Ruhrgebiet. Wer gewinnt das Spiel Spanien gegen Deutschland? Der Orang-Utan aus Dortmund hat entschieden, und bisher hatte er meistens recht.
Aus, das Spiel ist aus: Gegen Spanien fliegt Deutschland aus der EM. Sagt jedenfalls Walter, und der hat meistens recht. Neunmal hat der Orang-Utan bislang die Turnier-Ergebnisse getippt – alle mit deutscher Beteiligung und in Dortmund, wo auch er wohnt. Siebenmal lag Walter richtig, nur die Schweiz sah er vorn. Das macht für das Viertelfinale wenig Hoffnung, zumal andere Fußball-Orakel ähnlich pessimistisch sind. Nur Tapir Theo ist für Schwarz-Rot-Gold, wobei: Der Münsteraner liegt für gewöhnlich zuverlässig daneben. 14 Jahre nach Krake Paul sagt statt nur eines tierischen Hellsehers ein ganzer Zoo voraus, wer weiterkommt. Und Deutschland guckt vor jedem Spiel gespannt aufs große Fressen.
Bei Paul in Oberhausen gab es Miesmuscheln. Sie versenkten das Leckerchen in Plexiglas-Boxen in seinem Aquarium, und der Kraken schwamm zur Futterstelle. Dass er zur Fußball-WM 2010 in Südafrika alle sieben Begegnungen der deutschen Mannschaft richtig tippte, machte das „Okrakel“ weltberühmt und brachte ihm sogar einen Wikipedia-Eintrag ein („Paul: Krake“). Wissenschaftler verhandelten öffentlich die Wahrscheinlichkeiten seiner Vorhersage, überliefert ist auch der Satz: „Paul ist allerdings nur eines von Tausenden von Tieren, die zu mehr oder minder scherzhaften Voraussagen verwendet werden.“
Paul wurde als Tentakel-Orakel weltberühmt
Tausende, damals schon. Paul wurde nie wieder gefragt, er hat das Jahr seines Erfolges nicht überlebt. Stattdessen tippen Ponys, Schweine, Hunde, ein Querschnitt durch das Tierreich, allein in Deutschland – obwohl die halbe Welt mit dem Kraken das Orakeln entdeckt hat. In Warendorf macht es ein Schaf namens Cordula, in Unna ein Esel namens Annabelle und in Breckerfeld eine Ziegenherde – über deren Vorhersagen aber gemeckert wird: Laut Geißen wäre Deutschland schon im Achtelfinale aus dem Turnier geflogen.
Frankfurt engagierte das Pinselohrschwein Abby, Berlin das Hängebauchschwein Borstel, Hamm das Stachelschwein Schweini und Chemnitz das Minischwein Ehrmann (diesmal für Deutschland!). Leipzig erhob Seelöwen zu Fußballexperten, ein Tierpark in Sachsen-Anhalt einen Braunbären, Aschersleben eine Schildkröte – die allein qua Lebensjahren mehr Erfahrung mitbringen dürfte als die Kondorküken aus dem Kreis Kusel.
Weniger der Fußball als das Futter interessiert die tierischen Hellseher
Weiterhin im Team: die Ferkel Zilli, Billi und Willi (Erfurt), das Gürteltier Fuleco (Chemnitz), das den Job kürzlich von den Erdmännchen übernahm. Die Ponys Alma oder Fiona, die Kuh Tehda, Waschbärin Fee und Hunde von Fritzi über Mex bis Lucy, die als Dackel durchs Leben läuft. In Köln ist Geißbock Hennes, inzwischen der IX., im Dienst, sonst arbeitet er dort als Maskottchen. Und im thüringischen Starkenberg Elefant Bubi, der bisher jedes Mal richtig lag. Zum Viertelfinale ließ der Dickhäuter sich Zeit, schon wollten die Torpfosten aus Heu nicht mehr halten, aber dann bugsierte Bubi doch den Ball ins spanische Tor. Puh.
