Götz Alsmann stellt am Freitag, 21. Oktober, im Konzerthaus Dortmund sein neues Album vor: „In Paris“ – eine deutschsprachige Hommage an den französischen Chanson. Ein Gespräch über Klischees und Tradition.

Was hat Sie nach Paris geführt, Herr Alsmann?

Alsmann: Wir hatten schon immer viele französische Lieder im Programm, da hat unser betreuender Mann von der Schallplattenfirma gemeint, wir müssen das jetzt mal richtig machen, Musik am Originalschauplatz. Viele Rockmusiker pilgern ja auch nach Memphis, um dort aufzunehmen, wo schon Elvis Presley seine erste Platte gemacht hat.

Ist das Ergebnis dann wirklich besser als das in heimischen Studios?

Warum sollte man nicht als Liebhaber klassischer Unterhaltungsmusik nach Paris ins zweitälteste Studio der Stadt fahren, wo noch die Originaltechnik herumsteht, ein uralter Flügel, und dort in den heiligen Hallen etwas aufnehmen? Vielleicht liegt da ja etwas in der Luft, vielleicht arbeiten da auch die Techniker anders, lassen es am Ende anders klingen? Und das alles hat sich am Ende bewahrheitet. Ich kann nicht genau erklären, woran es liegt, vielleicht, dass man mit einem anderen Gefühl hinfährt.

Dort waren alle Größen des Chansons, Charles Aznavour, Henri Salvador . . .

In dem Studio Ferber steht eine Couch, die wurde 1971 von Serge Gainsbourg aufgestellt, diese Couch sieht aus wie ein beklagenswertes Stück Sperrmüll, aber alle müssen mal darauf sitzen. Man darf nicht so genau hingucken, wo man sich da hinsetzt, da sind schlimme Flecken, furchtbare genetische Fingerabdrücke. Aber es ist die Couch, Serges Couch. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich mich mehrfach für ein Nickerchen auf diese Couch gelegt habe.

Paris, die Stadt der Liebe. Ist das nicht nur ein Klischee?

Götz Alsmann. Foto: Jakob Studnar
Götz Alsmann. Foto: Jakob Studnar

Ich habe im Vorfeld dem französischen Mann von der Plattenfirma gesagt, das sind doch alles Klischees! Paris, Frühling, Montmartre, schöne Französinnen und Café au lait, ich finde das herrlich, aber was wird man dazu sagen? Er sagte: „Ja, alles Klischees, aber Paris ist so.“ Und er hatte Recht, vielleicht wollen wir auch alle nur, dass es so ist.

Und dazu passen dann wunderbar die alten Chansons?

Ich habe mit dem Tonmeister gesprochen: Das muss euch doch komisch vorkommen, dass fünf Deutsche nach Paris fahren und eure Lieder singen und dann noch diese alten Gassenhauer, die müssen euch doch aus dem Hals hängen: La Mer. Da guckt er mich an und sagt: „Jeder liebt La Mer.“ Und dabei hatte er einen Gesichtsausdruck, als ob ich nicht mehr alle Tassen im Schrank hätte. Und das ist der Unterschied, bei uns ist der Schlager ein Oldie, den der Opa im Schrank hat. Ich habe den Eindruck, bei den Franzosen ist solch ein alter Schlager ein Teil des Repertoires, ein Volkslied.

Gerade die Sprache macht doch den Charme des französischen Chansons aus. Verlieren die Lieder nicht, wenn sie ins Deutsche übersetzt werden?

Das ist schwer zu sagen . . . Aber es ist auch die Interpretation, man betrachtet den Sänger in Frankreich weniger als Vermittler irgendeiner Melodie, sondern vielmehr als Erzähler einer Geschichte. Und ich habe festgestellt, dass man französische Chansons ganz reibungslos ins Deutsche übersetzen kann. Die Art und Weise, wie in der Sprache mit der Melodie gedacht wird, ähnelt unserer eher als es bei der englischen Sprache der Fall ist.

Und dann haben Sie sich hingesetzt und zum Beispiel „Der Wolf tanzt Cha-Cha- Cha“ geschrieben?

Götz Alsmann. Foto: Jakob Studnar
Götz Alsmann. Foto: Jakob Studnar

Meine Musikerkollegen und ich sind viele Jahre zusammen mit dem Auto gefahren, zu den Konzerten und zurück. Wir haben immer Mixtapes dabei gehabt, und ich kam irgendwann mit einer Kassette mit kratzigen Liedern von Serge Gainsbourg, die ich von Platte aufgenommen hatte. Ich weiß noch, wie meine Freunde elektrisiert reagierten auf „Cha Cha Cha Du Loup“: Das ist der Typ von „Je T’Aime“, das gibt’s doch gar nicht. Hat der so tolle Sachen gemacht? Seit 1989, glaube ich, sagen wir, das müssen wir unbedingt mal aufnehmen. Es war ein jahrzehntelanges Lieblingsstück. Das Stück war fällig.

Wenn man Ihre Musik hört, Ihre Kleidung sieht, bekommt man den Eindruck, Sie würden das Gestern lobpreisen. Ist das richtig?

Es ist auch das Heute. Ich lebe 2011 und ich trage diesen Anzug 2011. Jeder hat die Freiheit, einen Anzug zu tragen. Warum tut’s keiner? Die Menschen gefallen sich heute in der Mehrzahl darin, Hosen zu tragen, die für die Arbeit unter Tage in den USA des 19. Jahrhunderts erdacht worden sind. Es ist auch in Ordnung, aber ich muss es ja nicht tun.

  • „In Paris“ (EMI), Live: 21.10. und 22.10. Konzerthaus Dortmund; 11.11. Parktheater Iserlohn; 12.11. Seidenweberhaus Krefeld; 28.11. Philharmonie Köln