Essen. . Altes Thema, neue Lieder: Max Raabe und Annette Humpe haben ein Liebes-Album geschmiedet. Das Ergebnis ist herzerwärmend und überwiegend heiter.

Max Raabe hat nie behauptet, nur einer treu zu sein. Mal tat ihm Ruth gut, mal hatte Carmen Erbarmen. Seine Neue kommt aus Hagen, er wiederum erblickte in Lünen das Licht der Welt. Das passt. Ein schönes, wenn auch nur plattenplatonisches Paar: An­nette Humpe und der sacht pomadierte Gralshüter altdeutscher Qualitätsschlager.

Wie diese Liebe anfing, wer will das schon sagen? Einem Ondit zufolge jedenfalls soll Annette Humpe jene schöne Songzeile eingefallen sein, die glatt wie ein Chanson aus den 1920ern klingt: „Küssen kann man nicht alleine“. Max Raabe fand das auch – also das eine wie das selbstverständliche, aber genial auf den Punkt gebrachte andere.

Und das war die Geburtsstunde nicht nur einer klangvollen Zusammenarbeit, sondern gleich eines ganzen Al­bums, auf dem Raabe Robert Stolz und Friedrich Hollaender hinter sich lässt und ganz neues deutsches Liedgut singt.

So elementar wie leichtfüßig

Das Ergebnis ist eine staunenswerte CD. Selbstverständlich heißt sie „Küssen kann man nicht alleine“ und sie vollbringt das kleine Wunder, so elementar wie leichtfüßig von der Liebe, diesem kaum zu fassenden Glück, und all ihren Widrigkeiten zu erzählen. Liebe, das ist immer das Große. Aber Humpe und Raabe (was namentlich ja eher wie ein Sanitätshaus aus Wa­ren­dorf klingt) vertonen all das in einer heiteren Beiläufigkeit, die die eher schlichten, eher synthetisch klingenden Kompositionen in den Schatten witziger, äußerst pointensicherer Texte stellt. Wann reimte eine Liebeserklärung je ICE auf Bodensee?

Nonsens mit Gefühl umarmt

Raabes musikalischer Flirt (er würde wohl das schöne alte Wort „poussieren“ gebrauchen) mit einer großen Überlebenden jenes U-Musik-Tsunamis, den man einst die Neue Deutsche Welle nannte, ist ein zärtlicher Spaß. Er umarmt den Nonsens mit Gefühl, wenn er erzählt, wie einen Amors Pfeil im Schnellzug trifft („Sie sah mich an, blieb vor mir steh’n / und sagte: „Kann ich mal den Fahrschein seh’n?“). Er erzählt in glückseliger Albernheit von der Wahnsinnskraft, die einem die Liebe schenkt („Mit Dir möcht’ ich immer Silvester feiern, / mit Dir fängt alles gut an. / Mit Dir könnt ich glatt den Vatikan erneuern, / mit Dir ruf ich meine Mama an!“). Und davon, wie man blind wird selbst für die größte Prominenz, ist man nur feste verschossen – „Zoodirektor mit Knut / die Queen mit Hut. / Wie ich seh’ / steht der Papst mit dem Dalai Lama am Buffet“ – ach, alles egal, denn: „Ich bin nur wegen Dir hier, nur wegen Dir.“

Eingeschworenen Raabianer wird nicht nur das Fehlen des Palastorchesters auffallen. Ihre Ohren werden registrieren, dass Max Raabes Ton cooler, heutiger klingt als sonst: ein Barde, der eben doch noch ein paar andere Damen kennt als Schellack-Schätzchen. So hat das Leben aus Ich + Ich (Annette Humpes aktuell pausierendem Millionenseller) einen entwaffnend unernsten Ohrenschmeichler mit dem gefühlten Untertitel Du + Du gezaubert. Hören sollte man ihn idealerweise in schöner Verpflichtung des Titels: unbedingt zu zweit.