Duisburg. .
Wirft man einen Blick in die Schränke einer Sakristei, fühlt man sich fatal an den heimischen Kleiderschrank erinnert. Denn auch Priester haben Lieblingsgewänder und solche, die hinter der letzten Tür verknittern.
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Elf raumhohe Schränke stehen in der Sakristei der Hamborner Abteikirche – gefüllt mit zig Messgewändern . Als Frater Michael die Türen öffnet, leuchtet es rot, weiß, grün, violett aber auch schwarz. Die Farbauswahl scheint recht groß zu sein. Trotzdem kann der Priester jetzt nicht einfach seiner Stimmung folgen, in den Schrank greifen, irgendein Gewand vom Bügel ziehen und vor die Gemeinde treten. Denn die Liturgie schreibt ganz genau vor, welche Farbe getragen wird. So müssen Priester während der Fastenzeit Violett tragen, an den hohen Festtagen, dazu gehört selbstverständlich Ostern, ist Weiß angesagt.
Rosa am Altar
Farblich also keine großen Überraschungen, als Frater Michael die Schränke öffnet? Doch, denn zwischen den vielen violetten Roben schimmert es blass-rosa. Sieben rosafarbene Gewänder hängen in dem Schrank. Denn auch Rosa ist eine liturgische Farbe. „Sie wird aber nur an zwei Sonntagen getragen, deshalb haben nicht viele Gemeinden solche Gewänder“, weiß Frater Michael. Liturgisch gesehen sei Rosa die Aufhellung von Violett, die Freude über das nahende Oster- oder Weihnachtsfest schimmere durch. Rosa am Altar wird nur am vierten Fastensonntag und am dritten Adventssonntag getragen.
Farbvorlieben des Priesters spielen also keine Rolle. Trotzdem wird schnell deutlich, dass auch Priester ihre eigene Note haben und nicht alles tragen, was der Schrank hergibt. Zielsicher greift Frater Michael nach einem rosafarbenen Gewand: „Das würde ich nie anziehen. Es gefällt mir nicht.“ Auf einem schwarzen Streifen steht – in goldener Schrift gestickt – „Gaudete et Laetare“. Die doppelte lateinische Aufforderung, sich zu freuen, löst bei ihm keine Freude aus. Er bevorzugt eine andere rosa Robe. Eine mit dezentem abstraktem Muster.
Solche Sakristeischränke kann man übrigens gut mit dem eigenen Kleiderschrank vergleichen. Es gibt Ecken, da hängen all die Sachen, die man aus irgendeinem Grund nicht wegwerfen mag, die man aber – wenn man ehrlich ist – seit Jahren nicht mehr angezogen hat. Meist finden sich „Schätze“ dieser Art im hintersten Winkel eines Schranks. Und genauso sieht es dann auch aus, als Frater Michael den letzen Schrank in der langen Reihe öffnet. Ein verknittertes Polyestergewand baumelt am Bügel. Es macht nicht den Eindruck, als sei es vor kurzem noch getragen worden, als würde es überhaupt noch getragen werden.
Ostergewänder aus der Schatzkammer
Was wird denn in der Abtei-Kirche während der Ostermesse angezogen? In der Sakristei findet man dieses Gewand nicht. Stattdessen geht es in die Schatzkammer. Dort hängen drei Gewänder. Das „Blaue“, das „Rote“ und das „Goldene“. Alle drei sind alt, sehr alt. „Sie stammen aus der Zeit um 1500“, sagt Pater Ludger. Genauer gesagt sind die feinen Verzierungen und Stickereien auf den Gewändern aus dieser Zeit. Die eigentlichen Roben sind neuer. Wobei „neu“ relativ ist – zumindest der blaue Stoff wurde schon um das Jahr 1700 gewebt. Zu erkennen am Schnitt des Gewandes. Kurz und rund hängt die römische Kasel in der Schatzkammer – in Priesterkreisen wird diese alte Form als „Bassgeige“ bezeichnet. Das „Rote“ und das „Goldene“ sind lange, wallende Gewänder, wie sie heute üblich sind. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurden die Stickereien restauriert und auf die neuen Stoffe genäht.
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Das Besondere in Hamborn ist: Die alten Gewänder werden regelmäßig getragen. Zu Ostern, Weihnachten und Karfreitag holen die Patres die alten Schätze aus der Vitrine. „Wir müssten sie sowieso regelmäßig lüften, da können wir sie besser tragen.“ Da ist Pater Ludger ein Pragmatiker.
Abnutzungsspuren
Selbst das ganz alte blaue Gewand kommt so noch regelmäßig zum Einsatz. Es ist ein Weihnachtsgewand – die Stickerei zeigt es deutlich: Sie zeigt den Stammbaum Jesu mit dessen Geburt als Höhepunkt. Warum auf einem blauen Gewand? Pater Ludger zuckt mit den Schultern: „Blau ist heute keine liturgische Farbe, war früher aber die Marienfarbe. Inzwischen wird auch an Marienfesten Weiß getragen. Aber die Stickerei bezieht sich eindeutig auf Weihnachten.“ Warum es letztlich auf blau hinausgelaufen ist? Pater Ludger spekuliert: „Vielleicht war das eine praktische Entscheidung. Möglicherweise war der blaue Stoff ein Geschenk und weil man ihn hatte, hat man die Stickerei aufgebracht.“
Bei all diesen alten Gewändern in der Abtei fällt auf: Die aufwändigeren und schmuckvolleren Verzierungen sind auf dem Rücken. Denn all diese Gewänder stammen aus der Zeit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Der Priester stand zu der Zeit mit dem Rücken zur Gemeinde. Entsprechend wichtig war der verzierte Rücken. Bei den modernen Gewändern in der Sakristei ist es umgekehrt. Schließlich schaut der Priester seine Gemeinde inzwischen an. Deshalb legen die Designer nun ihr Augenmerk auf die Vorderpartie der Roben. Die ist übrigens die empfindlichere Seite. Gefaltete Hände sorgen dafür, dass der Stoff an dieser Stelle schneller abwetzt als anderswo.
Hier decken sich die Priester mit neuester Mode ein.