Köln. 3000 Menschen kamen zum Auftritt der Rockband auf dem Kölner Domplatz. Ein Konzert bei strömendem Regen, das zeigte: Nichts ist mehr wie früher.

Ian bleib’ bei deiner Flöte. Sie kann Töne säuseln, streicheln, wie aus Spitzen geklöppelt klingen lassen. Sie heraus spautzen und sprotzen, rotzen, randalieren, flattern, flatulieren (ohne jedwede Anrüchigkeit zu verbreiten) und fragolieren. Tirilierender Triumph, dann ganz tief im Sumpf, der Schnatermann lässt modrig grüßen. Ein Stoßen und Grumpfen und Umpfen, so, als verbänden sich Blatt und Lippen und Kehlkopf zu einem unterirdisch-urtümlichen Choral. Und dann, so klar heraus und licht hinaus, wie eine Lerche am Morgen.

Aber, Ian, bitte, sing’ nicht mehr. Ob es den 3000 Menschen, die am Donnerstag beim Konzert von Jethro Tull auf dem Roncalliplatz vor dem Dom dabei waren, ähnlich ging, kann man nur ahnen. Und dafür um Entschuldigung bitten, dass man jemand, der inzwischen 75 Jahre alt ist, der Musikgeschichte schrieb und Ende 2008 von Queen Elizabeth II mit dem Titel „Member of the Britisch Empire“ geehrt wurde, einfach so mir nichts dir nichts duzt.

Ein Hauch von Verzauberung bei „Aqualung“

Aber Ian Andersons Stimme war eine Stimme, mit der man erwachsen geworden ist. Und die sich nun, in der siebten Dekade Jethro Tull, anhört, wie eine geborstene Glocke. Und, in den besten Momenten, wie Moritatengesang. Die Magie ist hin. Obwohl man kurz vor Schluss des knapp zweistündigen Konzerts (mit 15 Minuten Pause), bei „Aqualung“ noch einen Hauch der Verzauberung verspürt, die Anderson, als Held selbst aufgenommener Musik-Kassetten, als Beschallung progressiver Kunststunden in der Schule oder von pubertären Erstbegegnungen mit Rockmusik in der Kölner Sporthalle verstrahlte.

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Darüber, dass es, bis auf wenige Minuten, in Strömen geregnet hat, braucht man eigentlich auch kein Wort zu verlieren. Für Helden leidet man gerne. Aber so – mit ein bisschen weniger Langmut.

Glücklich sind sie trotzdem

Der Sound ist, im Prinzip, in Ordnung, aber der Druck, der fehlt. Alles kommt mit gebremstem Schaum rüber. So richtig toll rustikaler Rock ist das nicht. Selbst wenn die erste – und letzte Zugabe – und damit das Non-Plus-Ultra von Jethro Tull – „Locomotive Breath“ die Kessel schürt, hat das nicht diesen Krach-Wumm-Effekt, mit dem das musikalische Kraftpaket normalerweise die Dampframme auspackt.

Glücklich sind sie trotzdem. Die Sich-Erinnernden und In-den-eigenen-Spuren-Gehenden. Sie springen auf, dürfen endlich die bislang verbotenen Handys auspacken (die nur zur Zugabe erlaubt sind und Fotografen gar nicht) wippen, tanzen, jubeln. Die Setliste hat gestimmt. Der Frontmann war agil, zugewandt und freundlich. Aber, Ian, bitte, sing’ nicht mehr.

Der, der auf einem Bein steht: Zur Person Ian Anderson

Ian Anderson kam am 10. August 1947 im schottischen Dunfermline zur Welt und verbrachte seine Kindheit in Edinburgh. 1958 zog seine Familie nach Blackpool in Westengland. Fünf Jahre später gründete er mit Schulfreunden die Band „The Blades“. Als Sänger spielte er auch Mundharmonika und gewöhnte sich dabei an, auf einem Bein zu stehen, um dabei, sich am Mikrofon abstützend, das Gleichgewicht zu halten. Zur Querflöte fand er erst später, als Autodidakt. Die Pose, die dereinst zum Markenzeichen werden sollte, behielt er bei. 1967 gründete Anderson, zusammen mit drei anderen Musikern (von denen heute keiner mehr dabei ist) Jethro Tull.