Dortmund. Es gibt immer mehr und immer größere Schwimmbecken in Gärten – zum Ärger der Nachbarn. In Dortmund droht den Pools in Kleingärten sogar das Aus.
Es ist eines der schönsten Sommergeräusche, wenn kleine Füße bei Hitze in kühles Wasser tauchen und die Kinder nicht wissen, ob sie vor Freude lachen oder vor Überraschung schreien sollen. Der Nachbar, der sich mit der Zeitung auf die Liege legen wollte, mag das Geräusch als nicht so schön empfinden. Insbesondere, wenn auch noch Wasserpistolen ins Spiel kommen – „Gleich heult einer.“
Immer mehr Gärten verwandeln sich in Wasserlandschaften. Neben Planschbecken stehen große, in denen die ganze Familie Platz hat. Zunehmend beliebter wird auch ein blubberndes Bad im Whirlpool – das gefällt sogar im Winter. Über zwei Millionen Außenpools und Aufstellbecken in heimischen Gärten gab es im vergangenen Jahr in Deutschland, so der Bundesverband „Schwimmbad & Wellness“. Da sind die aufblasbaren Becken, die es im Baumarkt oder Discounter gibt, noch gar nicht mitgezählt.
Bereits seit sechs Jahren sei der Trend spürbar, so der Verbandssprecher Dieter Rangol, dass Menschen es sich zu Hause schön machen: neue Terrasse, aufwendige Grillanlage oder eben ein Swimmingpool. „2020 kam noch mal ein Schub dazu“, so der 66-Jährige. Wegen Corona gab es Freizeit und Urlaub meist nur zu Hause, so wurde Geld, das etwa für Reisen gedacht war, in Pools versenkt.
Ist der Pool zu groß, droht die Kündigung
Immer mehr Pools bedeuten aber auch immer mehr Ärger – etwa über Lärm, nicht nur von Planschenden, auch von Pumpen. Der Streit um die Pools spitzt sich nun zu: Dem Stadtverband Dortmunder Gartenvereine, zu dem 191 Anlagen gehören, reichte es im vergangenen Jahr. In den rund 8200 Kleingärten, die ja eigentlich dazu da seien, dass man in ihnen gärtnert, reihte sich Pool an Pool. Schluss damit! Fortan seien nur noch Planschbecken erlaubt. Die Pools seien abzubauen – sonst drohe die Kündigung.
Viele Kleingärtner waren fassungslos: „Ich habe seit 2013 meinen Garten – und seit 2013 habe ich in diesem Garten einen Pool stehen“, so Melanie Froese vom Gartenverein „Zur Sonnenseite“. Und ausgerechnet im vergangenen Sommer, als wegen Corona Bäder und Tierparks geschlossen waren, drohte das Verbot. Die Mutter von elfjährigen Zwillingen und einem 15-Jährigen sagt: „Soll ich die drei zusammen in ein Planschbecken setzen? Das mache ich nicht.“ Für die 44-Jährige steht fest: „Ich wehre mich!“
Ärger über wenige Wochen Badespaß im Sommer
Auch Roland Fröhling, Vorsitzender des Vereins, betont, es ginge ja nur um drei Monate: „Juni, Juli, August.“ Danach würde sich in Deutschland eh keiner mehr in den Pool setzen. „Wir sind im Dortmunder Norden“, sagt der 50-Jährige. „Wir haben Familien, die können sich nicht jeden Tag drei Euro Eintritt fürs Freibad leisten.“ Dass ein Garten nur zur Selbstversorgung diene, sei ein Denken aus der Nachkriegszeit. Heute sei er auch für die Erholung da.
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Aufgefallen sei die Anlage mit 101 Parzellen, zu der 68 Kinder gehören, wegen zwei übergroßer Becken – „da kann man einen Köpper reinmachen.“ Bei den Pool-Giganten muss auch Froese den Kopf schütteln: „Ich habe einen Pool mit einem aufblasbaren Ring, da fülle ich Wasser rein, dann steht er von alleine.“ Sie hat ihn diesen Sommer wieder aufgestellt.
