Essen. Irgendwo auf der Welt gibt’s ein kleines bisschen Glück. Und Max Raabe sehnt sich auf seinem Solodebüt „Übers Meer“ herzlich danach. Über das Fehlen der Ironie sprach der Bariton mit Georg Howahl.

Nanu, was ist denn das? Auf seinem Solodebüt verleiht Max Raabe seiner Musik eine bei ihm selten gehörte Tonart, die der Melancholie. Er, der den Schlager und den Geist der Weimarer Republik mit unterkühltem Charme einfängt, beschränkt sich mit „Übers Meer“ (Decca) auf die Begleitung seines Pianisten Christoph Israel. Über das Fehlen der Ironie und das Schicksal vieler der jüdischen Komponisten und Texter seiner Musik sprach der Bariton mit Georg Howahl.

Herr Raabe, Sie haben für Ihren Alleingang den Frack abgelegt. Das sieht aus wie bei Caspar David Friedrich.

Ja nun, ich möchte schon ein bisschen zeigen, dass diese Platte eine intime und private Form hat. Natürlich kann man sich auch im Frack ans Meer stellen. Aber ich habe dann doch meine private Kleidung beibehalten. Man stellt sich hin, macht mehrere Motive, und plötzlich merkt man: Das sieht ja aus wie „Der Wanderer über dem Nebelmeer“.

Was ja der Stimmung entspricht, oder? Groß ist die Melancholie, rar die Ironie.

Dass viele Stücke so frei von dem sind, was ich eigentlich so schätze, nämlich die Ironie und Doppeldeutigkeit, das war eigentlich gar nicht so geplant. Ich wollte eine warme Stimmung schaffen, eine erzählerische Stimmung. Dass der Pianist das Ganze eher unterfüttert, als dass es da wirklich ein Zwiegespräch gibt. Es war mir wichtig, dass es leise und konzentriert ist. Und diese anderen Dinge, die waren dann plötzlich nicht mehr zu finden.

Eines Ihrer Themen heißt Herzweh. Singen Sie aus schmerzhafter Erfahrung?

Das kann doch jeder irgendwie. Ich muss niemandem erzählen, wie sich anfühlt, verlassen zu werden. Oder wie es ist, zu lieben und nicht zurückgeliebt zu werden. All diese Sachen sind so klar und menschlich. Trotzdem muss man die Lieder so interpretieren, dass die Leute eigene Empfindungen hineinlegen können, ohne dass man mit persönlichen Befindlichkeiten den Leuten auf die Nerven geht. Es gilt: Je reduzierter es ist, desto größer das Gefühl, das man auslöst.

Sie reißen aber immer wieder das Ruder herum.

Ja nun, dazu bin ich zu sehr Bühnenmensch, dass ich denke, lass uns ein, zwei Stücke hineinnehmen, die das Tempo ein bisschen beschleunigen. Manches, was ich singe, ist von einer naiven Dreistigkeit, etwa: „Sag nicht du zu mir, wenn meine Frau dabei ist“. Da muss man einfach lachen.

Viele Ihrer Lieder zeichnen sich durch Dreistigkeit aus...

Es ist wunderbar, Pointen zu bringen, die immer funktionieren – von Leuten, die ihr Handwerk verstanden haben.

Ein trauriger Aspekt ist das Schicksal eben dieser Leute: Viele Komponisten, Texter, Sänger mussten unter den Nazis emigrieren, weil sie jüdischer Herkunft waren.

Das war nicht meine Absicht, aber bei denen waren immer meine Favoriten dabei, von Walter Jurmann und Fritz Rotter bis Werner Richard Heymann. Tatsächlich sind viele ihrer Stücke eher im Ausland bekannt geworden, etwa „Ninon“ in Frankreich und Amerika. Also sind einige dieser Stücke sozusagen geschichtsahnend über das Meer vorausgegangen, ohne dass jemand zu dieser Zeit gewusst hätte, dass die Komponisten, Texter und Interpreten übers Meer folgen würden.

Wir kennen diese Thematik ja von den Comedian Harmonists. Wurde damals nicht auch eine ganze musikalische Kultur vernichtet?

Es geht ja nicht nur um die Musik, sondern auch um Literatur und Theater. Die deutsche Kultur hat sich damals auf allen Ebenen selbst verstümmelt, in der Wissenschaft, der Architektur, der Musik und der Theaterwelt, so dass wir noch heute diesen Verlust registrieren. Da steht das Repertoire, das ich jetzt zu meinem eigenen gemacht habe, ja nur als ein winziger Punkt da. Und hinter all diesen Geschichten stehen natürlich wahnsinnige Schicksale. Wie trist und traurig das immer wieder ist, wenn man sich das vor Augen führt...

So wie Josef Schmidt, der 1933 „Ein Lied geht um die Welt“ sang, am Tag nach der Uraufführung des Films fliehen musste und später im Internierungslager starb.

Schicksale wie dieses waren damals keine Seltenheit.

Singen Sie dieses Lied deshalb so schwermütig?

Ich finde die Interpretation von Josef Schmidt unübertrefflich. Da kann man nur etwas Entgegengesetztes machen. Wenn ich das Stück gesungen habe, habe ich es immer ganz leise gesungen. Ich wollte das einfach einmal ausprobieren. Die ganze Platte ist so geworden, dass man denkt, das hätte man längst mal ausprobieren können. Aber ich nehme mich nicht so sonderlich ernst, dass ich denke, die Welt hat unbedingt darauf gewartet.

Wie viel von der Figur Max Raabe tragen Sie in den Alltag? Ich kann Sie mir kaum mit Handy vorstellen...

Da haben Sie recht, das kann ich auch nicht. Mit den Handys, da habe ich den Anschluss verpasst. Irgendwann war man dann ein bedauerlicher Tropf. Inzwischen habe ich immer noch kein Mobiltelefon. Und heute beneidet mich jeder.

Am 20. April im Schauspielhaus Düsseldorf