Bottrop. Vom Kult-Song zum Kult-Getränk: Zehn Freunde haben sich den Traum vom Brauen erfüllt – so wird Tegtmeiers Schlager vom „Bottroper Bier“ wahr.

In Athen trinkt man Wein, in Bottrop Bier. So sah es jedenfalls Kabarettist Jürgen von Manger alias Adolf Tegtmeier, der dem Bottroper Bier 1977 ein musikalisches Denkmal setzte. „Bottroper Bier isso wie der Saft für’t Leben. Hier im Revier tut man manchmal gern’ ein’ heben. Und an so ein’ Tach kriecht man zuhause meist noch Krach. Dat ich nich’ lach’!“: Zur Melodie von Udo Jürgens berühmtem „Griechischer Wein“ pries Tegtmeier das Bottroper Bier an – das es seit Schließung der örtlichen Westfalia Brauerei allerdings längst nicht mehr gab.

Feten und Freundschaften

Erst vier Dekaden später haben zehn Freunde aus Bottrop den Revier-Schlager endlich wahr gemacht. 2019 haben sie eine Kleinbrauerei gegründet, die nur einen Namen tragen konnte, wie Geschäftsführer Markus Gehring erzählt: „Mit Tegtmeiers Lied verbinde ich Jugendlichkeit, die ersten Feten, Freundschaften, von denen viele gehalten haben. Einfach eine wilde Zeit. Als wir die Brauerei gegründet haben, haben wir wirklich über alles diskutiert – aber nicht über den Namen. Es war von vornherein klar, dass wir das Bier natürlich Bottroper Bier nennen. Wie sollte es auch sonst heißen?“

Die Idee, ihr eigenes Bier zu brauen, kam der Gruppe bei einem Männerwochenende. Nachdem sie die Krombacher Brauerei besichtigten, tischte einer von ihnen – Arthur Riedel, der also genauso heißt wie jener „Attur“, der in Tegtmeiers Lied „bein Jupp inne Kneipe“ geht – bei sich zuhause Bier auf, das er selbst gebraut hatte. In seiner Garage. Und dort entstehen ja bekanntlich die besten Ideen. „Das hat etwas bei uns in Gang gesetzt“, sagt Markus Gehring. Um Tegtmeiers Trinklied wahr werden zu lassen, besuchten sie mehrere kleine regionale Brauereien, immer mit einer Frage im Hinterkopf: Kann das auch in Bottrop funktionieren?

Markus Gehring (51) reicht gern sein Bier aus dem alten Kiosk heraus.
Markus Gehring (51) reicht gern sein Bier aus dem alten Kiosk heraus. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Vier Jahre später findet man die Antwort auf diese Frage an der Sterkrader Straße 177. Hier haben die Freunde den ehemaligen Kiosk – an dem sie „groß geworden sind“, als Kinder Fußballsammelbilder und bunte Tüten, später dann „Kippen und Bier“ gekauft haben – zu ihrem Verkaufsstand gemacht. Stilecht reicht Markus Gehring jeden Mittwoch und Freitag die Flaschen durch das Fenster des typischen Ruhrgebietsbüdchens, die Schlangen an den Verkaufstagen sind lang.

Gebraut wird ein- bis zweimal die Woche direkt hinter dem Kiosk. Das mehr als 130 Jahre alte Gebäude haben die Freunde um eine moderne Halle erweitert. Dort stehen auch die großen metallenen Kessel, in denen das Bottroper Bier gebraut wird. Nach sieben Wochen Reifung – „Das Bier bekommt bei uns die Zeit, die es braucht“ – gelangt es über die automatische Abfüllanlage – anfangs wurde noch jedes Bier einzeln per Hand abgefüllt– in die Flaschen. Hergestellt werden neben einigen Saison-Bieren vor allem zwei Standard-Biere: Helles und Dunkles. „Unser Helles ist ein typisches Keller-Pils, es hat einen frischen Geschmack und ist hintenraus hopfig. Unser Dunkles hat keine Röstaromen, schmeckt malzig, fast etwas süßlich“, so Gehring.

Tegtmeier-Abend in Bottrop

Was darf es sein: Helles, Dunkles oder Mai Bock?
Was darf es sein: Helles, Dunkles oder Mai Bock? © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Vom Geschmack des Bieres hat sich auch Jürgen von Mangers Nichte überzeugt: Bevor die Kleinbrauer 2019 an den Start gingen, fragten sie Monika von Manger, ob sie den Namen „Bottroper Bier“ nutzen dürfen. „Wir waren uns nicht sicher, ob es rechtlich in Ordnung ist“, erinnert sich Gehring. „Aber Moni war sofort einverstanden. Sie setzt sich ja selbst dafür ein, das Andenken an ihren Onkel aufrechtzuerhalten.

Im März 2022 haben sich die Brauer und Monika von Manger dann sogar zusammengetan und in der Kulturkirche Bottrop einen Abend auf die Beine gestellt, der Jürgen von Manger sicherlich gefallen hätte: Monika von Manger hat vom Leben ihres Onkels erzählt und gezeigt, dass sich hinter der Maske des Tegtmeiers ein feinfühliger Typ versteckte. Schauspieler und Tegtmeier-Imitator Carsten Bülow stand auf der Bühne und die Brauer versorgten das Publikum mit ihrem flüssigen Gold.

Zu kaufen gibt es das Bier mittlerweile – eine Flasche kostet zwei Euro – nicht nur direkt an der Brauerei, sondern auch an verschiedenen Orten in der Stadt, so Gehring: „Wir haben an die 13 Partner, über die wir unser Bier verkaufen. Wir liefern zum Beispiel an einen Hofladen oder an den Currywurst-Imbiss am Tetraeder. Wir verkaufen allerdings nicht in Getränke- oder Supermärkten.“

Bar für den „Feierabend-Freitag“

Auch die Kneipe aus Tegtmeiers Trinklied lassen die Freunde einmal im Monat wahr werden. Für ihren „Feierabend-Freitag“ haben sie direkt neben dem Büdchen eine Bar eingerichtet, die zum Treffpunkt in der Stadt werden soll. Hier können Bier-Liebhaberinnen und -Liebhaber das flüssige Gold frisch gezapft genießen, den perfekten Sound für den Abend hat Tegtmeier bereits vor Jahren geliefert: „Bottroper Bier, und dann fängs’e schnell am Singen. Hier im Revier tun die Gläser kräftig klingen. Der Gerstensaft gibt Dir wieder neue Kraft. Bisse abgeschlafft.“

Weitere Texte aus dem Ressort Wochenende finden Sie hier: