Essen. Patchworkfamilie aus der Sicht von Großeltern: Monika Bockting hat ihre Stiefenkel so sehr ins Herz geschlossen, als wären sie ihre eigenen.

Monika Bockting stand am Rand der Rennstrecke und feuerte den Jungen an: „Matthias!!!“ Und was machte der Sechsjährige? Der sauste derart schnell auf seinen Ski den Hügel hinab und durchs Ziel, dass er später auf das höchste Siegertreppchen steigen durfte – in der Hand hielt er den Pokal. Da war der Junge stolz. Und die Oma auch. Dabei ist Monika Bockting gar nicht Matthias’ richtige Oma, sie ist die Stomi, die Stiefomi.

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Omas und Opas erzählen.
Von Verena Barton-Andrews, Georg Howahl, Maren Schürmann

Ihren Mann Gerd (79) lernte sie bereits vor der Geburt von Matthias kennen. Seit 2006 sind sie verheiratet. Die erste Frau ihres Mannes war verstorben. Nun war sie die Neue. Wie würden seine Tochter, sein Sohn reagieren? „Da hat man ja ein bisschen Angst“, erinnert sich die 71-Jährige. „Aber sie haben mich sofort sehr gut aufgenommen.“

Für die Stiefkinder ist sie mehr Freundin als Mutter

Die Kinder waren ja auch keine Kinder mehr. Groß waren sie, erwachsen. Und Monika Bockting ist für sie… Sie überlegt, ja was ist sie? Eine Mutter? „Nein, eher eine Freundin“, sagt die Essenerin, die selbst einen Sohn aus erster Ehe hat: Dennis.

Mit ihm, der Stieftochter, deren Mann und Sohn sowie der Tochter des Stiefsohns war das Paar Bockting vor zwei Jahren in Südtirol im Schnee. Und die Jüngste der mittlerweile vier Enkelkinder, Mathilde, wollte von ihnen wissen, wie sie denn nun alle miteinander verwandt seien. Und da fiel der Familie auf, dass die Begriffe für Patchworkverwandte fehlen.

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Dennis machte den Anfang: „Ich bin ja euer Onkel, also eigentlich euer Stiefonkel“, erinnert sich Monika Bockting an die Idee ihres Sohnes, das Ganze zu verkürzen: „Ich bin euer Stonkel.“ Das Gelächter war groß. Und schon waren noch mehr Worte erfunden: der Stenkel und die Stomi. „Und du bist der Stopi?“, fragte die achtjährige Mathilde. Aber nein, Gerd Bockting ist natürlich der Opi. Gar nicht so leicht, da den Überblick zu behalten.

Dass ihr Sohn keine eigenen Kinder hat, findet Monika Bockting schade. Es wäre doch schön, eigene Enkel zu haben, gibt sie zu. Aber würde das wirklich einen Unterschied machen, würde sie die Enkel anders lieben als ihre Stenkel? „Ich denke nicht.“ Als sie die Kleinen, der Älteste ist mittlerweile 15, das erste Mal im Arm hielt, war es um sie geschehen. Da spielte es keine Rolle, ob sie blutsverwandt sind. „Und ich glaube, dass sie mich auch als ihre Oma ansehen“, ist Monika Bockting überzeugt. „Sie sagen also nicht Stiefoma zu mir, die sagen schon einfach Oma.“

Mit dem großen Stenkel ans Meer

Die Essenerin ist dankbar für ihre vier Stenkel. „Wenn ich keine hätte, fände ich das schon traurig“, sagt Monika Bockting, die mit allen vier nach und nach in den Skiurlaub gefahren ist, oder auch mal in die Niederlande ans Meer. „Ich kenne genug, die keine Enkel haben und die gerne welche hätten. Auch welche, die mehrere Kinder haben und trotzdem keinen Nachwuchs bekommen. Auch deswegen bin ich sehr glücklich darüber.“

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Weihnachten in einer Patchworkfamilie – da reichen die Tage erst recht nicht, um alle Verwandten unter eine Weihnachtsmannmütze zu bekommen. Wobei die Bocktings die Treffen schon seit langem vorverlegen oder nachholen und sich lieber in kleinen Gruppen sehen. „Dann hat man mehr von einander.“

Dieses Jahr ist coronabedingt natürlich alles anders. Ob sie die Familie des Stiefsohns in Mainz wirklich wie geplant besuchen können? Aber wenn nicht, dann packen sie ein Päckchen. Und Monika Bockting hofft, dass sie wie in all den Jahren zuvor auch dieses Mal wieder einen selbst gebastelten Kalender bekommt – mit Bildern von ihren Stenkeln.