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„Die Ballade von Trenchmouth Taggart“ ist das skurrile Romandebüt von Glenn Taylor, der Mark Twain nacheifert. Er schreibt über einen Schrat aus Schrot und Korn. Das ist köstlich komisch und intelligent gemacht.
Schöner Schlamassel, kommentiert Klein-Taggart seine Taufe, schöner Schlamassel. Was für einen Jungen von gerade mal zwei Monaten schon ungewöhnlich ist, andererseits aber verständlich, weil eine Taufe in einem Fluss, in den die Mutter mit dem Absatz erstmal ein Loch ins Eis hacken musste, auch nicht jedermanns Sache ist. Der Säugling geht prompt während der ziemlich unromantischen Zeremonie verloren, landet flussabwärts bei einer allseits beliebten Schnapsbrennerin, wird von der mit hochprozentigem Fusel aufgezogen und dennoch 108 Jahre alt. Vielleicht auch gerade deshalb, so genau weiß man das nun auch wieder nicht in Glenn Taylors wunderbarem Erstling „Die Ballade von Trenchmouth Taggart“, der 1903 im amerikanischen West Virgina beginnt und 2010 mit dem Tod des Helden endet.
Spaghetti mit Kennedy
Zwischendurch ist, wie man weiß, einiges passiert. Trenchmouth Taggart ist stets dabei. Meuchelt Streikbrecher, beschwört die Schlangen einer seltsamen Sekte, spielt Mundharmonika mit Chuck Berry, futtert Spaghetti mit Kennedy. Am Ende näht er sich den Mund zu, anlässlich des 108. Geburtstags übrigens, und „mit salzwassertauglicher Angelschnur“, findet aber dennoch Gelegenheit, dem Reporter des „Time“-Magazins am Küchentisch die wichtigsten Stationen seines unglaublichen Lebens in den Block zu diktieren.
Warum heißt Trenchmouth aber überhaupt Trenchmouth? Weil Findelkinder mit dem leben müssen, was man ihnen so gibt, in diesem Fall einen Spitznamen, der sich auf eine körperliche Eigenart bezieht. Taggart leidet an Trenchmouth, vom Mediziner auch Schützengraben-Gingivitis genannt, landläufig aber eher als Mundfäule bekannt. Das stinkt, um es mal mit Trenchmouth zu sagen, wie „Arsch mit Oregano“. Warum aber Ballade? Weil Taggart, der Außenseiter, zum Volkshelden aufsteigt, gefeiert von den Bänkelsängern in West Virginia.
Was dieses Buch auszeichnet, ist nicht nur die pralle Geschichte. Gleich im ersten Versuch hat Taylor seine Sprache gefunden und ein Buch geschrieben, das an Mark Twain oder John Irving erinnert und so „ungebärdig daherkommt wie ein junger Hund“, wie der Kritiker der Londoner „Times“ bewundernd schreibt. Was man sonst noch wissen muss: Inzwischen ist in der amerikanischen Heimat schon Taylors zweites Buch erschienen. Es heißt „The Marrowbone Marvel Company“, schildert das unterhaltsame Leben in einer frühen Kommune und wird bereits ebenfalls hoch gelobt.
Voller Leidenschaft und bitterstem Humor
Skurril ist aber schon der Erstling, voller Leidenschaft und bitterstem Humor, und dennoch ernsthaft, gar sehr politisch. Wen die amerikanische Geschichte des 20. Jahrhunderts, die hier so virtuos wie knapp ausgebreitet wird, vielleicht nicht so interessiert, kann sich immer noch damit trösten, dass dies die erste Ballade ist, in der ein Cunnilinguist Karriere macht.
- Glenn Taylor: Die Ballade von Trenchmouth Taggart, Nagel & Kimche-Verlag. 301 S., 19,90 €