Eltern möchten ihre Töchter und Söhne nicht enttäuschen und ihnen eine rundum glückliche Kindheit ermöglichen. Doch wann ist es richtig, mal Nein zu sagen? Expertin Barbara Kettl-Römer, Autorin mehrerer Erziehungsratgeber, gibt Antworten.

Unsere Tochter geht in die vierte Klasse. Sie sagt, „alle“ hätten ein Handy. Nun will sie auch. Sollen wir nachgeben?
Barbara Kettl-Römer
: Es kommt darauf an: Wenn Sie beide in Vollzeit berufstätig sind und Ihre Tochter ihren Nachmittag weitgehend selbstständig organisieren muss, kann ein Handy nützlich sein, damit sie jederzeit für Sie erreichbar ist (und Sie für sie erreichbar sind). Falls das nicht der Fall ist, braucht ein Kind in der vierten Klasse aber kein Handy. Ganz besonders keines, das internetfähig ist. Sprechen Sie sich mit Eltern von Klassenkameraden ab, damit klar ist, dass keineswegs „alle“ ein Handy bekommen.

Unser zehnjähriger Sohn sagt, sein Freund hätte den „Hobbit“ im Kino gesehen, der ab 12 freigegeben ist. Nun fragt er: Darf ich auch?

Der „Hobbit“ ist ein toller Film. Für einen Zehnjährigen sind aber einige Szenen zu gewalttätig, deswegen ist er ja erst ab zwölf freigegeben. Ich schlage einen Kompromiss vor: Ihr Sohn liest erst das Buch, und Sie kaufen zwischen seinem elften und zwölften Geburtstag die DVD, die Sie gemeinsam mit ihm ansehen. Grundsätzlich wundere ich mich darüber, dass junge Kinder mit ihren Eltern im Kino Filme anschauen, die erst ab zwölf oder sogar 16 freigegeben sind. Ich höre dann das Argument: „Er (meist sind es Jungs) wollte den halt so gerne sehen, denn alle seine Freunde kennen den Film. Und es hat ihm nicht geschadet, er hatte keine Albträume davon.“ Dagegen setze ich zwei Argumente: Erstens würde dieser Gruppendruck gar nicht entstehen, wenn mehr Eltern die Altersfreigaben respektieren würden. Zweitens halte ich es nicht für ein erstrebenswertes Erziehungsziel, dass schon Zehnjährige abgeschlagene Köpfe durch die Gegend fliegen und blutige Schlachten sehen können, ohne davon besonders beeindruckt zu sein.

Wir haben nicht so viel Zeit für unsere neunjährige Tochter, weil wir beide arbeiten. Dafür fehlt es ihr an nichts. Und wenn sie Probleme hat, kann sie uns immer fragen. Muss ich mir von anderen Eltern deswegen ein schlechtes Gewissen machen lassen?

Ich denke, dass Sie selbst am besten spüren, ob es Ihrer Tochter gut geht oder nicht. Wenn sie gut mit ihrer Situation zurechtkommt, brauchen Sie sich von niemandem etwas anderes einreden zu lassen. Sie sollten aber darauf achten, genügend Freiräume für das Zusammensein mit Ihrer Tochter zu schaffen und fehlende Zeit nicht durch materielle Zuwendung (Geld, Spielsachen, Kleidung …) zu kompensieren. Liebe ist und bleibt unbezahlbar.

Unser elfjähriger Sohn kennt sich besser mit dem Internet aus als wir. Nun will er sich auch bei Facebook anmelden. Wir haben Bauchschmerzen dabei . . .

Ihre Bauchschmerzen sind begründet! Facebook ist eine Plattform, die für Erwachsene entwickelt wurde und bei der man sich erst ab dem 13. Geburtstag anmelden darf. Und das aus gutem Grund, denn wer dort aktiv ist, muss genau wissen, was er tut, was er wem über sich preisgibt und was lieber nicht. Natürlich tummeln sich dort jede Menge Zehn- und Elfjährige, die ein falsches Geburtsdatum angegeben haben. Technisch sind sie in den meisten Fällen wesentlich kompetenter als ihre Eltern. Die möglichen Folgen dessen, was sie dort tun, können sie aber nicht abschätzen. Deswegen lautet mein Rat: Reden Sie mit Ihrem Sohn, erklären Sie ihm, warum Sie nicht möchten, dass er jetzt schon bei Facebook aktiv ist, sondern das erst zu seinem 13. Geburtstag erlauben werden – und fangen Sie in der Zwischenzeit damit an, sich selbst mehr mit dem Internet und Social Media zu beschäftigen. Medienerziehung ist heute mindestens so wichtig wie Verkehrserziehung, und beides sollten Sie nicht allein der Schule überlassen.

  • Mehr von Barbara Kettl-Römer: Was macht mein Kind im Netz? Der Social-Media-Ratgeber für Eltern. Linde, 160 Seiten, 9,90 Euro