Ruhrgebiet. .
Immer mehr Spitzenköche bringen Apps auf den Markt. Werden sie die Kochbücher verdrängen? Ein Gespräch mit Köchen aus der Region und ein App-Rezepttest: Lachs auf Erbsenpüree.
Was ist ein Kochbuch?
Man muss sich diese Frage mal grundsätzlich stellen, wenn man diesem opulenten Regal den Rücken dreht, um mal schnell die Mengenangaben für Risotto in seinem Handy zu suchen. Hinter uns: Ein halber Meter: vegetarisch, asiatisch, Pasta, Tapas, dreimal Jamie Oliver ... eines oder zwei werden alle paar Wochen hervorgezogen. Vor unserer Nase: zigtausende Rezepte, allein 7000 in der „Rezepte“-App.
Also was ist ein Kochbuch – heute?
Björn Freitag ist Sternekoch aus Dorsten und hat kürzlich die App „Sterne-Snacks“ herausgebracht: „Ein Kochbuch“, nähert sich Freitag, „ist etwas Wertiges, Greifbares, gerade wenn es signiert ist.“ Er kennt Menschen, die kopieren sich die Rezepte, damit das Buch nicht schmutzig wird. Das Kochbuch ist also eine Art Trophäe. Eine schöne Erinnerung und ein Schmuckstück. Ein Statussymbol, das nach den Prinzipien der Markenökonomie funktioniert. Man schmückt sich mit Jamie Oliver, mit Johann Lafer oder eben mit Björn Freitag.
Und was ist eine App im Gegenzug? So relativ neu, dass man sich ihr über das alte Medium nähern kann „Ein Kochbuch stürzt nicht ab“. scherzt Freitag. Und sein Dorstener Kollege, der Sternekoch Frank Rosin ergänzt: „Eine App bietet wesentlich mehr als ein Kochbuch. Aber man braucht ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.“ Videos gehören zum Standard, und die animieren nach Rosins Meinung eher zum Kochen, bringen Emotionen ganz anders rüber – und manchmal auch Technik. „Wie eine kleine Kochsendung.“
Es ist ja kein Zufall, dass gerade die Fernsehköche auch Apps rausbringen. Rosin ist im ZDF als „Topfgeldjäger“ aktiv, Björn Freitag ist mit gleich drei Sendungen im WDR omnipräsent. Man könnte auch sagen: Beide machen ihren Namen zur Marke. Per Fernseher oder App: Der Küchenchef besucht uns im Wohnzimmer.
Freitag, die Marke
Zum Teil hat sich das auch aus wirtschaftlichen Zwängen heraus entwickelt: Beide betreiben kleine, höchst feine Restaurants. Und nicht jedes Gericht in der Sterneküche ist kostendeckend zu produzieren. Hinzu kommt der saisonale Einbruch im Sommer, „und ich möchte mich auch dann nicht von Mitarbeitern trennen“, sagt Freitag. Unterm Strich steht sicher ein Plus, aber manchmal muss Freitag, die Marke, eben Freitag, dem Koch, „auch zusponsern“. Das Restaurant ist immer eine Mischkalkulation. Es ist nicht nur Wirtschaftsbetrieb, sondern auch Showroom, ein Mittel zum Aufbau der Marke.
Und die App ist ein weiterer Baustein in diesem Konzept. Rosin, Kochunternehmer seit 20 Jahren, sagt: „Die zeitgemäßen Marketingtools müssen angewendet werden.“ Und: „Ein Kochbuch ist nur so stark wie der Vertrieb.“ Der Vertrieb der Apps über Apple jedenfalls ist ziemlich stark. Und die Reichweite wird steigen. „Smart Phones sind bald in der Küche so normal wie die Mikrowelle“, sagt Rosin. Vielleicht funktionieren sie dann auch so: Man fotografiert seinen Kühlschrankinhalt, und das Telefon schlägt vor, was man damit zaubern kann.
Das Kochbuch wird also leiden unter der neuen Konkurrenz, so oder so. Aber es wird nie aussterben. Bei einem Kochduell fällt der Verlierer ja auch nicht tot um. Man kann den Effekt vielleicht sogar beziffern. Frank Rosin, ebenfalls Sternekoch aus Dorsten, weiß: „80 Prozent der Kochbücher sind Regalhüter.“ Im Umkehrschluss heißt das: Vielleicht zwanzig Prozent werden praktisch genutzt. Und hier muss ein Vergleich zwischen Buch und App ansetzen: Was ist praktischer?
Der Test
Lachs auf Erbsenpüree, Kochzeit 40 Minuten. Es ist gerade Minute 40, und wir stehen vor der Frage, wie wir die Erbsen nun ohne Durchschlag passieren sollen ... Eher geht eine Erbse durch ein Nadelöhr als durch unser feines Sieb. Nun, was Kochzeiten angeht, überziehen wir immer schlimmer als Thomas Gottschalk. Und das Gericht war anspruchsvoll: karamellisierte Mettenden, in Wacholder-Kurkuma angedickte Zwiebeln ... Aber so toll uns „Björn Freitag – Sterne-Snacks“ die Sterneküche schmackhaft macht: Dieses ständige Hin- und Herschalten zwischen den einzelnen Kochschritten hat aufgehalten – andere Apps sind hier besser aufgebaut, aber die mangelnde Übersicht stört bei allen, wenn man mal etwas parallel vorbereiten möchte.Sagen wir: Lachs und Erbsen. Aber diesen Preis zahlen wir gern, wenn dafür das olle Regal in die Hosentasche passt.
Wir pürieren die Erbsen einfach. Und voilà! – nach zwei Stunden stehen die Teller auf dem Tisch. Es sieht hervorragend aus. Es ist gewöhnungsbedürftig, aber man kann kochen mit dem Telefon. Wir sind glücklich. Guten App-etit!