Artgenossin Sita wurde allerdings ebenso ausgewechselt wie Seehündin Hilla, beide hatten sich nicht bewährt. Die Ponys Alma oder Fiona dürfen noch auf den Platz, auch Linus, der Elchbulle ist weiterhin dabei – dabei spielen Schweden und Finnen bei dieser Europameisterschaft gar nicht mit. Denn es ist ja alles nur ein Spiel, auch für die tierischen Orakel. Die meisten dürften sich für die Fahnen an ihren Trögen und Gehegen weniger interessieren als für das Futter darin. Schwein Borstel bekommt einen Salat aus Zucchini, Pastinake, Apfelstücken, Möhren und einem Ei. Die Küken fressen Fleisch.
Was genau die Bakterien von Markus Egert fressen, weiß nur der Professor. Der Mikrobiologe aus Furtwangen im Schwarzwald setzt auf die seherischen Fähigkeiten von Darmbakterien. Was die Einzeller von Fußball verstehen, ist kaum zu klären, Egert jedenfalls versteht viel von Keimbelastung im Haushalt: Er beobachtet während des Turniers das Wachstum von Kolibakterien auf Nährlösung in einer Petrischale. Statt des gläsernen Bodens hat die ein kleines Fußballfeld. Nach einigen Tagen Brutzeit guckt der Professor, in welcher Hälfte sich mehr Bakterien tummeln. Den deutschen Gruppensieg haben die Tierchen so vorhergesagt, diesmal wuselt es mit leichter Mehrheit vor dem spanischen Törchen. Heißt: Deutschland zieht knapp ins Halbfinale ein!
Tauben fliegen von Essen nach Mülheim – in den richtigen Schlag?
Auch bei Walter spielt der Appetit mit. Unter den Schals und Trikots, die Tierpfleger des Dortmunder Zoos dem Orang-Utan hinhängen, steckt immer ein Beutel oder Karton mit „Süßigkeiten“: Trauben, Banane, ein paar besondere Körner. Weil auch Affen auf ihre Gesundheit achten müssen, bekommt der Herr aus Sumatra solche Leckerchen sonst selten. Allerdings gehört auch zur Wahrheit: Unabhängig von den Farben, unter denen das Futter versteckt ist, eilt der tierische Hellseher aus Sicht der Kamera stets zuerst nach links. Und da hing am Donnerstag erstmals die gegnerische Mannschaft.
Nur in Essen geht es nicht ums Fressen. Hier ist Ruhrgebiet, also entscheiden Brieftauben, wer gewinnt. Das „Rennpferd des kleinen Mannes“ eilt vom Public Viewing kurz vor Anpfiff zurück zu Taubenvater Alois „Alla“ Tack in Mülheim-Mintard. Zuletzt flogen mit dem „Flotten August“ und der „Rasanten Hedwig“ zwei Champions um den Sieg. Bei ihnen entscheidet der Schlag, in den sie ein paar Meter ruhrabwärts fliegen: in den schwarz-rot-gold beflaggten oder den mit der Fahne der Iberer?
Künstliche Intelligenz rechnet das Ergebnis aus
Ein Orakel gibt es noch, das wird weder mit Leckereien gedopt, noch ist es ein Tier: Zur aktuellen EM hat Deutschland die Künstliche Intelligenz entdeckt. Die wird zwar auch gefüttert, mit Wissenschaft und Fußballweisheiten und den Ergebnissen der letzten Jahre. Vielleicht auch mit Daten über einzelne Spieler. Die KI allerdings sieht nicht hell, die rechnet. Und bisher konnten sich die Systeme nie auf dasselbe Ergebnis einigen. Eins sieht Italien im Finale, eins für jedes Viertelfinale eine Verlängerung. Ansonsten bloß soviel von der Intelligenz aus der Kiste: Es wird knapp.
Walter aus Dortmund indes spielte am Donnerstag das ganze Spiel durch und alle Folgen: Nach dem Verzehr der spanischen Tapas nahm der Affe den deutschen Schal mit nach Hause.