Essen. . Guido Knopp, der mit Zeitzeugen-Interviews eine populäre Form der Geschichtsaufarbeitung im Fernsehen schuf, geht nun in Rente. Ein Rückblick auf die vielen Jahre vor der Kamera. Der Historiker spricht über seine Geschichte und Pläne für die Zukunft. Und darüber, dass er Morddrohungen wegen seiner Hitler-Dokumentationen bekommen habe.

Der Geschichtslehrer der Nation geht in Rente: Guido Knopp, bekannt durch die mediale Aufarbeitung der Nazizeit, verabschiedet sich am Sonntag mit seiner letzten Sendung. Wir sprachen mit dem Journalisten und Moderator über seinen Ansatz der Geschichtsvermittlung, über Kritiker und seine Pläne für den Ruhestand.

Ulrich Tukur soll gesagt haben, das Dritte Reich wäre einer seiner größten Arbeitgeber gewesen. Geht es Ihnen ähnlich?

Guido Knopp: Es gab eine Zeitspanne in der das tatsächlich so war. Wir haben uns in den Jahren 1995 bis 2005 ganz bewusst mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Und 1989, als alle Welt sich mit dem 100. Geburtstag dieses Herrn aus Braunau beschäftigte, haben wir extra nichts dazu gemacht, was ich im „Heute Journal“ damit begründet habe, dass ein Film zum 100. Geburtstag eines Mörders eine Beleidigung der Opfer wäre. Wenn man sich mit ihm und der Nazizeit beschäftigt, braucht man keine Jahreszahlen.

Wie genau sah diese Aufarbeitung aus?

Knopp: Wie bei einer Pyramide haben wir zuerst über die Figur an der Spitze in „Hitler – Eine Bilanz“ berichtet, dann eine Stufe tiefer über seine Helfer, Helfershelfer und Generäle, noch eine Stufe tiefer über die Phänomene und Institutionen der Nazizeit, natürlich über den Holocaust, und schließlich über die SS und die Wehrmacht. Mit diesen Reihen haben wir unsere grundsätzliche Beschäftigung mit der Nazizeit schließlich abgeschlossen.

Eine ziemlich umfassende Aufarbeitung.

Knopp: Jemand hat mal ausgerechnet, dass alle während der Primetime ausgestrahlten Sendungen über die NS-Zeit, für die ich verantwortlich zeichnete, gerade mal einen Anteil von fünf Prozent ausgemacht haben. Was die Einschaltquoten und das Interesse im Ausland betraf, waren diese Sendungen besonders erfolgreich. Darum sind sie in anderen Ländern auch so oft ausgestrahlt worden.

Das Thema beschäftigt die Deutschen weiterhin?

Knopp: Es ist nach wie vor ein Thema, das unter die Haut geht, und mit dem wir nicht fertig geworden sind. Wie sollten wir auch? Es ist eine ständige Mahnung und unser Fazit heißt „nie wieder“.

Bekommt man gelegentlich auch Beifall von der falschen Seite, wenn man sich mit diesen Themen beschäftigt?

Knopp: Nein, eher nicht. Wir waren in diesen Zirkeln stets verpönt, auch zu der Zeit als wir uns intensiv mit dem Thema beschäftigt haben. Es gab hin und wieder sogar Morddrohungen.

Sind Sie in der ganzen Zeit noch nie auf etwas hereingefallen?

Knopp: Auf nichts, worüber wir uns anschließend hätten ärgern, oder weswegen wir uns hätten Vorwürfe machen müssen. Es ist zwar erstaunlich, aber auch ein gutes Gefühl, dass nie jemand sagen musste, das etwas schlicht und ergreifend falsch war.

Wie gehen Sie mit Kritikern um, die Ihnen zu große Populärwissenschaftlichkeit vorwerfen? Spielt da Neid eine Rolle?

Knopp: Das mag auch mitschwingen, es heißt nicht umsonst „Mitleid kriegt man geschenkt, Neid muss man sich verdienen“. In Deutschland gibt es eine schwindende Minderheit im Bereich der Wissenschaft, die eine generelle Aversion gegen das Fernsehen im Allgemeinen und gegen eine Geschichtsdarstellung im Fernsehen überhaupt hat, dahinter steckt auch ein bisschen die Furcht vor dem Verlust von Deutungsmacht.

Wir arbeiten aber trotzdem gerne mit der Wissenschaft zusammen und es gibt auch viele Historiker, die gerne mit uns zusammenarbeiten. Wir haben keinen Nachholbedarf an Anerkennung, die haben wir, was Preise und internationale Resonanz betrifft, doch in hohem Maße erfahren dürfen. Es gehört eben dazu, dass man gelegentlich auch mal Kritik ertragen können muss, wenn man seinen Kopf ins Fernsehen hält.

Gibt es Dinge, die Sie heute anders machen würden?

Knopp: Im Nachhinein habe ich Glück gehabt, dass es die richtige Entscheidung war, beim ZDF zu bleiben. Man hatte ja gelegentlich schon mal Angebote von links und rechts, sei es von der ARD, oder auch mal von einem Verlag. Ich habe auch lange überlegt und mich dann doch entschieden, dem ZDF treu zu bleiben, darüber bin ich sehr froh. Simon Wiesenthal hat mal zu mir gesagt „Du bist ja eigentlich ein glücklicher Mann, denn Du hast Dein Hobby zum Beruf gemacht“.

Woher kommt eigentlich Ihr großes Interesse an Geschichte? War das bei Ihnen auch als Kind schon vorhanden?

Knopp: Als Kind hatte ich auch schon Interesse an Geschichte, aber eigentlich ist es erst so richtig in der Schulzeit entstanden. Im Gegensatz zu vielen meiner Altersgenossen, die eher der Meinung waren, dass der Geschichtsunterricht langweilig gewesen wäre und lediglich ein Auswendiglernen von Zahlen, Daten und Fakten.

Bei mir war das dankenswerter Weise völlig anders, ich hatte Mitte der 60er-Jahre einen jungen Geschichtslehrer, der damals schon etwas gemacht hat, was andere auch hätten machen können, aber nicht gemacht haben, nämlich seinen Unterricht mit Filmen gewürzt, die er von den Landesfilmbildstellen ausgeliehen hatte. Außerdem brachte er Tonbänder und vor allem Schallplatten mit.

Diese Medien haben den Unterricht viel authentischer und spannender gemacht, als es ein regulärer Frontalunterricht jemals gekonnt hätte. Das hat mein bereits vorhandenes Interesse deutlich beflügelt, so dass ich tatsächlich beschloss, auch Geschichte zu studieren.

Was hätten Sie gemacht, wenn Sie diesen Beruf nicht ergriffen hätten? Gab es noch etwas anderes, das Sie gereizt hätte?

Knopp: Ich wollte eigentlich schon immer in die Medien und in den Journalismus. Mein Hauptziel war die Außenpolitik, Geschichte war eher mein zweites Feld. Aber man kann den Beruf ja nicht mit dem Vorsatz ergreifen, Geschichte im Fernsehen machen zu wollen, obwohl ich immer zum Fernsehen wollte. Die Jobs in diesem Bereich sind so dünn gesät, dass es für einen jungen Menschen sträflich gewesen wäre, sich nur darauf zu konzentrieren.

Ich hatte mir eigentlich vorgestellt, dass ich irgendwann mal einen Korrespondenten- Job übernehmen würde, am liebsten in Rom, das war mein Traum. Aber ich habe zuerst mal drei Jahre bei Printmedien verbracht und war unter anderem bei der FAZ und bei der Welt am Sonntag, wo ich Chef der Außenpolitik war.

Gibt es auch Dinge, die Sie ärgern?

Knopp: Es ärgert mich, wenn ein Zeitzeuge erkennbar lügt oder die Wirklichkeit in seinem Sinne erzählt.

Wissen Sie schon, was Sie in Zukunft machen werden?

Knopp: Ich werde während des sogenannten Ruhestands nicht als Rentner durch die Gärten und Parks laufen, sondern schon noch was tun. Ich werde dem Fernsehen, der Geschichte und den Medien, in welcher Form auch immer, erhalten bleiben, aber darüber reden wir ab April.

Zur Person: Der History-Mann geht

Guido Knopp ist am 29. Januar 2013 65 Jahre alt geworden. Geboren wurde er im hessischen Treysa, nach dem Studium (Geschichte, Politik, Publizistik) arbeitete er zunächst bei Zeitungen, bevor er 1978 zum ZDF kam.

Das ZDF verabschiedet sich am Sonntag, 3. Februar 2013, mit der "History"-Sondersendung "Goodbye Guido" von seinem Redaktionsleiter des Ressorts Zeitgeschichte.