Neu im Kino: Spannung bei „The Inspection“, beste Unterhaltung beim modernen Märchen „Polite Society“ – und ein „Letzter Abend“ zum Vergessen.

„The Inspection“

Ellis French büxte im Alter von 16 Jahren von Zuhause aus, geriet auf die schiefe Bahn, aber jetzt, mit 25, da will er seiner gottesfürchtigen Mutter zeigen, dass er es zu etwas bringen kann, obwohl er schwul ist. Ellis meldet sich zu einem Ausbildungstraining bei den US-Marines. Jungs, die nicht hetero oder christlichen Glaubens sind, haben bei den Ausbildern und den Kameraden schlechte Karten. Genau hier will Ellis sich beweisen.

Ein autobiografisch geerdetes Filmdrama des schwarzen Filmautors Elegance Bratton, der sich mit beachtlicher Zähigkeit dem Kampf um Anerkennung auf verschiedenen psychologischen Ebenen widmet. Es geht um Selbstfindung und Selbstbehauptung und die Erkenntnis, dass die biologische Familie keineswegs die beste Lösung für einen Menschen sein muss. Das ist erstaunlich dicht und spannend erzählt und rund um den fabelhaften Hauptdarsteller Jeremy Pope mit einem spielfreudigen, sehenswerten Ensemble veredelt.

Es ist der Blickwinkel eines Filmemachers, der sich selbst über einen Zeitraum von fünf Jahren bei den Marines durchbiss und also weiß, wovon er redet. Den Drill stellt er allerdings nicht in Frage.

„Polite Society“

Das Londoner Schulmädchen Ria ist 16 und träumt von einer Karriere als Stuntfrau. In der Schule wird sie dafür belächelt, zu Hause aber findet sie bei ihrer älteren Schwester Lena eine kraftvolle Unterstützung. Eines Tages, nach dem Besuch einer Party bei neureichen Nachbarn, erhält Lena unerwartet einen Heiratsantrag vom begehrtesten Junggesellen. Alles ist zu schön, um wahr zu sein – und Ria wittert Unrat. Klarer Fall: Lena treibt ins Unglück, die Hochzeit muss unbedingt verhindert werden.https://www.waz.de/kultur/fisherman-s-friends-2-im-kino-mit-problemen-ueberladen-id239248395.html

Londons pakistanische Community liefert die schillernde Kulisse für ein modernes Märchen um Solidarität unter Schwestern, radikale Berufsträume und eine Mission Impossible gegen ein Komplott von aberwitziger Bösartigkeit.

Es ist allerhand los in dieser bunten Kinogewürzmischung aus Bollywood-Guter-Laune und Kung Fu-Fantasy, Liebesroman, Teenieangst und Science-Fiction-Paranoia – und alles findet statt im charmanten Einwanderer-Knotenpunkt Notting Hill in London.

Nida Manzoor befüllt in ihrem Langfilmdebüt eine Film-Wundertüte voller Tempo und ausgeflippter Ideen. So macht Kino Spaß!

„Letzter Abend“

Clemens macht Musik, Lisa wird Ärztin an der Charité. Gemeinsam wollen sie deshalb nach Berlin, morgen ist Umzug. Für heute Abend haben sie noch Freunde eingeladen, von denen aber nicht alle kommen, dafür setzen sich Fremde und Ungeladene an den Tisch. Eine gesellschaftsspiegelnde Versuchsanordnung von Hipster-Typen in spartanischer Kulisse – und bald schon ahnt man, dass keiner hier so selbstsicher ist, wie er sich gibt, und erste Sicherungen durchknallen müssen.

Im preiswert produzierten Kinodebüt von Lukas Nathrath bezeugen schon Licht und Ton mangelndes Verständnis für Kinodimensionen. Drehbuch und Regie servieren dann ein wahres Panoptikum der Distanzlosigkeit, Selbstbezogenheit und Wehleidigkeit. Das eröffnet einen Jahrmarkt der Peinlichkeiten mit allerlei Wiedererkennungseffekten und Anlass zum Fremdschämen.

Alles ist mit dickem Pinsel getüncht, und als es doch um etwas geht, da hört der Film einfach auf. Kino ist nicht so einfach. Man übt halt noch.