Berlin. . Vom Publikum verehrt, von Fachleuten beneidet: ZDF-Chefhistoriker Guido Knopp geht mit 64 Jahren in den Ruhestand. Er geht mit einem Paukenschlag. Sein Abschiedswerk „Weltenbrand“ erzählt vom Ersten Weltkrieg – ein Fest für seine Fans und ein Ärgernis für seine Kritiker.

Guido Knopp hört auf. Nach drei Jahrzehnten nimmt der oberste Geschichtslehrer des ZDF seinen Hut. Zum Abschied hat der 64-Jährige noch einmal einen echten „Knopp“ hingelegt: Die Serie „Weltenbrand“ über die Zeit zwischen 1914 und 1945 ist sein Abschiedsgeschenk – ein Fest für seine Fans und ein Ärgernis für seine Kritiker. Also alles wie gehabt?

Knopp wäre nicht Knopp, wenn er seine letzte Arbeit als ZDF-Redakteur nicht großartig fände: „Ein würdiger Abschluss“ sei die neue Kriegsserie, das „bestmögliche“ Geschichtsfernsehen. Auf Augenhöhe mit der BBC. Sein Sender hat extra den Hörsaal des Deutschen Historischen Museums in Berlin gemietet, um die Filmreihe vorzustellen. Und natürlich regen sich die Journalisten wieder auf, finden die Serie gefährlich banal, gefühlig und zu populär gemacht.

Später im Café des Museums sitzt ein gut gelaunter Knopp und will noch mal ein paar Dinge richtig stellen. Er sieht jünger aus als Mitte Sechzig, trägt noch diesen leichten Vokuhila mit der nach hinten gestrichenen Seitenpartie. Knopps Stimme klingt warm und gewinnend.

Seine Filme erreichen ein Millionenpublikum

Aber der Mann spaltet trotzdem. Seine Filme erreichen ein Millionenpublikum, seine Serien sind stilbildend. Seine Kritiker dagegen werfen ihm vor, er organisiere Pauschalreisen in die Vergangenheit – komfortabel und ohne beunruhigende Nebenwirkungen. Knopp sieht das naturgemäß anders: „Geschichte muss so gezeigt werden, dass sie Millionen von Menschen sehen wollen, die normalerweise kein Interesse für Geschichtsfernsehen haben. Der Arbeiter an der Werkbank, aber auch junge Leute.“

Histotainment? „Nein“, sagt Knopp, „das ist keine Unterhaltung. Wenn andere das Unterhaltung nennen wollen, mögen sie das tun.“ Sein Credo: keine Angst vor Emotionen! In der ersten Folge des Mehrteilers „Weltenbrand“ wird deswegen auch ausführlich erzählt, wie deutsche und englische Soldaten Weihnachten 1914 aus ihren Schützengräben klettern und zusammen Schnaps trinken. Ein kleiner Frieden im großen Krieg.

Krieg herrscht fast immer

Und Krieg herrscht bei Knopp fast immer. Erster Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg, Kalter Krieg. „Es ist ja ein gängiges Vorurteil, dass ich mich nur mit der Nazizeit beschäftige. Tatsächlich hat neulich jemand ausgerechnet, dass von den über 2000 Sendungen, die ich seit 1980 gemacht habe, gerade mal Hundert mit Hitler und dem Dritten Reich zu tun haben.“ Kaum zu glauben. „Es liegt vor allem daran, dass wir in Deutschland Filme und Sendungen über die Nazi-Zeit mit Argusaugen anschauen.“

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Im Jahr des Mauerfalls, zum 100. Geburtstag von Adolf Hitler, fällt auch beim ZDF eine historische Entscheidung: Während andere große Sender Hitlerporträts bestellen, argumentiert Knopp: „Der 100. Geburtstag eines Massenmörders ist kein Anlass, um ihn in einer eigenen Biographie zu behandeln. Das wäre eine Beleidigung der Opfer. Wenn, dann sollte man das systematisch machen.“ Es ist der Urknall für die Hitler-Reihen. Mitte der 90er geht es los – und dauert ein ganzes Jahrzehnt. Hitlers Helfer, Hitlers Generäle, Hitlers Manager, Hitlers Frauen, Hitlers Kinder. Die Marke „Hitler“ wird Knopps Verkaufsschlager. Fehlt noch was? „Nein“, sagt Knopp, „das Wesentliche ist gesagt.“

Knopp will weitermachen

Und was ist mit der massiven Kritik aus der Wissenschaft? „Ich habe das immer mit dem großen Erfolg in Verbindung gebracht.“ Also Neid? „Das spielt gewiss eine Rolle. Neid muss man sich verdienen, Mitleid kriegt man geschenkt.“ Knopp zuckt die Achseln. „Wenn man Zeitgeschichte, die in Deutschland ja immer Streitgeschichte ist, auf populäre Weise vermittelt, ist man dann und wann im Getümmel. Aber daran kann man sich gewöhnen.“ Das klingt wie der späte Helmut Kohl: „Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter.“

Ende Januar räumt Knopp sein ZDF-Büro. Er will aber weiterhin nach Zeitzeugen suchen, Filme machen und Bücher schreiben. Die deutsche Teilung interessiert ihn. Als nächstes also „Ulbrichts Helfer“, „Ulbrichts Manager“ und „Honeckers Kinder“? Knopp lacht kurz. „Es ist ja nicht gesagt, dass ich das nicht noch tue.“