birnbaum: Wir haben unsere langjährige Zusammenarbeit auf eine neue Basis gestellt. Die Frage ist ja: Wie öffnen wir ein so sensationelles Museum wie das Folkwang für breitere Kreise? Wie stellen wir sicher, dass das nicht nur so eine kleine Kultur-Bubble ist und immer die gleichen Leute reingehen? Wie schaffen wir es, dass auch andere Zielgruppen einen Stolz darauf entwickeln, eine Emotion dafür haben?

Ist Ihre neue Unterstützung für das Museum Folkwang jetzt Wohltätigkeit oder ein Investment?

Birnbaum: Wohltätigkeit wäre falsch, man hat ja etwas davon. Ich glaube, es ist ein Investment. In die Stadt, in die Region. Ich habe ja auch Mitarbeiter hier, ich versuche, Talente aus vielen Ländern und Regionen dafür zu begeistern, hier in Essen bei Eon zu arbeiten.

Und?

Folkwang-Direktor Peter Gorschlüter (links) und der Eon-Vorstandsvorsitzende Leonhard Birnbaum im Gespräch In der Essener Firmenzentrale von Eon.
Folkwang-Direktor Peter Gorschlüter (links) und der Eon-Vorstandsvorsitzende Leonhard Birnbaum im Gespräch In der Essener Firmenzentrale von Eon. © FFs | Dirk A. Friedrich

Birnbaum: Es macht etwas aus, ob eine Stadt, eine Region etwas zu bieten hat oder nicht. Und es ist ja nicht so, dass das Ruhrgebiet eine einfache Schlacht schlägt wie London, Paris oder Berlin und München, die können ja wuchern. Im Ruhrgebiet sagt man immer, ja die Leute sind so herzlich. Aber versuchen Sie mal in Oxford, jemanden für die herzlichen Leute zu begeistern. Aber dass es Weltklasse-Dinge gibt, und das Folkwang ist auf einem Welt-Niveau, ist gut für eine Region.

Warum?

Birnbaum: Es tut einer Region gut, wenn es irgendetwas gibt, was nicht nur Mittelmaß ist. Sonst gewöhnt man sich daran, dass man nur Mittelmaß ist. Das würde dann am Ende auch Eon nicht guttun, in der Mitte des Mittelmaßes zu leben. Und als großes Unternehmen in der Region hat man jenseits von Gewinn die Verpflichtung, so etwas zu unterstützen. Es ist ein Herzensanliegen, aber nicht profitorientiert. Es ist getrieben von dem Gedanken: Was brauchen Gesellschaften, was brauchen Gemeinschaften? Genau die gleiche Motivation haben wir bei der Förderung des Klavier-Festivals Ruhr. Da sind wir im nächsten Jahr Haupt-Sponsor.

Herr Gorschlüter, was machen Sie denn jetzt mit dem zusätzlichen Geld?

Gorschlüter: Wir haben die Öffnung des Museums zur Stadtgesellschaft und zu einer breiteren Interessentenschicht ja bereits mit großem Engagement betrieben. Das haben wir bislang „on top“ gemacht und mit Pilotprojekten, wir haben entwickelt und getestet. Was sich aber nicht verändert hat, sind unsere Strukturen.

Sie sind immer noch ein Amt der Stadt Essen?

Peter Gorschlüter und Leonhard Birnbaum im Interview.
Peter Gorschlüter und Leonhard Birnbaum im Interview. © FFS | Dirk A. Friedrich

Gorschlüter: Nein, ein Fachbereich. Aber mit der neuen Förderung hilft uns Eon, die Arbeit für ein neues Publikum auch mit neuem Personal zu verstetigen. Ein solches privatwirtschaftliches Engagement für ein Museum in öffentlicher Hand ist, soweit ich das sehe, in Deutschland einmalig. Wir nennen es „Public Engagement“, und das umfasst Ausstellungen und Aktionen außerhalb des Museums, aber auch das Ziel, ein diverseres Publikum anzuziehen. Birnbaum: Das bereits von unserer Eon Stiftung geförderte Projekt „Folkwang und die Stadt“ im vergangenen Jahr war ja schon ein Push in diese Richtung, aber eben noch nicht strukturell nachhaltig. Wenn es so weiterginge, würde man sich von Projekt zu Projekt hangeln und am Ende würde es nicht tragen, das wäre nicht nachhaltig.

Wer von Ihnen ist denn auf wen zugegangen?

Gorschlüter: Wir sind eigentlich dauernd im guten Gespräch. Ich hätte mich aber kaum getraut, mit so einem Vorschlag an das Unternehmen heranzutreten, ich war überrascht und glücklich, dass Eon die Frage gestellt hat: Was können wir denn über das klassische Ausstellungssponsoring hinaus noch machen? Was braucht Ihr eigentlich? Das ist ja sehr uneigennützig: Die großen Ausstellungen bringen Aufmerksamkeit, aber diese Verstärkung unseres Museums findet ja sozusagen hinter den Kulissen statt. Das ist sehr außergewöhnlich.

Wir sehen hier an der Wand, dass Sie mindestens kunstinteressiert sind, im ganzen Eon-Gebäude hängt Kunst. Für welche Künstler können Sie sich persönlich begeistern, Herr Birnbaum?

Birnbaum: Ich sammle nicht als Anleger, sondern begeistere mich für Werke, wenn ich spontan davor stehenbleibe. Als ich jung war und in London gelebt habe, bin ich immer in die Tate Gallery gegangen. Um die moderne Kunst zu verstehen. Und bin dann zu dem Schluss gekommen: Die, vor denen du stehenbleibst, sind es. Roy Lichtenstein fand ich ganz toll, diese Vehemenz! Aber ich hatte neulich auch die Gelegenheit, die Pietá von Michelangelo im Petersdom von ganz nahem zu sehen. Da können Sie weinen, wie schön die ist! Dieser muskulöse Jesus-Körper, der jegliche Körperspannung verloren hat -- da ist ein Schatten in den Marmor eingeschliffen von vielleicht 0,1 Millimetern, so dass in der Wade eine Vene erkennbar wird. Das ist überirdisch, das hat mich vollkommen überwältigt.

Weitere Texte aus dem Ressort Kultur finden Sie hier: