Essen. Der Regionalverband Ruhr legt seine Jubiläumsschrift zum 100-jährigen Bestehen vor. Der Festakt fiel Corona-bedingt ins Wasser.
Die große Party wurde abgesagt. 1200 Gäste, darunter der Bundespräsident, mussten wieder ausgeladen werden: Sein 100-jähriges Bestehen hätte der Regionalverband Ruhr am Montagabend gern ganz groß im Essener Colosseum gefeiert. Doch Corona machte dem Verband, der am 5. Mai 1920 per Beschluss der preußischen Landesversammlung als Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk gegründet wurde, einen kräftigen Strich durch die Rechnung.
Ausstellungen können erst im Herbst eröffnet werden
Der RVR hatte virus-bedingt alle großen Veranstaltungspläne rund ums Jubiläum auf Eis legen müssen. Zwei große Ausstellungen zur Geschichte des Ruhrgebiets in Oberhausen und im Ruhrmuseum auf der Essener Zeche Zollverein können entgegen ursprünglicher Planung wohl frühestens im Herbst eröffnen. Besonders schmerzlich auch das Aus für die populäre „Extraschicht“ und die Schiffsparade auf dem Rhein-Herne-Kanal.
330 Seiten starke Jubiläumsschrift
Immerhin: Die Sache mit dem Buch hat geklappt. Trotz Kurzarbeit in der beauftragten Druckerei wurde die Publikation „Vom Ruhrgebiet zur Metropole Ruhr“ rechtzeitig zur ersten Präsentation in der Essener RVR-Zentrale am Tag des Geburtstages fertig. In den Buchhandel kommt der 330 Seiten starke, reich bebilderte Band (Verlag Jovis Berlin, 45 Euro) freilich erst Ende Mai. Doch wer sich für die Geschichte des Ruhrgebiets, die aktuellen Aufgaben des RVR und die perspektivischen Standpunkte des Verbands interessiert, wird sich sicher leicht in Geduld üben können. Denn das großformatige Buch mit Silberschnitt hat neben den üblichen Grußworten (darunter eins von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet) eine Menge zu bieten und wird mutmaßlich sein Dasein nicht nur als Hingucker in der heimischen Bücherwand fristen.
Spannende Gründungsgeschichte
Der historische Teil etwa beleuchtet die Gründungsgeschichte des Verbandes so umfassend, wie sie noch nie aufgeschrieben wurde, versichern RVR-Regionaldirektorin Karola Geiß-Netthöfel, der Publizist Dieter Nellen sowie der Dortmunder Architekturhistoriker und Städtebauforscher Wolfgang Sonne als Herausgeber. Breiten Raum nimmt auch das Thema „Grüne Infrastruktur“ ein. Schließlich gehörten Erhalt und Pflege der noch heute sichtbaren Grünzüge im Ruhrgebiet schon vor 100 Jahren zu den zentralen Anliegen des Verbandes.
Die unbequemste aller Revier-Fragen: „Metropole Ruhr – Doch nur eine Wunschvorstellung?“
Beleuchtet wird zudem die ambivalente Position des Verbandes als Behörde und als gleichzeitige politischer Repräsentanz des größten deutschen Ballungsraums, dessen Parlament im Oktober erstmals direkt gewählt werden soll. Über die aktuell auch innerhalb des RVR heftig ausgetragene Debatte um den vorerst gescheiterten Regionalplan geht das Buch mit seinem Festschrift-Charakter zwar weitgehend hinweg. Zweifelnde Töne im Refrain des insgesamt vielstimmigen RVR-Selbstvergewisserungschores darf aber Claus Leggewie anschlagen. Der renommierte Politikwissenschaftler und frühere Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen stellt in seinem Essay die unbequemste aller Revier-Fragen: „Metropole Ruhr – Doch nur eine Wunschvorstellung?“