Leipzig. Dielen abschleifen, Fliesen legen, Wände durchbrechen - die Bewohner von sogenannten Ausbauhäusern machen alles selbst. So wie sie es wollen. Die Eigentümer wissen ihr Haus vor dem Verfall bewahrt. In Leipzig vermittelt ein Verein kreative Zwischennutzer an Hauseigentümer.

Wenn Antonio Román Casas seinen Kachelofen anfeuert, fühlt er sich frei. Auch wenn er die Küche blau streicht, weil er Lust darauf hat oder wenn er auf dem Sperrmüll nach Möbeln für sein Zimmer sucht. Seit gut einem Jahr lebt der Spanier mit seinem Hund "Coko" in einem Ausbauhaus im Leipziger Bülowviertel. Anfangs hat er ganz allein begonnen, das leerstehende Haus aus der Gründerzeit zu sanieren. Inzwischen wohnen zwölf Leute in der Gretschelstraße 2. Mit dem Modellprojekt Ausbauhaus sollen alte Häuser vor dem Verfall bewahrt werden. Die Mieter sanieren das Haus selbst und erhalten es. Als Gegenleistung bezahlen sie an den Eigentümer nur wenig Miete.

Organisiert werden die Projekte vom Leipziger Verein "HausHalten". Vor zehn Jahren hat der Verein begonnen, Kooperationen zwischen Eigentümern und Zwischennutzern von unsanierten Häusern zu vermitteln. Kreative, Künstler und Gewerbetreibende wurden zu Wächtern von leerstehenden Häusern. "Der Fokus bei den Wächterhäusern liegt auf der Instandhaltung der Häuser durch Zwischennutzer", erklärt Sprecher Hannes Lindemann.

Inzwischen sei der Verein aber auch an langfristiger Nutzung unsanierter Häuser interessiert. Die Bewohner von Ausbauhäusern haben unbefristete Mietverträge. "Für die Eigentümer ist dieses Projekt zum Teil attraktiver, weil sie mit dauerhaften Mieteinnahmen rechnen können", sagt Lindemann. Sieben Ausbauhäuser gibt es inzwischen in Leipzig.

Steigende Einwohnerzahl lässt Wohnungsmarkt anziehen

Ausbauwohnungen gab es schon zu DDR-Zeiten. Damals allerdings zwang der Wohnungsmangel die Mieter dazu, eine verfallene Wohnung komplett selbst zu sanieren. Einen Ofen musste man sich meistens selbst besorgen und Leitungen eigenhändig verlegen. Für eine eigene Wohnung nahmen die Mieter das in Kauf. Heute suchen die Interessenten für Ausbauhäuser vor allem Raum, um sich selbst zu verwirklichen. In die Sanierung des Bülower Hauses hat Antonio Román Casas viel Arbeit gesteckt. "Ich hätte nicht gedacht, dass ich Fliesen legen kann", sagt der 29-Jährige schmunzelnd. Als Nächstes möchte er ein altes Sofa, das er auf der Straße gefunden hat, herrichten. "Man darf nicht lange überlegen, sondern muss einfach anfangen".

In den vergangenen Jahren hat die Zahl unsanierter Häuser in Leipzig kontinuierlich abgenommen, wie der Leiter des Leipziger Amtes für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung, Karsten Gerkens, erklärt. Bis vor zehn Jahren sei Leipzig geschrumpft. Seit die Einwohnerzahl wieder steige, habe auch der Wohnungsmarkt angezogen. "Wächterhäuser werden dadurch weniger. Dafür entstehen neue Projekte wie die Ausbauhäuser", sagt Gerkens. 2011 standen in Leipzig nach Angaben der Stadt rund 30.000 Wohnungen leer. Zehn Jahre zuvor sei die Zahl mehr als doppelt so hoch gewesen.

Wächterhäuser auch in anderen Städten

Aber auch wenn Leipzig wächst, gebe es noch immer Lagen, in denen sich eine Vollsanierung für die Eigentümer von Altbauhäusern finanziell nicht lohne, sagt Hannes Lindemann. Der Verein "HausHalten" und die Stadt wollen Gebäudeeigentümer, Nutzer und Finanziers zusammenbringen, um die Quartiere aufzuwerten. Die Nachfrage nach günstigem Raum zur eigenen kreativen Gestaltung sei nach wie vor hoch, sagt Lindemann. "Vor allem Start-ups suchen oft nach günstigen Räumen, um ein Projekt aufzuziehen."

Bisher gibt es Ausbauhäuser nur in Leipzig. Die Idee der Wächterhäuser hingegen haben inzwischen auch Chemnitz, Görlitz, Erfurt, Dresden, Zittau und Halle übernommen.

Sollte es irgendwann gar keinen Bedarf mehr zur Rettung von leerstehenden Häusern in Leipzig geben, will sich "HausHalten" auflösen. Bis dahin gebe es aber noch viel zu tun, sagt Lindemann. Antonio Román Casas plant derweil, Projekte wie die Ausbau- und Wächterhäuser auch in seiner spanischen Heimat anzukurbeln. (dpa)