Essen. Früher waren Marianne Koch und Joachim Fuchsberger Filmpartner. Später schrieben beide Bücher übers Altern - mit unterschiedlichen Ansätzen.

Joachim Fuchsberger und Marianne Koch waren in den 60er-Jahren wenn auch nicht das Traumpaar des deutschen Films, so doch eine Zeitlang verlässliche Zuschauermagneten. Gemeinsam standen beide 1967 für den Krimi-Dreiteiler „Der Tod läuft hinterher“ vor der Kamera, der damals auf für heutige Zeiten unfassbare 90 Prozent Sehbeteiligung kam. Für Fernsehfilme wie diesen wurde der Begriff „Straßenfeger“ erfunden. Nicht ganz so erfolgreich waren der Western „Wer kennt Johnny R.?“ und der Kinostreifen „Schreie in der Nacht“, beide ebenfalls mit Fuchsberger und Koch. Über letzteren urteilt das Lexikon des Internationalen Films erbarmungslos: „Anspruchsloser Trivialkrimi nach Schablone“.

Nun, Fuchsberger und Koch verloren sich im Filmgeschäft bald aus den Augen – um Jahrzehnte später, unabhängig voneinander, in einem ganz anderen Genre Erfolge zu feiern: Ihre Bücher zum Thema Altern wurden Bestseller. Abgeklärt und leicht desillusioniert der eine, gut gelaunt und aufmunternd die andere.

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Joachim Fuchsberger und Marianne Koch als Filmpartner in den 60er-Jahren
Joachim Fuchsberger und Marianne Koch als Filmpartner in den 60er-Jahren © karussell | Karussell

„Altwerden ist nichts für Feiglinge“ hieß 2010 Joachim Fuchsberger Abrechnung mit dem Altern. Ein bisschen altersweise, ohne großes Pathos. Damals war „Blacky“ schon 83 Jahre alt und hatte drei Herzinfarkte und einen Schlaganfall hinter sich. Der Titel des Buchs ist heute ein geflügeltes Wort. Knapp vier Jahre später, 2014 bei der Vorstellung seines neuen Buchs „Zielgerade“, hielt Fuchsberger mit seiner Einschätzung des Alters nicht hinterm Berg: „Altwerden ist scheiße“, diktierte er den anwesenden Journalisten in die Notizblöcke. Wenige Monate später starb Joachim Fuchsberger mit 87 Jahren.

Bestseller schreibt auch Marianne Koch, die nicht nur als Schauspielerin arbeitete, sondern letztlich ihre Leinwandkarriere aufgab, um als Ärztin zu praktizieren. Ihr jüngstes Buch, das seit Wochen weit oben auf den Bestsellerlisten rangiert, heißt „Alt werde ich später“. Für Dr. Marianne Koch gewissermaßen ein programmatischer Titel – sie wurde in diesem Frühjahr 90 Jahre alt, lässt sich davon aber nicht weiter beeindrucken und sagt selbstbewusst: „Alt ist jemand, der denkt, er habe für sein Leben genug gelernt und der seine einmal gefassten Meinungen bis ins Grab für unverrückbar hält. Beides trifft auf mich nicht zu, und deshalb bin ich ziemlich gelassen, was das Älterwerden betrifft.“ Aber auch Koch räumt ein: „Älterwerden ist nicht immer ein Vergnügen.“

Lebenserwartung ist stark gestiegen

Klar ist: Das Altwerden ist ein großes Thema in Deutschland, das zeigt nicht nur ein Blick auf die Buch-Verkaufslisten – sondern vor allem auf die Bevölkerungsstatistik. Das vielzitierte Schlagwort von der „alternden Gesellschaft“ - jeder kann heute in seinem eigenen Umfeld beobachten, was damit gemeint ist. Im vergangenen Jahr lebten nach offizieller Statistik in Deutschland 18,3 Millionen Menschen im Alter 65plus, also jenseits des klassischen Rentenalters - das entspricht einem Anteil von 22 Prozent an der Gesamtbevölkerung.

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Die sogenannte fernere Lebenserwartung ab einem Alter von 65 Jahren beträgt bei Männern knapp 18, bei Frauen gut 21 Jahre. Das sind jeweils fünf Jahre mehr als noch 1980. Ein wichtiger Aspekt dabei: Die Zahl der alleinlebenden älteren Männer und Frauen in Deutschland steigt stetig. So wohnten im vergangenen Jahr rund 5,9 Millionen Menschen ab 65 Jahren allein. Das ist etwa jeder Dritte in dieser Altersgruppe, wie das Statistische Bundesamt Wiesbaden ausgerechnet hat. 20 Jahre zuvor waren es noch 5,1 Millionen Menschen gewesen.

