Essen. Kitas und Schulen schließen. Unser Autor hat schon erlebt, dass Corona die Familie abschirmt. Wie lebt es sich, wenn Mama unter Quarantäne steht?
Als die maskierten Männer eintrafen, hatte das Sandmännchen gerade seinen Traumsand verteilt. Und bevor der abendliche Besuch ein Wort darüber verlieren konnte, wie das mit dem Corona-Abstrich bei Mama genau abläuft, empfing sie unser fünfjähriger Sohn mit seinem jüngsten Erfolgserlebnis: „Ich habe einen Zahn verloren!“, prahlte er im Pyjama. „Und der nächste wackelt auch schon.“
Seine zweijährige Schwester dagegen erspähte die Schreckgestalten in Schutzkleidung aus ihrem Gitterbett. Und fing panisch an zu weinen. So lässt sich das Familienleben unter Corona-Verdacht zusammenfassen – Hysterie auf der einen, Coolness auf der anderen Seite.
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Aber wie kamen wir überhaupt in die Situation, eine Verdachtsfamilie zu sein? Meine Frau war mit einer Freundin essen, die sich angesteckt hatte – natürlich, ohne es zu wissen. Fortan bekam sie erst einmal die Ausgangssperre angeordnet. Der Rest der Familie hätte zwar nach gesundheitsamtlicher Einschätzung – und zu unserer Überraschung – normal weiterleben können. Aber Tagesmutter, Kita und Arbeitgeber wollten lieber auf Nummer sicher gehen. Man könnte es Corona-Zwangsurlaub nennen. Wie erklärt man es den Kleinen?
Sonnengelbe Freude über die Zeit daheim
Mein Sohn lernt gerade im Kindergarten, Emotionen mit Farben zu verbinden. „Devin?“, fragte ich ihn während der Ausgangssperre. „Mit welcher Farbe würdest du gerade ein Bild malen?“ Die klare Antwort: „Gelb!“ Vor dem Corona-Frei war es noch ein wütendes Rot. Mit anderen Worten: Selbst für sonst so wissbegierige Dauerfragesteller steht an erster Stelle, dass man zu Hause bleiben darf – nicht der Grund dafür.
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„Devin, deine Mama hat vielleicht eine ansteckende Krankheit, so etwas wie eine starke Erkältung“, versuchte ich ihm zu erklären. „Und wenn sie sich angesteckt hat, gilt das vielleicht auch für uns.“ Keine weiteren Fragen, keine großen Sorgen um Mamas mögliches Leiden – nur sonnengelbe Freude über die Zeit daheim.
Während das Kinderzimmer also ausnahmsweise keiner Pressekonferenz glich, häuften sich die Fragezeichen in den Whatsapp-Gruppen. Die Erwachsenenwelt machte sich ausnahmslos Sorgen, auch Corona-Opfer geworden zu sein und wollte wie im Live-Ticker über aktuelle Entwicklungen in unserem Hause informiert werden. Wir hatten derweil ganz andere Probleme. Wie soll man es schaffen, im Familienalltag dauerhaft Abstand zu Quarantäne-Mama zu halten?
Keine Kuscheleinheiten mit der Eingesperrten
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Anderes Badezimmer nutzen, in getrennten Räumen aufhalten und Mahlzeiten nicht gemeinsam einnehmen – so lauteten die Empfehlungen der Behörden. Utopisch für das Familienchaos auf 80 Quadratmetern, das ohne Gäste-WC auskommen muss. Also spielte sich das Leben meiner mit Gummihandschuhen und Mundschutz bewaffneten Frau für mehrere Tage auf einer Hälfte unserer Eck-Couch ab. Höchstens etwas gemütlicher als ein Transportkäfig für Haustiere.
Natürlich gab es sie, die vereinzelten Klagen über verbotene Kuscheleinheiten mit der Eingesperrten. Aber die Kinder haben es überraschenderweise gut verstanden, dass das Sofa Sperrzone ist – auch wenn sie natürlich, wie üblicherweise, gerne darauf rumgesprungen wären. Viel schwieriger war es, ihnen das Händewaschen nach Musteranleitung einzubläuen. Aber das lernt ganz Deutschland ja gerade neu.
Nicht weiter als bis zum Spielplatz
Während sich der mütterliche Lebensraum also auf zwei Quadratmetern Couch abspielte, sorgte Papa für Haushalt, (verkochtes) Essen und Kinderbetreuung. Obwohl er ja eigentlich Heimarbeit auf dem Laptop leisten wollte. Aber trotz zeitschindender Geheimwaffen wie Fernsehen und Nasch-Pausen lässt sich das Heimbüro eigentlich nur nach kindlicher Nachtruhe so richtig aktivieren. Wie soll man schon Interviews mit den Pressestellen dieser Welt führen, wenn sich die Kinder im Hintergrund mit Bausteinen bombardieren? Arbeit hat auch im Corona-Kosmos nichts zu suchen.
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Also gehörte der Tag Papa und den Kleinen. Theoretisch hätten wir Zoos, Kindermuseen und Indoor-Spielplätze besuchen können – und uns in den dortigen Bälle-Bädern alles neben Corona einfangen können. Die Vorgaben des Gesundheitsamtes hätten es erlaubt. Aber die Eigenverantwortung zwang dann doch dazu, den Kontakt zur Außenwelt maximal auf den Spielplatz vor der Haustür zu begrenzen. Und so ganz hätte man den Kopf ja eh nicht frei für große Ausflüge gehabt – bei dem Corona-Fragenfeuer im Bekanntenkreis und Gedanken an ein mögliches positives Testergebnis.
Und dann kam das Testergebnis
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Denn mit dem wäre die Quarantäne für die gesamte Familie verpflichtend geworden. Und damit selbst die Fahrt mit dem Laufrad um den Block zum kriminellen Vorgang. Unerklärlich, wie das Familien mit kleinen Kindern meistern sollen. Denn irgendwann ist schließlich der letzte Duplo-Stein dreimal verbaut. Der Verdacht bei meiner Frau bestätigte sich zum Glück nicht – die möglichen Corona-Anzeichen in Hals und Magen kamen wohl von der Psyche. Der Unausgeglichenheit im Couch-Käfig. Oder Papas miesem Essen.
„Und in welcher Farbe würdest du jetzt ein Bild malen?“, fragte ich Devin erneut, nachdem wir alle freigelassen wurden. „Ich bin fröhlich, also immer noch gelb!“ Den ersten Tag nach den Ferien fand ich auch immer aufregend.