Viele Kinder wollen nicht nur vorm Bildschirm hocken. Doch was können sie stattdessen tun? Wir stellen junge Menschen mit besonderen Hobbys vor.
Natürlich beschäftigen sich Kinder und Jugendliche insbesondere in der Corona-Zeit vermehrt mit dem Internet, sehen fern oder daddeln am Computer, am Handy oder an der Spielkonsole. Vor allem das Fernsehen bleibt „über das Lebensalter der Kinder und Jugendlichen hinweg auf einem konstant hohen Niveau“. Das besagt eine Studie zu Freizeitaktivitäten von Kindern und Jugendlichen zwischen neun und 17 Jahren des Bundesministeriums für politische Bildung (bpb).
Bei der Nutzung des Internets sei dagegen ein besonders starker Anstieg zu beobachten: Während rund 40 Prozent der Neunjährigen mindestens ein- bis zweimal die Woche im Internet unterwegs sind, trifft das auf fast alle 14- bis 17-Jährigen zu. Je nach Altersgruppe verbringen zwischen 65 und 80 Prozent Zeit am Computer, Handy oder an der Spielkonsole.
Jüngere musizieren noch gerne
Aber es gibt durchaus auch anderes, mit dem Mädchen und Jungen ihre Zeit außerhalb der Schule verbringen. Gleich an zweiter Stelle steht: „Freunde treffen“, an vierter „Sport treiben“, an achter und neunter Stelle „Bücher lesen“ und „Musizieren“. Letztere beiden Aktivitäten sind bei über 80 bzw. 60 Prozent der Neunjährigen Teil der Freizeit – bei Älteren fällt die Kurve dann steil ab.
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Und auch darüber hinaus findet der Nachwuchs jede Menge weitere Möglichkeiten für das, was Norbert Zmyj, Professor für Entwicklungspsychologie an der TU Dortmund, beschreibt als „etwas, das außerhalb der schulischen Bildung stattfindet, aus eigener Motivation heraus und erst einmal ganz zweckfrei ist“: Hobbys. Ob Zeichnen, Nähen, Fußball, Fotografieren, Singen oder Reiten, Theater spielen, die Astronomie oder der Extremsport, wie bei unseren drei porträtierten jungen Menschen – die Palette der Möglichkeiten, für die sich Jugendliche begeistern, ist schier unendlich.
Jedes Kind ist neugierig
„Ich glaube, es gibt kein Kind, das nicht mit einer gewissen Neugier auf die Welt zugeht“, sagt Norbert Zmyi. „Worauf sich die Neugierde dann bezieht, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab.“ Vom Umfeld der Kinder, von ihrem eigenen Charakter und davon, „wie Eltern Erziehung und kindliche Bildung begreifen. Ob sie es zulassen, dass ihr Kind einen Wesenszug besonders ausbildet, und helfen, die Neigung ihres Kindes zu veredeln“, erklärt der 41-Jährige. Dem gegenüber stehe eine Elternvorstellung, die nach Konformität und Anpassung strebt. Eine Haltung, die noch vor einem halben Jahrhundert stark zu beobachten gewesen sei.
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Wichtig ist, dass Eltern ihren Kindern Angebote machen, Anreize schaffen und sie fördern. Dass manche dabei Druck ausüben, à la aus dir soll mal ein Profisportler oder -musiker werden, sei dabei gar nicht das wirkliche Problem. Bei zu viel Druck rebellieren die meisten Kinder irgendwann. „Die wirklichen Probleme bestehen darin, wenn sich Eltern nicht für ihre Kinder interessieren und sie mit Fernsehen und Fastfood abspeisen“, sagt der Entwicklungspsychologe. „Lieber eine Mutter, die ein bisschen zu viel hinterher ist, als eine, die sich nicht interessiert.“ Denn das sei eindeutig ungesund.
„Eine gesunde Entwicklung kann gar nicht ohne Hobbys stattfinden“, sagt er. „Auch wenn die Schule einen großen Platz einnimmt, bleiben immer noch viele Stunden, in denen jedes Kind außerschulische Interessen verfolgt und dann ist es gut, wenn dieses Interesse nicht nur Netflix ist.“
Langeweile ist wichtig
Damit ein Kind das richtige Hobby für sich findet, kommt es auf die aktive und kreative Auseinandersetzung mit einem Thema an: „Kinder müssen auch Langeweile haben und dann etwas daraus entwickeln und erarbeiten. Immer nur passiv bespaßt und berieselt werden, verhindert, sich mit Wünschen und Interessen auseinanderzusetzen.“
>> Ihr Blick geht immer nach oben - Hobby Astronomie
Amina liebt an ihrer Schule besonders das Dach. Von ihrem Lieblingsort dort oben, vom Wuppertaler Carl-Fuhlrott-Gymnasium, reicht der Blick über Bauten und Bäume. In der Ferne kann man das Bergische Land erahnen. Doch nicht der Aussicht wegen ist die Zehnjährige gerne hier. Ihr Blick richtet sich ausschließlich nach oben.
„Planeten, Sterne, Galaxien. Das alles hat mich schon als kleines Kind begeistert“, erzählt sie. „Weil das Weltall unendlich weit geht und es unendlich viele Planeten, Sterne und Galaxien gibt.“ Hier auf dem Flachdach der Schule gibt es eine Sternwarte, sechs kleinere Teleskope und ein großes, die ihr dabei helfen, diese Weiten zu erforschen.
Im Keller beherbergt das Gymnasium sogar ein kleines Planetarium und außerdem gibt es eine astronomische Fachbibliothek. „Die Bücher habe ich fast alle schon durchgelesen“, erzählt Amina, die sich auch für Mathematik und Physik interessiert. Im vergangenen Schuljahr nahm sie an der Astronomie-AG ihrer Schule und an diversen offenen Astronomie-Abenden teil.
Führung zur Sonnenfinsternis
Als die Sternwarte Anfang Juni zur Beobachtung der Sonnenfinsternis einlud, betreute sie sogar eine der Besucher-Stationen. „Amina ist ausgesprochen interessiert an Astronomie“, bekräftigt auch Michael Winkhaus, Lehrer für Mathematik und Physik an dem Gymnasium, Astronom und Leiter der Schulsternwarte. „Sie ist ein wahnsinnig tolles, interessiertes Mädchen.“
Den Funken für Aminas Begeisterung entfachte ihr Onkel, der in der Heimat der Familie, im Irak, als Professor für Astrophysik tätig ist. Den hätte sie gerne öfter um sich, damit er ihr mehr über das Sternenleuchten, die Asteroiden oder die Sternenbilder erzählen kann. Besonders gerne erinnert sie sich an eine Nacht, als sie gemeinsam mit ihren Eltern die Sternwarte besuchte. „Da haben wir superviele Sterne gesehen, das war einmalig und hat mich am meisten begeistert“, erinnert sie sich. „Ich wäre gerne einfach eine von denen, die das Weltall erforschen und neue Welten entdecken.“
Das Wuppertaler Carl-Fuhlrott-Gymnasium ist eine der wenigen Schulen in NRW mit eigener Sternwarte. Es werden wieder „Offene Treffen“ angeboten. Weitere Infos: schuelerlabor-astronomie.de
>> Kein Hindernis ist ihr zu hoch – Hobby Hindernislauf
Finja liebt Sport. Sie mag es sehr, sich zu bewegen, sich auszupowern. Die 15-Jährige sagt: „Es fühlt sich irgendwie gut an, dass man etwas kann, das andere nicht können.“
Eigentlich wirkt Finja schüchtern, eher still. Wenn sie aber auf dem Bochumer Crosstrail-Gelände unterwegs ist, ist sie selbstsicher. Scheinbar mühelos bewegt sich Finja schwingend und springend zwischen herabhängenden Stangen und baumelnden Seilen, greift Schlaufen, hangelt sich von einem Ring zum nächsten. Crossfit nennt sich der Sport, den sie in ihrer Freizeit betreibt. „Seit ich einmal Ninja Warriors im Fernsehen gesehen habe, wollte ich sowas auch machen. Ich würde auch gerne an so einem Wettkampf teilnehmen“, erzählt sie von der Show, bei der Kandidaten einen Hindernisparcours bewältigen müssen: Hangeln, Springen, Klettern.