Mutig auf andere Menschen zugehen

Die Vereinsamung im Alter - ein wichtiger, wenn nicht sogar entscheidender Aspekt, wie auch die Medizinerin Marianne Koch diagnostiziert. Sie sagt: „Das größte Problem älterer Menschen – die Altersforscher sprechen auch von der schlimmsten Alterskrankheit – ist die Einsamkeit. Einsamkeit macht krank, körperlich und seelisch.“ Koch schreibt in ihrem Buch: „Einsam kann ich nicht sprechen, einsam kann ich nicht mehr richtig denken. Die Gedanken, die mir bleiben, haben keine Resonanz, drehen sich im Kreis wie auf den Schienen einer Spielzeugeisenbahn, ohne Anfang, ohne Ende. Und dabei vergrößern sich banale Probleme bis ins Bedrohliche.“ Deshalb seien soziale Kontakte, Freunde und die Familie besonders wichtig. Koch: „Gerade nach Verlusten von geliebten Menschen oder bei körperlichen Einschränkungen, die wohl jeden irgendwann treffen.“

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Die Autorin Koch macht klar, dass die Lösung des Problems nicht von allein kommen wird. Sie fordert von ihren Leserinnen und Lesern deshalb: Mut. „Mut, um auf Menschen zuzugehen – auch wenn das bedeutet, dass Sie sich einer Gemeinschaft anschließen, mit der Sie vorher nichts zu tun hatten.“ Ob Turnverein oder Nachbarschaft, Lesekreis oder Kartenspielen – wichtig sei der regelmäßige Austausch mit anderen Menschen, das Gespräch, die Neugier und die Bereitschaft, etwas Neues zu lernen.

Experte rät zur „3-F-Regel“

Geistige Fitness, eben. Die soziale Interaktion sei der wichtigste Parameter zum Jungbleiben, sagt auch der Altersforscher Sven Voelpel von der Jacobs University Bremen. Im Vergleich zu anderen Ländern, wo die Menschen besonders alt werden, würden in Deutschland allerdings die sozialen Kontakte - etwa zwischen den Generationen - vernachlässigt. Er rät alten Menschen zur sogenannten „3-F-Regel“: Das bedeutet, einmal am Tag mit der Familie, mit Freunden und mit einem oder einer Fremden in Kontakt zu treten.

Buchautorin Koch formuliert es so: Man solle „das Älterwerden oder Ältersein nicht bejammern, sondern als eine besonders wichtige Phase des Lebens sehen, die nicht nur von Erinnerungen geprägt sein wird, sondern in der Sie neue wertvolle Fähigkeiten erwerben und interessante Erfahrungen machen werden“.

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Alles leichter gesagt als getan, mag man da denken. Vor allem, wenn man durch Alter oder Krankheit körperlich eingeschränkt und nicht mehr so mobil ist. Aber, so Ärztin Koch, auch auf Distanz lässt sich teilhaben: „Denken Sie ja nicht, Sie seien schon zu alt, um zu lernen, wie man mit einem Tablet oder Smartphone umgeht. Oder um sich überhaupt mit den neuen digitalen Welten auseinanderzusetzen. Sie und ich werden auf diesem Gebiet vielleicht keine Genies mehr, und die Jungen werden uns leicht amüsiert anschauen, wenn wir sie wieder einmal um Hilfe bitten. Aber wir werden mitreden können, uns über E-Mails unserer Enkel mit den neuesten Fotos freuen und die richtigen Apps herunterladen. All das ist auch ein wunderbares Training für unsere grauen Zellen im Gehirn.“

Joachim Fuchsberger
Joachim Fuchsberger © dpa | Peter Kneffel

Allerdings: Tipps und Ratschläge sind das eine, die Realität ist mitunter eine andere. Das wusste auch Marianne Kochs einstiger Filmpartner Joachim Fuchsberger. „Botschaften kann man geben noch und noch“, sagte er bei der Präsentation seines „Zielgerade“-Buchs. „Ob sie aber für denjenigen, dem man sie gibt, taugen, das weiß man nicht.“ Seine Erfahrung: Gerade über 80-Jährige seien „oft in einer Verfassung, in der sie keine guten Ratschläge mehr brauchen können“. Der eine sei noch mobil, der andere habe resigniert, der Dritte sage, ihm tue alles weh und es habe ja eh alles keinen Sinn mehr. Fuchsberger: „Man kann sagen, tue dies oder jenes, aber mit Botschaften ist das so eine Sache.“

So ist „Zielgerade“, Fuchsbergers letztes Buch, denn auch kein Ratgeber im Sinne von Marianne Koch. Es geht darin nicht um Mut und Fitnessübungen fürs Gehirn, um lebenslanges Lernen oder die Frage, wie man die grauen Zellen in Schwung bringt oder hält. Joachim Fuchsberger sagte, „Zielgerade“ sei weniger ein Buch als vielmehr ein Kaleidoskop; etwa von „Bildern, die mir in den Kopf gekommen sind, wenn man auf der Intensivstation liegt und an die Decke starrt“.

Dr. med. Marianne Koch: Alt werde ich später. Verlag DTV, 155 Seiten, 18 Euro.

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