Bochum. Im Flow vergessen Menschen die Zeit und arbeiten unglaublich produktiv. Doch wie kommen wir dahin? Eine Psychologin gibt fünf einfache Tipps.
Das Handy vibriert, eine neue E-Mail ploppt auf oder ein Arbeitskollege beginnt, eine Geschichte zu erzählen. Nur kleine Störungen – und schon ist die Konzentration weg, obwohl man an einer Aufgabe sitzt und fertig werden will. Den Zustand völliger Konzentration auf eine Aufgabe, in der Wissenschaft Flow genannt, bei dem die Zeit scheinbar wie im Flug vergeht, erreichen nur wenige Menschen bei der Arbeit. Dabei kann man durchaus die Bedingungen schaffen, die einen Flow begünstigen.
„Wenn Menschen ganz tief im Flow sind, kann unter Umständen ein Haus hinter ihnen einstürzen oder jemand an der Haustür klingeln, das kriegen die nicht mit“, sagt Corinna Peifer, 36, Psychologie-Professorin in Lübeck, die lange an der Ruhr-Uni Bochum über den Flow geforscht hat. Sie interessiert, unter welchen Voraussetzungen Personen am Arbeitsplatz in ihrer Tätigkeit aufgehen.
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Flow entsteht, wenn Menschen Aufgaben erledigen, die überwiegend im Bereich zwischen Unter- und Überforderung liegen. Peifer sagt, optimal, um den Zustand zu erreichen, sei eine dynamische Balance: Die Handlung muss unsere Kompetenzen stellenweise ein wenig überschreiten, dann wieder unterschreiten, damit wir uns erholen können. „Der Wechsel zwischen hohen Anforderungen – bis hin zu leichter Überforderung – und dann wieder Erholungsphasen ist optimal.“
Jeder kann Bedingungen schaffen, die einen Flow begünstigen
Als ein völliges Aufgehen im Tun, beschreiben Menschen den Zustand. Eine Handlung geht dann glatt in die andere über. Man ist besonders produktiv und fühlt sich gut. Das englische Wort Flow heißt übersetzt: fließen, im Fluss sein. „Typisch dafür ist, dass Menschen, die ihn hatten, auf die Uhr blicken und fragen: ,Huch, schon so spät?’“, beschreibt Corinna Peifer den besonderen Zustand.
„Der Flow ist eine positive Variante des Stress“, erklärt sie. „Und er ist eine hilfreiche Strategie, um negativem Stress vorzubeugen, der zu chronischen Stress und Burn-out führen kann.“ Krankheiten, die sich seit einigen Jahren in Deutschland häufen. Peifer berichtet, dass sich der Flow vor allem am Arbeitsplatz einstellt, häufiger als im Privaten.
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Noch ist allerdings unklar, wie lange so ein Flow andauert. Die Zeitspanne ist individuell sehr verschieden. Auch welche Bedingungen förderlich sind, sei von Person zu Person anders. „Es gibt kein Patentrezept. Flow stellt sich nicht per Knopfdruck ein“, sagt Corinna Peifer. „Aber jeder kann die Chancen erhöhen, dass es funktioniert.“ Doch wie klappt es? Wie komme ich richtig in einen Arbeitsrausch?
1. Motiviert sein
Zunächst sei regelmäßiges Feedback wichtig. „Leute arbeiten lieber, wenn sie Rückmeldungen und Wertschätzung erfahren. Das fördert den Flow.“ Zwar gebe es in vielen Unternehmen sogenannte Zielvereinbarungsgespräche, aber dann auch nur einmal im Jahr und hinterher halte sich niemand daran. „Besser ist ein regelmäßiger Rhythmus. Bei den Treffen müssen dann Teilziele besprochen werden und die Arbeit der vergangenen Wochen beurteilt werden.“ Klare Ziele vor Augen, fördert den Flow.
