Essen. Neu im Kino: „Jeanne Du Barry“ enttäuscht, ist aber mit dem US-Schauspieler als König Louis XV. top besetzt. Vor allem eine Szene beeindruckt.

Majestät bevorzugen Abwechslung im Schlafzimmer, zumal die Königin das Zeitliche gesegnet hat. Und so erhalten allerlei schöne, junge Damen diskrete Einladungen, an die sich manch mühevoller Lehrgang für Benimm und Etikette anschließt. Die neue Mätresse am Hof jedoch legt bedenklichen Eigensinn an den Tag.

Jeanne, die ihren Namen und den Titel einer Gräfin nur einem raffgierigen Täuschungsmanöver des Grafen Jean-Baptiste Du Barry verdankt, zeigt sich eher amüsiert als beeindruckt von den Regeln und Heucheleien bei Hofe. Und als sie in einem Moment spontaner Begeisterung dem König den Rücken zudreht, da ist dieser aufrichtig entzückt – Jeannes Position als erste Mätresse ist besiegelt: „Diese junge Frau ist meine Entourage“, beschließt Louis XV., „ich möchte bei ihr sein, wenn die Sonne aufgeht und wenn die Sonne untergeht. Mehr nicht.“

Steifer Plüsch wie bei Madame Tussauds

„Jeanne Du Barry – Die Favoritin des Königs“ ist kein Kostümfilm alter Schule. Der Aufstieg einer unehelich Gezeugten, in den Prunk und Tand höfischer Intrigen getränkt, das betont die jüngste Regiearbeit der französischen Filmautorin und Schauspielerin Maïwenn.

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Dennoch reicht die Opulenz der Kostüme und Frisuren am Hofe Louis XV., der von 1722 bis zu seinem Tod 1774 regierte, nicht über den steifen Plüsch einer Wachs-Installation bei Madame Tussauds hinaus. Das Dekorative als Schauwert, die ornamentalen Kompositionen der Kamera: Alles ist erlesen, zeigt aber nur äußerliche Virtuosität. Dramatische Stimmung ergibt sich daraus nicht.

Schelmische Regelbrüche

Der wesentliche Grund dafür ist, dass Maïwenn als Autorin und Regisseurin den Aufstieg einer individualistisch (in Maïwenns Lesart: feministisch) gestimmten Außenseiterin beschwört, der Titelfigur keine innere Entwicklung zubilligt und alles Tragische aus dem Off erzählen lässt.

Auch darstellerisch erreicht Maïwenn mit ihrem ungekämmt wallenden Haupthaar und dem auf schelmischen Regelbruch bedachten Spiel keine vertiefende Annäherung an ihre Filmfigur Du Barry. Das eine große Verdienst ihres Films ist die Besetzung des Königs mit Johnny Depp, der hier eine No-Nonsense-Performance von beeindruckend kontrollierter Contenance und eine Sterbeszene von ergreifender Eindrücklichkeit bietet.

Für Hollywood mag Depp verloren sein, für Europa ist er ein echter Gewinn. Der Film um ihn herum ist dagegen – wie zuvor Sofia Coppolas „Marie Antoinette“ – nur undurchdacht, unterentwickelt, uninspiriert. Ernst Lubitschs Stummfilm „Madame Dubarry“ von 1919 mit Pola Negri in der Titelrolle bleibt eine Klasse für sich. Wer Ton bevorzugt, ist mit Karl Millöckers Operette gut bedient.