Essen. Der Autor Robert Claus hat für sein Buch „Ihr Kampf“ viele Fightnights militanter Neonazis besucht. Er warnt, von ihnen gehe große Gefahr aus.

Robert Claus hat für „Ihr Kampf“ Fightnights in Deutschland und Europa besucht. Er beobachtet eine Professionalisierung der Gewalt und ein wachsendes Kampfsport-Netzwerk militanter Neonazis.

Warum ist es so schwierig, den „Kampf der Nibelungen“ zu verbieten?

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Das große Problem sind zwei Dinge. Zum einen muss eine verbotene Organisation nachgewiesen werden – ein Instagramaccount reicht nicht. Die Köpfe hinter dem Kampf der Nibelungen (KdN) behaupten, dass sie ein loses Netzwerk sind. Und ihnen müsste Verfassungsfeindlichkeit nachgewiesen werden können. Dabei handelt es sich beim KdN um eines der größten bundesweiten Netzwerke an militanten Nazigruppen und extrem rechten Firmen. Staatliche Behörden haben letztlich die Veranstaltungen verboten, nicht aber die Organisation.

Wie groß ist denn die Gefahr, die von dem Netzwerk ausgeht?

Sehr groß. Die rund 120 Kämpfer des KdN bilden die harte Spitze des Eisbergs. Denn ein Großteil der über 12.000 gewaltbereiten Rechtsextremen trainiert Kampfsport und rüstet sich für Gewalttaten. Vor allem werden rechte junge Hooligans rekrutiert.

Aber nicht jeder, der Kampfsport trainiert, will das Erlernte auch auf der Straße anwenden.

Robert Claus hat viele Jahre in der Szene gewaltbereiter, rechter Hooligans recherchiert.
Robert Claus hat viele Jahre in der Szene gewaltbereiter, rechter Hooligans recherchiert. © Christoph Loeffler | Loeffler

Das nicht, aber Neonazis tun es. Kampffähigkeit ist für alle kriminellen und menschenfeindlichen Gruppen interessant. Und der Kampfsportboom in der extremen Rechten erklärt sich auch durch rassistische Debatten, die Parteien wie die AfD befeuern. Sie suggerieren, der „weiße Europäer“ werde von Migration bedroht. Zudem reden wir hier nach Fußball über den zweitgrößten Sportmarkt in Deutschland. Als ich mein Buch geschrieben habe, konnten mir die Behörden nicht sagen, wie viele Gyms es in Deutschland gibt. Der freie Markt macht es schwierig. Wichtig ist, dass in den Clubs die Symbole und Ideologien erkannt werden.

Sie schreiben, dass sich die Neonazis für den Tag X zum politischen Umsturz vorbereiten. Wann soll der denn sein?

Es gibt keine ausgefeilten Pläne, die realistisch sind. Der Tag X wird eher als Metapher verwendet, wie eine Erlösungsgeschichte: Der Tag, an dem man die verhasste Demokratie und den Liberalismus los wird. Das hat eine höchst motivierende Funktion in der Szene: So spielte der Tag X eine Rolle bei den gewalttätigen Ausschreitungen in Chemnitz 2018 und motivierte auch die Gruppe „Revolution Chemnitz“ zu ihrer Idee eines bewaffneten Umsturzes.

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Welche Rolle spielt das Ruhrgebiet in der Szene?

Es gibt eine lange Tradition von Hooligangruppen im Revier. Zwar sind die nicht alle extrem rechts, doch die Szene bleibt der zentrale Rekrutierungsort für Neonazis. Dabei müssen wir verstehen, dass sich Hooligans selbst nicht mehr nur aus den Fußballfanszenen, sondern auch aus dem Kampfsport rekrutieren. Beispiele dafür gibt es in Dortmund, Essen und Oberhausen. Oft gibt es Verbindungen ins Rockerwesen. Es sind geschäftstüchtige Netzwerke der Gewalt. Und sie mischen auch in den Protesten gegen die Coronamaßnahmen mit, wollen politische Krisen für ihre Gewalt zu nutzen.