Protest kommt auch aus Hagen, Duisburg, Gelsenkirchen
Froese startete eine Petition, die Menschen im Internet unterzeichnen können. Über 1000 Leute haben das bereits. Nicht nur Kleingärtner aus Dortmund beschweren sich über das Verbot. Mittlerweile kommt Protest aus Hagen, Gelsenkirchen, Duisburg. Und außerhalb von NRW. In Hannover plant man zum Beispiel ganz konkret ein Verbot ab 2022. „Überall sind die jetzt da hinterher“, sagt Froese. „Ich glaube, es geht nur darum, dass Kinder dann zu laut sind. Und der Rest will seine Ruhe haben“, schreibt Joanna Baukrowitz aus Dortmund auf der Petitionsseite.
„Bei allen Beschwerden, die hier bei uns wegen der Pools eingegangen sind, ging es nicht um die Kinder“, sagt Frank Gerber (43) vom Stadtverband Dortmunder Gartenvereine, „sondern dass da abends die Saufpartys von den Erwachsenen drin sind – bis spät in die Nacht.“ Aber das sei nicht der einzige Grund, warum man Pools aus den Kleingärten verbannen möchte. Der riesige Verbrauch von Trinkwasser sei bei den Dürre-Sommern mit Wasserknappheit in manchen Städten nicht zeitgemäß. Insbesondere wenn es nicht mehr zum Gießen genutzt werden könnte, weil etwa Chlor hinzugesetzt wurde.
Kleingärtner zahlen geringe Gebühren
„Wir haben eine Sandfilterpumpe“, versteht Froese auch dieses Argument nicht. Selbst wenn sie Chlor nehmen würde, käme das natürlich nicht auf die Beete. Aber laut Gerber sind nicht alle Anlagen an die Kanalisation angeschlossen. Außerdem sei mit dem Steueramt geregelt, dass Kleingärtner nur für zwölf Prozent ihres Wasserverbrauchs Abwassergebühren bezahlen müssen. Dies sei nicht mehr zu halten, wenn das Abwasser aus den Pools hinzukäme.
Zudem seien niedrige Pachtpreise nur möglich, weil die Kleingärtner sich verpflichtet hätten, ein Drittel ihrer Fläche als Grabeland zu bewirtschaften. Daher seien die Preise vergleichbar mit denen für den Obst- und Gemüseanbau, so der Bereichsleiter „Generalpachtvertrag“ beim Verband. Würden die Gärten als reine Freizeitgärten gelten, wäre das nicht mehr möglich: „Dann nimmt man nicht mehr 30 Cent pro Quadratmeter im Jahr, sondern 3 Euro.“
Bisher wurde noch keinem Kleingärtner mit Pool gekündigt. Aber aufgrund der Hinweise in einem Praktikerkommentar zum Bundeskleingartengesetz wäre dies juristisch möglich, meint Gerber.
Eine Entscheidung über das Pool-Verbot steht noch aus
Noch ist die Situation in Dortmund in der Schwebe. Man erarbeite zurzeit an einer neuen Satzung, der Entwurf werde derzeit von Anwälten geprüft, damit er wasserdicht sei. Danach würden die Delegierten der Vereine darüber abstimmen. Gerber rechnet frühestens im August mit einer Entscheidung.
„Wir gehen nicht auf Patrouille, aber wenn ich einen Ortstermin habe und sehe ein 15-Kubikmeter-Ding, würde ich das ansprechen“, so Gerber. Er hofft, dass der Kompromiss durchkommt, der in Ostdeutschland in einer Landesgartenordnung stehe: drei Kubikmeter Volumen. „Das entspricht beim runden Pool ungefähr zweieinhalb Meter Durchmesser“, so Gerber. „Das würde immer noch dem durchschnittlichen Wasserverbrauch einer Person für 20 Tage entsprechen.“
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Froeses Pool ist größer: „3 Meter 66 Durchmesser.“ Sie behalte ihn. „Ich werde es definitiv darauf ankommen lassen.“ Dagegen dürfte Fröhling im aufblasbaren Whirlpool weiter blubbern. Durchmesser: 1,80 Meter.
Der Kleingärtner versteht die Aufregung nicht, auch nicht über Lärmbelästigung. „Das Menschliche muss wieder im Vordergrund stehen und nicht nur Verbote, Verbote, Verbote.“ Ob in der Gartenanlage oder in der Reihenhaussiedlung, alles sei eine Frage der Rücksicht, so Fröhling: „Wenn bei meiner Nachbarin die Schwiegermutter zu Besuch ist, drehe ich ja auch nicht die Musik auf.“