Essen. Wenn Kinder wütend sind, dann schlagen oder treten sie auch die eigenen Eltern. Leserinnen und Leser erzählen von ihren Erfahrungen.

Jungen und Mädchen beißen oder kneifen auch ihre Eltern. Wenn das häufig passiert, werden Mütter und Väter selbst wütend: Was stimmt nicht mit meinem Sohn? Mag meine Tochter mich gar nicht? Aus Scham behalten viele es für sich. Wir wollten das Tabu brechen und haben Leserinnen und Leser nach ihren Erfahrungen gefragt. Hier eine Auswahl der Stimmen, zum Teil leicht gekürzt.

Meine drei Kinder sind zwar inzwischen erwachsen, aber unsere zweitgeborene Tochter hat mit etwa 2,5 Jahren auch geschubst. Als wir feststellten, dass sie häufiger, nicht nur mich, sondern auch ihre zwei Jahre ältere Schwester, manchmal sehr spontan biss oder auch an deren Haaren zog, wurden wir schon etwas unruhig… Allerdings fanden wir schnell heraus, dass unsere Tochter nur zu „diesem Mittel“ griff, wenn sie sich nicht anders ausdrücken konnte bzw. wenn sie das Gefühl hatte, dass ihre Schwester ihr „überlegen“ war. Diese hatte schon damals (mit 4,5 Jahren) eine gute Rhetorik und „quatschte“ jeden „an die Wand“. Da unsere zweitgeborene Tochter das damals nicht so konnte, waren ihre Fäuste für sie dann das „schlagende“ Argument.

Im Nachgang weiß ich auch nicht mehr, wie wir ihr das abgewöhnen konnten. Doch spätestens, als sie in den Kindergarten kam, hörte sie damit auf. Also als Tipp an alle Eltern: Geduld und ein wenig Gesprächs- und Erklärungsbereitschaft dem Kind gegenüber, hilft meistens schon. Silke Pienkoß, Hattingen

Kinder, die hauen und treten – das Thema wird häufig totgeschwiegen

Ich glaube dieses Thema wird häufig totgeschwiegen, auch ich tat dies lange. Meine Tochter schlägt mich, seit sie zwei Jahre alt ist, als Erzieherin ziemlich beschämend. Die Schuld immer bei mir suchend, habe ich ungefähr acht Jahre damit verbracht, mich zu schämen. Wieso schlägt sie mich? Beißt und schubst?

Irgendwann saß ich weinend beim Kinderpsychiater – meine Tochter hat Autismus, war mit der Welt überfordert und dazu kam ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung). Sie hat eine Wahrnehmungsstörung und nimmt vieles ganz anders war. Mein Kind litt in der Grundschule, die Hausaufgaben waren der Horror. Sie hatte schlechte Noten und der Weg zur Gesamtschule war infrage zu stellen. Wir gingen ihn aber.

Heute mit viel Therapie, Medikamenten und dem Blick, das Kind nicht zu überfordern, geht es. Mein Mädchen ist toll, Klassenstärkste mit einem Durchschnitt von 1,6. Heute weiß ich: Kinder leiden mindestens genauso wie wir „Geschlagenen“. Ich bin nicht schlecht als Mutter, ich habe jahrelang das Richtige getan, instinktiv, nur lange wollte niemand mir zuhören, ist ja angeblich alles Erziehungssache. Anonym per Mail

Wenn das Kind übermüdet ist oder wenn es seinen Willen nicht bekommt

Ich glaube, pauschal kann man darauf keine Antwort geben. Ist das Kind übermüdet und überreizt, ist es ein anderes Thema als wenn es seinen Willen nicht bekommt und deshalb so reagiert. Dementsprechend ist die Reaktion ja auch eine andere. Daniel Wagner, Facebook

