Dhaka..

Nach 60 Jahren erscheint mit „Das Mädchen meines Herzens“ erstmals ein Roman des bengalischen Autors Buddhadeva Bose auf Deutsch. Man fragt sich: Warum erst jetzt?





Es gibt Geheimnisse, die traut man sich nicht mal den besten Freunden zu erzählen. Aber einem Fremden, der einen zufällig auf einer Reise begleitet. Denn sein Urteil wird nicht laut zu hören sein. In solch eine Situation versetzt Buddhadeva Bose vier ältere Männer in seinem poetischen Roman „Das Mädchen meines Herzens“: Sie sind an einem Winterabend gestrandet auf einem Bahnhof in einer indischen Kleinstadt.

Als sie ein junges Pärchen sehen, erinnern sie sich an das erste Verliebtsein. Um der Kälte und der Langeweile bis zum nächsten Zug am Morgen zu entfliehen, erzählen sie sich ihre rührenden Geschichten über die Zeit der Sehnsucht, der Zurückweisung und der Hoffnung. Wobei sie sich fragen: „Ist die Erinnerung an vergangenes Glück eine glückliche oder eine traurige?“

Mit viel Gefühl

Buddhadeva Bose ist anfangs kein allwissender Autor. Er erzählt das, was jeder beobachtet, der zum ersten Mal einen Menschen sieht: Was trägt er, wie wirkt er, wovon spricht er? Dies steigert nur noch die Neugierde, den Menschen kennen zu lernen hinter dem Beamten und dem Bauunternehmer, dem Arzt und dem Schriftsteller.

Aber das Buch enthält noch viel mehr als diese vier schönen Porträts und intensiven Liebesgeschichten: Es erzählt von der indisch-bengalischen Kultur, von der Familie und den Traditionen, die so wichtig sind und doch ein Gefängnis sein können. Das liest sich nicht so langatmig und kitschig wie das Drehbuch eines Bollywoodfilms. Denn Buddhadeva Bose schrieb schnörkellos, und doch mit Gefühl. Mit viel Gefühl.

Das Original ist bereits 1951 erschienen

Buddhadeva Bose Foto: privat
Buddhadeva Bose Foto: privat © privat | privat





Er schrieb und schreibt nicht mehr. Denn der bengalische Autor starb bereits 1974. Doch erst heute kann man mit „Das Mädchen meines Herzens“ zum ersten Mal einen seiner Romane auf Deutsch lesen. Das Original ist bereits 1951 erschienen. Aber die Zeit und der kulturelle Unterschied ändern nichts an der Aktualität des Themas: Verliebtsein als „erstaunliche Illusion“ und Glück, das vergeht. Dazu sagt der Beamte in Boses Buch: „Indem wir leben, brauchen wir unser Leben auf.“

Dieser leichte und doch philosophische Roman eines Autors, der einst Rilke und Hölderlin übersetzte, endet mit einem lohnenden Nachwort der Übersetzerin Hanne-Ruth Thompson. Sie beschreibt Boses Leben und Liebe zur Literatur. Sie nennt den Roman ein „wärmendes Kleinod“. Und mit ihrem letzten Satz verstärkt sie noch, was man bereits selbst bei der Lektüre von „Das Mädchen meines Herzens“ erkannt hat: „Die Schatulle, aus der dieses Kleinod stammt, birgt noch weitere Schätze, die es nun zu heben gilt.“

  • Buddhadeva Bose: Das Mädchen meines Herzens. Ullstein, 192 Seiten, 18 Euro