Berlin. . Selbst Mieter und Wohnungsinhaber können heute Solarstrom erzeugen. Kleine und mobile Module für Balkon oder Terrasse lassen sich einfach an die Steckdose hängen. Doch Verbände und Experten sind skeptisch: Sie sehen Sicherheitsrisiken.

Solarscheiben auf dem Dach machen Hausbesitzer unabhängiger von Öl und Gas. Doch auch Mieter können Strom aus der Sonne gewinnen: Es gibt Photovoltaik-Module (PV), die an eine ganz normale Steckdose am Balkon gehängt werden und so ihre erzeugte Energie dem Haushalt zur Verfügung stellen. Wer umzieht, kann sie einfach mitnehmen.

Eine sogenannte Mini-PV-Anlage besteht aus mindestens einem PV-Modul. Firmen bieten rund 80 Zentimeter breite und etwa 160 Zentimeter hohe Module an. Sie wiegen knapp 20 Kilogramm und haben eine Spitzennennleistung von 195 Watt.

Diese Anlagen hängen am Balkon oder Car-Port, oder sie stehen mit einem Gestell im Garten. Der Standort erfüllt am besten dieselben Bedingungen wie bei einer großen Anlage: Je mehr Sonne diese erreicht, umso besser. "Balkonlösungen sind deshalb interessant, weil ein Balkon in der Regel nach Süden gerichtet ist", erläutert Hans-Peter Schmitt, Energieberater vom Bundesverband der Verbraucherzentralen in Berlin. Je weiter oben im Gebäude der Balkon ist, umso weniger Schatten kann auf ihn fallen. Doch es müsse sichergestellt sein, dass die Anlage sicher steht und die Statik hält. "Windlasten darf man nicht unterschätzen."

Jahresrechnung reduziert sich

Zur Grundausstattung eines solchen Balkonkraftwerks gehört ein Wechselrichter. Er wandelt den erzeugten Gleichstrom aus den Kollektoren in Wechselstrom um. Der Strom fließt über ein Kabel und die Steckdose in den Endstromkreis - fertig zum Verbrauch. Dafür wird dann weniger Strom aus dem öffentlichen Netz bezogen, die Jahresrechnung reduziert sich also.

"Die Idee, Solarstrom für jedermann mit geringem Installationsaufwand nutzbar zu machen, ist sehr sinnvoll", urteilt Ralf Haselhuhn, PV-Experte der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie in Berlin. "Nur: Wenn der Verbraucher eine der heute erhältlichen Mini-PV-Anlagen kauft und einfach in die Steckdose steckt, kann das den Regeln und Normen der Technik und der Sicherheit widersprechen." Denn ohne zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen kann eine Mini-PV-Anlage zahlreiche Risiken bergen.

Überlastung des Stromkreises

So kann es sein, dass die Sicherungen der Elektroinstallationen im Haus nicht mehr im vollen Umfang greifen, wenn auch noch ein Stromerzeuger am Netz hängt, warnt Walter Börmann vom Verband Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) in Frankfurt am Main. Üblicherweise reagiert die Sicherung, wenn die Stromstärke aus dem öffentlichen Netz 16 Ampere überschreitet. Der über die kleine PV-Anlage zusätzlich in den Kreislauf eingespeiste Strom wird jedoch nicht erfasst. "Aus diesem Grund kann es bereits kurz nach dem Einstecken des PV-Moduls zu einer Überlastung des Stromkreises und unter Umständen zu Bränden kommen", erläutert Börmann.

PV-Experte Haselhuhn skizziert eine Möglichkeit, das Risiko der Überlastung des Stromkreises zu umgehen: Die Last auf der Sicherung wird geteilt. Der Endstromkreis wird mit 10 Amper abgesichert. Der Wechselrichter, der den erzeugten Strom in gebrauchsfertigen Wechselstrom umwandelt, bekommt über eine Unterverteilung eine Sicherung von 6 Amper. Somit kann der Stromfluss insgesamt 16 Amper nicht überschreiten.

Ein weiteres Sicherheitsproblem sind Fehlerströme. Schmort beispielsweise ein Toaster durch, fließt der Strom irgendwohin weg. Wer dann ein elektrisch leitendes Gehäuse anfasst, den trifft ein möglicherweise lebensgefährlicher Stromschlag. Damit das nicht passiert, ist seit 2007 der Einbau von FI-Schutzschaltern in allen Stromkreisen mit Steckdosen vorgeschrieben.

Vertreter der Wirtschaft und Fachleute streiten sich 

"Der FI-Schutzschalter ist auf eine Wechselstromquelle ausgelegt", erläutert Bernd Dechert vom Zentralverband Elektrohandwerk in Frankfurt am Main. Erkennt er einen Fehlerstrom, unterbricht er den Stromkreis. "Speist nun eine PV-Anlage als zweite Wechselstromquelle direkt in den Endstromkreis ein, dann kommt es zur Überlagerung. Dadurch ist die Funktionsfähigkeit des FI-Schutzschalters nicht mehr gewährleistet."

Sogar wenn sie nicht in Betrieb ist, können von der Anlage Gefahren ausgehen. "Einzelfalltests haben ergeben, dass durchaus nach dem Herausziehen des Steckers aus der Steckdose für einige Sekunden eine Spannung von bis zu 200 Volt direkt am Stecker anstehen kann", berichtet Dechert. "Wenn ich in dieser Zeit einen der freiliegenden Metallkontakte des Steckers berühre, kann mich ein tödlicher Stromschlag treffen." Und alle Teile des Stromkreises alterten durch dauerhaft hohe Belastung schneller. Das kann zu Schwelbränden führen.

Kontroverse Debatten

"Das alles sorgt für eine große Unsicherheit bei allen Beteiligten und für teilweise sehr kontroverse Debatten", berichtet der Verbandsvertreter Haselhuhn. Vertreter der Wirtschaft und Fachleute streiten sich, und der Verbraucher weiß nicht, woran er ist. Der VDE empfiehlt Käufern von PV-Anlagen daher dringend, bei der Installation von PV-Anlagen stets auf fachkundige Hilfe zu setzen, die eine normengerechte Installation sicherstellen können.

Nur: Einen fachkundigen und willigen Handwerker für solche speziellen Anlagen zu finden, dürfte schwierig sein. "Unter bestimmten Umständen kann es bei beziehungsweise nach der Installation einer Mini-PV-Anlage zu Gefahren kommen, die auch ein Fachmann nicht hundertprozentig ausschließen kann", sagt ZVEH-Experte Dechert. Der Verband rät seinen Betrieben, auf den Auftrag zu verzichten. (dpa/tmn)