Meine Tochter hatte viele Wutanfälle. Sie hat dann sehr um sich geschlagen, mich getreten. Die anderen Leute haben sich nach uns umgeschaut, mich angestarrt, als ob ich mein Kind quälen würde. Ich habe jeden Abend geheult, ich war so verzweifelt. Aber ich kann andere Mütter beruhigen: Es legt sich. Meine Tochter ist heute 30 und geht ihren Weg. Anonym, Essen

Ich könnte jetzt schreiben und sehr ausführlich darlegen, wie dieses und andere Themen zu Hause gehandhabt wurden. Heute ist das von Seiten des Gesetzgebers anders geregelt. Die Holzlöffel brechen heute auch sicher nicht mehr so schnell „beim Kochen“. Marius Heiserholt, Facebook

Mein Sohn bewirft mich mit Spielzeug

Als mein Sohn noch nicht sprechen konnte, hat er mir aus heiterem Himmel eine Backpfeife gegeben, mich mit Spielzeug beworfen, mir eine Kopfnuss verpasst. Wenn er nicht seinen Willen bekam, klar, aber auch, wenn wir gerade schön zusammen gespielt haben. Ich wurde dann richtig sauer und habe ihn ausgeschimpft. Er hat mich jedoch nur mit großen Augen angeschaut. Wenn ich ihn an den Händen etwas festgehalten habe, hat er sich losgerissen und weitergemacht. Mein „Nein!“ kam nicht bei ihm an. Rückblickend weiß ich, er wusste in dem Moment gar nicht, dass er mir wehtat. Es war auch keine böse Absicht. Und warum Mama auf einmal so laut wurde, hat er auch nicht verstanden. Er hat alles ausprobiert und die Reaktionen beobachtet.

Ich bekam dann von einer Bekannten den Tipp, in solchen Momenten mit ihm in ein anderes Zimmer zu gehen, etwas anderes zu spielen, ihn abzulenken. Das hat oft funktioniert. Die Zeit war trotzdem kräftezehrend. Ich habe über mich selbst gestaunt. Ich bin eigentlich ausgeglichen, fahre nicht so schnell aus der Haut, aber von dem eigenen Kind geschlagen zu werden, das hat mich so wütend gemacht. Meinem Mann erging es ähnlich, er wurde oft von unserem Sohn gebissen. Das hat er bei mir nur selten gemacht, weil ich ihm ein Kissen hingehalten habe: „Da kannst du reinbeißen!“

Erst seitdem mein Sohn mich versteht, haut er nur noch, wenn er selbst richtig wütend ist. Tut er mir heute mit fast drei Jahren aus Versehen weh, schlingt er seine Ärmchen kurz um meinen Hals, schaut mich an und sagt bestimmt: „Besser!“ Birgit Linke, Essen

Ich habe meine Tochter gebissen

Mit etwa zwei Jahren hatte auch meine Tochter eine Beißphase. Als sie meinen Unterarm einmal mit einem Zahnabdruck verzierte und auch ein „das tut weh“ nichts nutzte, habe ich für einen vergleichbaren Abdruck meiner Zähne auf ihrem Arm gesorgt. Dann verglichen wir die Abdrücke, trösteten uns gegenseitig und trafen die Vereinbarung, uns nicht mehr zu beißen. Robert Mergel, Velbert

Ich finde es echt merkwürdig, dass Kinder sowas machen. Zurückkneifen geht gar nicht, beißen auch nicht! Wichtig ist, den Kindern früh beizubringen, dass es nicht geht. . . Kinder versuchen immer irgendwas, das ist normal, sie müssen lernen, dass es im Leben Dinge gibt, die nicht gehen. ERKLÄREN nichts anderes! Jeanette Hebibovic, Facebook

Wenn Kinder so reagieren, dann hat das doch Gründe! Kinder machen das nicht einfach, weil sie gerade Bock darauf haben! Schonmal darüber nachgedacht, dass die Eltern überfordert sind und dann anders reagieren? Verena Wille, Facebook

Je nach Alter, können sich Kinder einfach nicht anders äußern. Was völlig normal ist. Daniela Schmidt, Facebook

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