Berlin. Enthaarungscreme, Waxing – Franziska Koohestani nutzte von Kind an alles, um ihre Behaarung loszuwerden. Der Grund macht betroffen.
- Franziska Koohestani litt schon als Kind unter ihrer Körperbehaarung
- Sie setzte sich mit Enthaarungs-Prozeduren starken Schmerzen aus
- Ihr Kampf dem geltenden Schönheitsideal zu entprechen, hat ihre ganze Kraft geraubt
Warum tue ich mir das eigentlich alles an? Diese Frage hat sich schon so manche Frau gestellt. Rasieren, Waxing und Enthaarungscreme – man fragt es sich und epiliert still weiter. Nicht so Franziska Koohestani (28). Sie macht die Prozedur öffentlich. Wenn sie auf ihr Leben zurückblickt, das sich von Kindheit an darum drehte, wie man die Haut von Haaren befreit, bleibt vor allem eine Erkenntnis haften: „wie groß die Bereitschaft war, meinem Körper Schmerzen zuzufügen“.
In ihrem Buch „Hairy Queen“ (Ullstein, 12,99 Euro) schreibt Koohestani, die 1996 in Köln geboren wurde, worum es ihr dabei ging: Immer wollte sie so aussehen wie andere. Was schwierig war, denn sie war, wie sie im Gespräch mit unserer Redaktion berichtet, immer schon stark behaart. Vor allem seien diese Haare wegen ihrer iranischen Wurzeln sehr dunkel gewesen. „Ich habe mich in meinem Leben für kaum etwas so geschämt wie für meine Körperbehaarung.“
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Stark behaarte Frau: Szene auf dem Schulhof vergisst sie nie
Immer war es da, das Gefühl, nicht hineinzupassen in die Schar der anderen Mädchen. Dabei wurde sie nie wirklich gehänselt, wie sie sagt. Aber eben schon angesprochen. Eine Szene auf dem Schulhof war in gewisser Weise ein Schlüsselerlebnis. Sie erinnert sich noch genau. Sie war etwa zwölf Jahre alt. Ein Junge habe sie mit Blick auf ihre Arme schlicht und einfach gefragt: „Warum hast du so viele Haare?“
Es war nur eine Frage. Aber gefühlt wie ein Schlag ins Gesicht. Die Scham war ja schon lange da, erzählt sie, aber jetzt kam der Schock dazu. Der Schock, dass es jemand gemerkt hat. „Mein Oberlippenbart war längst gebleicht, meine Augenbrauen gezupft, aber an meine Armbehaarung habe ich damals noch nicht gedacht.“
Sie ging dann zu ihrer Mutter und bat die Familie um Hilfe. „Ich habe sie wirklich angefleht, irgendwas zu unternehmen.“ Sie wollte einfach so aussehen wie die anderen. Sie passte nicht ins Schema. Das wollte sie ändern, mit allen Mitteln, die dem Markt zur Verfügung stehen.
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„Fest entschlossen saß ich als ungefähr Zehnjährige auf meinem Bett und strich einen Streifen nach dem anderen auf meinen nackten Unterschenkeln glatt. Dann zählte ich runter. Drei, zwei, eins, ratsch. Jetzt nicht weinen. Dann der vorsichtige Blick auf den abgerissenen Streifen. Und die Enttäuschung darüber, dass das Wachs längst nicht alle Haare erwischt hatte.“
Nach dem Kaltwachs-Drama musste der Rasierer ran
Dies ist eine Szene aus ihrem Buch über die Enthaarung per Kaltwachsstreifen, die schon subtil auf ein anderes, ein übergeordnetes Drama verweist: das mangelnde Aufbegehren gegen diese Art des Körperschindens. Denn das Kaltwachs-Drama mit zum Teil „miesen Schmerzen“ war noch längst nicht das Ende aller Prozeduren. Es blieben immer noch zu viele Haare übrig. Jetzt musste der Rasierer ran. Die Passagen erzeugen das Gefühl, als gäbe es kein Entrinnen aus einer Praxis, die mit scharfer Klinge an der Erfüllung eines Schönheitsideals arbeitet.
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Dann kam die Pubertät. Und die toppte alles. Die Probleme erschienen sozusagen übergroß. „Mein ganzer Körper kam mir wie eine haarige Baustelle vor“, schreibt Koohestani. Zeit für den Radikalschlag: „Ich entfernte nicht nur die Haare an meinen Beinen, sondern auch die an Armen, Rücken und Bauch. Dauernd kamen neue, angrenzende Bereiche dazu, denen ich einen Kahlschlag verpasste“, erzählt sie.
Die Welt um sie herum war weiß und glatt. Die Frauen im Film, die Mädchen um sie herum. Sie malte sich aus, wie es wäre, so zu sein wie sie. Dieses „Bewohnen eines anderen, eines schöneren, weißeren, blonderen, ebenmäßigeren, muskulöseren, schlankeren, kleinnasigeren, erst im Sonnenlicht behaarten Körpers“, das wäre ihr Traum. Überall sah sie genau diese anderen Körper. „Auf dem Schulhof, auf der Straße, im Fernsehen, im Kino, auf Werbeplakaten, in Zeitschriften. Als Kind wünschte und hoffte ich, eines Tages in einen solchen Körper hineinzuwachsen.“
Ihr Buch liest sich bisweilen wie eine Anleitung zur ewigen Glattheit. Eine Abhandlung zwischen Horror und Enttäuschung. Ein Angriff auf das, was man Gesundheit nennt. Auch über die viel gepriesene Haarentfernung per Laser, den sie als „Endgegner“ beschreibt. „Als ich circa 17 Jahre alt war, haben mir meine Eltern Lasersitzungen bei einer Hautärztin bezahlt. Am Ende hatte ich eine schlimme Verbrennung an den Beinen und sogar noch Jahre später eine dunkel verfärbte Narbe.“ Allerdings habe sie sich vor zwei Jahren ihren Oberlippenbart weglasern lassen. Ohne Verbrennungen oder Narben.
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Im Widerspruch zwischen Schönheitsideal und Sich-stark-Machen
Doch das Buch ist mehr als das Verteilen schlechter Noten an Enthaarungscremes. Es geht auch um das Sich-stark-Machen für einen Widerspruch: Denn Franziska Koohestani sagt ja trotz ihrer Kapitel, in denen sie für die Akzeptanz von Körperhaaren eintritt, der Behaarung den Kampf an. Immer noch. Sie lässt sich nicht nur den Oberlippenbart entfernen, sie entfernt, was zu entfernen ist. „Nur heute nicht mehr so strikt.“
„Ja“, sagt sie, „ich rasiere mich immer noch regelmäßig und bin sogar im Besitz eines IPL-Lasergeräts, das meinen Haarwuchs vermindert.“ Ihr Kampf als „Hairy Queen“ bedeute nicht, die Haare sprießen zu lassen. Für sie ist das kein Widerspruch. „Der wahre Widerspruch ist doch die Anforderung, die herrschende Körpernormen an uns stellen.“ Frauen sollen schön sein, aber wenn sie ihr Aussehen zu offensichtlich verschönern, dann sei das gleich peinlich. Sie rasiert jetzt mit „kritischem Bewusstsein“, sagt sie. Und fügt hinzu: „Nur die Nasenhaare, die bleiben.“