Peifer empfiehlt Führungskräften, ihren Mitarbeitern den größeren Sinn der Arbeit und Aufgaben zu verdeutlichen. „Damit die wissen: Warum tue ich das eigentlich? Wozu ist mein Beitrag gut im großen Getriebe?“ Sie erläutert das an einem Beispiel: „Zwei Reinigungskräfte in einem Krankenhaus fassen den Sinn ihrer Arbeit völlig unterschiedlich auf. Eine sagt: ,Ich mache Dreck weg.’ Die andere sagt: ,Ich stelle durch meine Arbeit die Hygiene im Haus sicher, das ist eine wichtige Voraussetzung, damit Patienten wieder gesund werden.’“ So entsteht laut der Psychologin Motivation.
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2. Dranbleiben
Förderlich ist es auch, komplexe Herausforderungen unter Zeitdruck zu bewältigen. Wenn man vorher denkt: Das wird jetzt schwierig, ich kann es aber schaffen. „Der erfahrene Klavierspieler, der ein schwieriges Stück fehlerfrei durchspielt, erreicht den Zustand eher als der Anfänger“, sagt Peifer. Sie nennt das Expertise-Effekt. Er ist auch der Grund dafür, dass Menschen eher am Arbeitsplatz in den Flow kommen, denn dort sind die Anforderungen an Tätigkeiten meistens höher als beispielsweise bei der Küchenarbeit.
Zudem sind Menschen beim Job häufig unter Stress. Wenn sie wissen, dass sie fertig werden müssen, sitzen sie ausdauernder am Schreibtisch. Und disziplinieren sich, dran zu bleiben, auch wenn es besonders anfangs Überwindung kostet. „ Viele Menschen kommen leicht in den Flow, wenn sie unter Zeitdruck arbeiten, um eine Deadline einzuhalten“, sagt Peifer. Studierende etwa, die in den letzten Zügen ihrer Masterarbeit stecken, kennen das.
3. Pausen einlegen
Doch genauso wichtig wie hohe Anforderungen und Durchhaltevermögen ist: Erholung. Laut Peifer sollten Menschen nach intensivem Arbeiten Pausen einlegen, etwa mit dem Hund raus gehen oder Aufgaben erledigen, die weniger komplex sind, zum Beispiel kopieren. Danach sei es einfacher, sich wieder zu fokussieren. Besonders nach Feierabend sollte man wirklich abschalten. Nur wenn man erholt und ausgeschlafen ist, kann man mit voller Konzentration arbeiten.
Um sich zu entspannen, sollte man den Dienst-Laptop geschlossen halten und ihn auch nicht öffnen, um noch kurz eine Sache für die Arbeit abzuhaken. Besser ist es, eine ToDo-Liste zu schreiben, dann ist es aus dem Kopf. An Tagen, an denen nichts gelingen will, rät Peifer, in sich hineinzuhorchen und zu fragen: Bin ich gestresst oder träge? „Bei zu hohem Stress helfen Atemübungen, Yoga oder Meditation, bei Trägheit ein kleiner Spaziergang.“ So versetze man den Körper in einen Zustand, der den Flow wieder begünstigt.
4. Freiräume schaffen
Eine gewisse Freiheit im Tun fördert das Flow-Erleben. Die Führungskraft sollte nicht jeden Schritt vorgeben, sondern nur das Ziel definieren und die Mitarbeiter selbst entscheiden lassen, wie sie es erreichen. Sie sollten auch frei bestimmen können, wann sie Pausen machen und wann sie woran arbeiten. „Viele können sich am besten vormittags konzentrieren“, sagt Peifer. Auf der anderen Seite verunsichert zu viel Freiheit auch. „Da weiß man vielleicht nicht, was überhaupt verlangt wird.“
5. Ruhe am Arbeitsplatz
Zwar kann das Haus einstürzen, ohne dass man es mitbekommt, wenn man einmal im Rausch ist. Doch auf dem Weg dorthin braucht man Ruhe. Peifer empfiehlt daher zeitweise E-Mail-Benachrichtigungen auszuschalten, den Flugmodus beim Smartphone zu aktivieren und Kollegen freundlich zu bitten, einen nicht anzusprechen. „Jede Störung bringt einen raus.“