Düsseldorf. Die NRW-Landesregierung schließt wegen des Coronavirus’ ab der kommenden Woche zunächst bis zum 19. April alle Schulen und Kitas .
Mit dramatischen Worten hat NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Freitag drastische Einschnitte in das gesellschaftliche Leben angekündigt. Wegen des Coronavirus stehe NRW vor der „größten Bewährungsprobe in der Landesgeschichte“, jeder Bürger werde jetzt Opfer bringen müssen, um Ältere und Schwache vor einer Erkrankung zu schützen.
Das Maßnahmenpaket der Landesregierung ist vorerst bis zum 19. April, also bis zum Ende der Osterferien befristet. Es sieht vor, dass ab Montag der Unterrichtsbetrieb in allen Schulen eingestellt wird. Es gibt allerdings in den Schulen noch zwei Tage lang eine Notbetreuung. Danach soll es Notbetreuungen für Kinder in den Klassen 1 bis 6 geben, deren Eltern in Berufen arbeiten, die für die öffentliche Ordnung wichtig sind, zum Beispiel Ärzte, Pfleger, Polizisten, Feuerwehrleute. Lehrer bleiben weiter im Dienst und sollen unter anderem versuchen, Kinder mit Hilfe von digitalen Medien zu unterrichten.
Kitas bleiben geschlossen, Unis öffnen frühestens nach den Osterferien
Ebenfalls ab Montag schließen die Kitas in NRW. Auch hier soll es nur noch wichtige Notbetreuungen geben. Eltern sollten laut dem Ministerpräsidenten möglichst Urlaub nehmen oder Überstunden abbauen, um sich um ihre Kinder kümmern zu können. Keinesfalls aber sollten die Großeltern als Betreuer einspringen, denn die Älteren sind besonders vom Coronavirus gefährdet. Laschet: „Diese Distanzierung zwischen Enkeln und Großeltern bricht jedem das Herz, sie ist aber jetzt notwendig.“
In den Universitäten und Fachhochschulen wird der Vorlesungsbeginn des Sommersemesters bis zum Ende der Osterferien verschoben.
Laschet: Wir brauchen jedes Bett und jede Krankenschwester“
Darüber hinaus sollen alle Operationen, die nicht unbedingt notwendig sind, bis auf Weiteres verschoben werden. „Wir brauchen jetzt jedes Bett und jede Krankenschwester“, sagte Laschet. Besuche in Kliniken und Altenpflegeeinrichtungen würden auf das Nötigste beschränkt, so der Ministerpräsident.
Landeseigene Kultureinrichtungen bleiben mindestens bis zum 19. April geschlossen, Theater und Museen in städtischer Trägerschaft sollen ihren Betrieb ebenfalls einstellen. Das Land verfolgt in erster Linie das Ziel, wichtige Berufsgruppen „arbeitsfähig“ zu halten, zum Beispiel Polizei, Ordnungsbehörden, Justiz, Feuerwehren sowie Krankenhäuser, Pflegeheime und Arztpraxen. Mitarbeiter in behörden sollten aber möglichst mobil arbeiten und nicht unbedingt im Büro.
Bürger sollten menschlich handeln und solidarisch bleiben
Das „heimtückische“ Coronavirus stelle für die Bevölkerung in NRW eine „ernste und komplexe Bedrohung“ dar, die ein bis zwei Jahre andauern und mit Solidarität und Konsequenz bekämpft werden könne, sagte Laschet. Eine große Zahl der Bürger könnte sich mit dem Virus infizieren, die Epidemie komme möglicherweise in mehreren Wellen. Es dürfe auch in dieser schwierigen Situation keinen „Rückzug der Menschlichkeit“ geben. Laschets Appell: „Meiden Sie Kontakte und unnötige Reisen und zeigen Sie sich solidarisch.“
Zuvor hatten bereits mehrere andere Bundesländer, darunter Bayern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Berlin, ähnliche Pläne angekündigt und ihre Schulen geschlossen.
Der Druck auf die Landesregierung war bereits am Donnerstag immer stärker geworden. Neben politischen Forderungen aus NRW, diesen Schritt konsequent zu tun, schafften da bereits mehrere europäische Nachbarn Tatsachen. Als zweites skandinavisches Land nach Dänemark schließt Norwegen wegen der Coronavirus-Krise seine Bildungseinrichtungen. Schulen und Kindergärten bleiben vorerst auch in Irland und Polen zu.
Serdar Yüksel (SPD) forderte unterdessen als erster Landtagsabgeordnete die Landesregierung auf, sofort alle Kitas, Schulen und Universitäten in NRW zu schließen. Anders sei die Ausbreitung des Coronavirus nicht mehr, wie gewünscht, zu verlangsamen. „Wir werden in der kommenden Woche in einer anderen Republik leben als heute“, sagte Yüksel im Landtag. „Herr Minister Laumann, ich kann Sie daher nur bitten und ermahnen: Schließen Sie die Kindergärten, die Schulen und die Universitäten, um die Infektionsketten zu verlangsamen und zu unterbrechen.“
„Schulschließungen dürfen kein Tabu sein“
In ein paar Tagen dürfte es dafür schon zu spät sein. Man könne das Thema Schulschließung nicht allein den Gesundheitsämtern vor Ort überlassen, sagte der Wattenscheider, der selbst als Intensivpfleger in einer Klinik im Ruhrgebiet gearbeitet hat. Der Virologe Christian Drosten habe laut Yüksel die Corona-Gefahr mit einem Grill und einem Heuballen verglichen. Die Funken des Grills versuchten auf den Heuballen überzutreten. „Jetzt können wir die Funken noch austreten“, so Yüksel.
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„Schulschließungen dürfen kein Tabu sein“, hatten am Donnerstag auch die drei größten Lehrerorganisationen in NRW erklärt: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Verband Bildung und Erziehung (VBE) und Philologenverband. „Unsere Schulleiter sind weder Juristen noch Virologen. Schulträger und Gesundheitsbehörden entscheiden, ob eine Schule geschlossen werden muss. Im Notfall dürfte die Schulleitung eine Schule schließen. Hierfür brauchen die Schulleiter Handlungssicherheit und Beratung“, sagte GEW-Landeschefin Maike Finnern.
Lehrkräfte sollten geschützt werden
Stefan Behlau, Vorsitzender des VBE NRW, sagte da: „Das Land NRW als Arbeitgeber muss Lehrkräfte bestmöglich schützen. Sie sorgen sich natürlich um ihre persönliche Gesundheit und die ihrer Familie.“
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Die Gewerkschaften verlangen unter anderem, die „sanitären Mängel“ an vielen Schulen zu beheben. Vielerorts fehlten Seife, Desinfektionsmittel und Einmalhandtücher. Die drei Vorsitzenden erwarten von der Kultusministerkonferenz außerdem klare Entscheidungen zur Sicherstellung der Durchführung des Abiturs und der zentralen Prüfungen.
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Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) haben die landesweite Schließung von Kitas, Schulen und Universitäten bislang abgelehnt.