Essen. Vom Suchen und Finden der Ruhr-Kultur: Im Wimmelbuch „Unterwegs im Ruhrgebiet“ geht der gewitzte Blick statt Glückauf-Folklore in die Zukunft.
Von einem Buch mit zehn Seiten darf man nicht unbedingt unbegrenztes Lesevergnügen erwarten. Wenn es sich um ein Bilderbuch handelt, schon eher. Und wenn es so richtig wuselt wie das neue große Wimmelbuch der Ruhr-Kultur, dann will man es sowieso immer wieder zur Hand nehmen oder am besten gar nicht weglegen – weil sich hier einfach immer wieder etwas Neues entdecken lässt.
Trotz Corona-Ausfall: Extraschicht und Bundespräsident sind dabei
„Unterwegs im Ruhrgebiet“ ist so ein Hingucker. Oder wie es auf einer Illustration heißt: Dat hat wat! Wovon es erfreulich wenig hat: Glückauf-Folklore. „Wir haben den Bergbau eher in der Form der Industriekultur gewürdigt“, wollte Herausgeberin Melanie Kemner (38) lieber in die Zukunft blicken. Das wird deutlich in abgebildeten Projekten wie der Internationalen Gartenschau (2027) oder dem Radschnellweg Ruhr (Sternenzeit). „Wir wollen ja auch aktuell bleiben“, sagt die Essenerin und fügt lächelnd hinzu: „und optimistisch“.
Wie schnell sich die Zeitenläufe ändern können, erleben wir gerade mit der Corona-Krise. So wird der langen Nacht der Industriekultur eine funkensprühende Doppelseite gewidmet, dabei fällt ausgerechnet die 20. „Extraschicht“ doch flach...
„Kein Problem“, findet Melanie Kemner – das sei ja eine Institution und werde wiederkommen. Und Frank-Walter Steinmeier, der dem Regionalverband zum 100-Jährigen seine Aufwartung macht (im Buch jedenfalls – in echt fiel auch dieser Besuch dem Virus zum Opfer)... „Na, gratuliert haben wird der Bundespräsident doch wohl trotzdem.“
Dieser Humor zieht sich auch durch das Pott-Panoptikum, selbst wenn mit Darstellungen wie vom Ruhrparlament oder der Revierrad-Station hier und da das Pflichtenheft ebenfalls erfüllt sein will. Aber der Radler, der der Radlerin formvollendet niederknieend einen Antrag macht mit Fahrradklingel als Verlobungsring oder das Ruderboot auf der Ruhr getauft auf den Namen „Graf Koks“, ja, dat hat wat.
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Man mag mäkeln, dass es ein wenig viel Kirche (und der Papst war auch schon da) und ein wenig wenig Fußball gibt. Aber das Kicken gehört bei uns zur Religion und der Heilige Aloisius ist im Kirchenfenster auf Schalke schließlich mit blau-weißen Stutzen und Lederkugel zu entdecken. Um Wimmels Willen!
Zudem ist dies die Kulturseite – und die wird gewürdigt mit Ruhrtriennale oder Emscherkunst, spannt auch den Bogen von IBA bis IGA mit der Kulturhauptstadt mittendrin – finde das gelbe Schachtzeichen! Das letzte Suchbuch seiner Art hatte übrigens noch das Still-Leben auf der A40 zum Titel. Schon für RUHR.2010 ließ Melanie Kemner Bilderwelten entstehen. Diesen nun könnten weitere entspringen: über Halden, Parks und Gärten etwa. Genug zu sehen gibt’s. Manchmal muss man genau hingucken: In einem Motiv ist Töchterchen Clara (bald 3) verewigt, die sich auch noch selbst verwirklichen konnte – der Regenbogen als schönes Symbol der Solidarität war ihr Wunsch.
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Symbole und Spiegeleier
Schlüssel hat er oft versteckt, der Zeichner und Grafiker Jesse Kraus (39): „Ein altes und universelles Symbol für den Weg der Erkenntnis.“ Die Spiegeleier hingegen „haben einfach eine schöne Form“, sind nicht etwa heimliche „Easter Eggs“ wie bei den Programmierern, wenn die Gimmicks in Computerspielen verstecken. Überraschungen gibt es trotzdem im Wimmelbuch „Unterwegs im Ruhrgebiet“ (16,95 Euro, Klartext Junior) – z.B. in Gestalt von Kinderhelden wie Pan Tau, dem Kleinen Prinzen, der Maulwurf von der Maus oder Loriots Knollennasenmännchen. Mehr auf wimmelbuch.ruhr
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