Seit 2017 am Ümminger See in Bochum die Crosstrail-Anlage eröffnet hat, geht Finja regelmäßig hin. Hier gilt es, bis zu 44 verschiedene Hindernisse zu überwinden, mal muss Finja über einen Holzbalken balancieren, dann eine fast senkrechte Wand überwinden. Gefragt sind Kraft, Ausdauer und auch Körperbeherrschung. Belohnt wird man mit dem guten Gefühl, ein Hindernis bewältigt zu haben.
Ihr Leben besteht aus Sport
Aber auch vor ihrem Hindernislauf mochte Finja nicht still sitzen. „Es gibt keinen Sport, den sie noch nicht ausprobiert hat“, erzählt Vater Thomas Elscheid. „Ihr Leben besteht quasi aus Sport.“
Mit fünf Jahren begann sie bei den Fußballminis. Parallel spielte sie Wasserball, bis sie sich irgendwann entscheiden musste. Jetzt ist Finja im Nationalkader und trainiert mit ihrer Wasserballmannschaft für Olympia. „Die Mädchen im Fußball sind oft einfach nicht so gut“, meint sie.
„Das hier ist mal was anderes, bei dem man sich wirklich anstrengen kann“, sagt Finja auf der Crosstrail-Anlage. „Zurücklehnen und lesen ist irgendwie nichts für mich. Ich möchte irgendwie immer in Bewegung sein.“ Sogar im Urlaub mit der Familie verzichtet sie nicht auf das gute Körpergefühl. Dann steht sie morgens extra früh auf, um erst einmal eine Runde zu joggen.
Die Crosstrail-Anlage, Ümminger See 6 in Bochum, ist unter Corona-Regeln geöffnet. Anmeldung für freies Training (90 Min. 15 €) oder Kurse, auch Einsteigerworkshops: crosstrails.de
>> Auf der Bühne werden leise Mädchen laut - Hobby Theater
Lehma liebt Plüschschals und Federboas. Damit fühlt sie sich nicht nur schick, sondern wie ein ganz anderer Mensch. Dann fällt es ihr leicht, eine Prinzessin zu sein oder ein Star – und Theater zu spielen.
Bei ihr zu Hause steht ein Koffer voller Kostüme und alter Kleider. Damit verwandelt sie sich schnell in eine feine Dame. „Mir macht es einfach Spaß, in eine Rolle zu schlüpfen und ganz ohne festen Text spontan etwas zu spielen“, erzählt die Neunjährige.
„Im Kindergarten habe ich gemerkt, dass Theaterspielen Freude bringt.“ In mehreren kleinen Stücken, die zur Weihnachtsfeier oder beim Sommerfest aufgeführt wurden, hatte sie die Hauptrolle. „Da ist sie richtig aufgeblüht“, wirft Mutter Betül Sahin ein.
Andere Welten, andere Realitäten, andere Geschichten: Auch mit Freundinnen verkleidet sich Lehma gerne und erfindet Handlungen, Rollenspiele. Magische Tiere kommen meist in den erdachten Geschichten vor. Auch eine Erzählung hat sie schon mal geschrieben.
Einmal ein anderer Mensch sein
Als Lehma nach langer Wartezeit – erst war die Nachfrage groß, dann kam Corona – endlich einen Platz in einer der Schauspielgruppen, den Bochumer „Banden“, bekam, war sie voll in ihrem Element: Sie konnte spontan sein, verschiedene Gefühle auf der Bühne ausleben, einen anderen Charakter ausfüllen. „Beim Theaterspielen kann man jemand sein, der man sonst nicht ist“, sagt Lehma auf eine leise, fast schüchterne, zurückhaltende Art.
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Lehma hat viele Hobbys: Reiten, Schwimmen, Turnen und Klavier zählt sie auf. Aber der Schauspielkurs war schon etwas ganz Besonderes. „Ich wollte Lehma das Theaterspielen ermöglichen, weil ich gesehen habe, dass sie sich dadurch besser entfalten kann“, sagt die Mutter Betül Sahin. „Das Theaterspiel steigert ihr Selbstwertgefühl.“
Die so genannten „Banden“ sind eine Initiative des Jungen Schauspielhauses Bochum. Aktuell laufen die Planungen für neue „Banden“. Die Kosten pro Bande betragen 30 €, bei der Tanztheater-Bande 60 €. Es gibt unterschiedliche Altersklassen. Weitere Infos unter theaterrevier.de/bildet-banden