Essen. Unterrichtsstoff wie Glück und Erfolg, das fordert Joyce Ilg in ihrem Buch. Darin gibt die Schauspielerin Nachhilfe in lebenswichtigen Themen.
13 Jahre Schule bis zum Abitur. Man möchte meinen, das wäre genug Zeit, um alles Wichtige zu lernen. Schauspielerin und Komikerin Joyce Ilg bezweifelt das. Zusammen mit „Chris Halb12“, mit dem sie Videos für YouTube dreht, hat sie ein Buch geschrieben: „Hätte ich das mal früher gewusst! Was man wirklich im Leben braucht, aber in der Schule nicht lernt.“ Maren Schürmann sprach mit der 36-Jährigen über neuen Stoff für den Unterricht und das Fach „Glück“.
Haben Sie sich eigentlich morgens zur Schule gequält?
Joyce Ilg Ich fand es natürlich gut, dass man jeden Tag mit seinen Freunden Zeit verbracht hat und ich hatte natürlich auch ein paar sehr gute Lehrer, bei denen ich gerne in den Unterricht gegangen bin: Ich fand Mathe und Kunst gut und Englisch, weil es fürs spätere Leben wichtig ist. Aber es gab auch Sachen, die ich total doof fand.
An welche Sachen denken Sie da? Als Erwachsene rechnen Sie ja nun mit der Schule ab.
Es gibt viele Baustellen, wo man ansetzen könnte. Das Buch haben Chris und ich geschrieben, weil wir inhaltlich ansetzen wollten. Da könnte man anfangen, dass man erstmal Sachen aussortiert im Unterricht, die nicht so eine Relevanz fürs spätere Leben haben. Natürlich sollte man in Erdkunde und Biologie Dinge über den Menschen und sich selber lernen, aber das geht ab einem gewissen Punkt teilweise so in die Tiefe, dass man sich fragt: Wofür lerne ich das denn jetzt? Das brauche ich doch nie wieder.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Wenn ein Kind eine Schwäche in Mathe hat, dann ist es trotzdem wichtig, dass es Prozentrechnung lernt und einen Dreisatz, aber ab einem bestimmten Punkt weiß dieses Kind: Das nützt mir nichts und das werde ich später niemals mehr brauchen. Man sollte die Grundlagen unterrichten und dann später bei den tiefergehenden Sachen die Kinder je nach ihren Schwächen und Stärken fördern. Dann wäre auch Platz für neue Themen, die wir im Buch haben, die in jedermanns, in jederfraus Leben eine Relevanz haben.
Was braucht man denn im Leben, was man in der Schule nicht lernt?
Im Endeffekt will jeder in seinem Leben glücklich sein und auf persönliche Art erfolgreich. Erfolg kann ja bei jedem etwas anderes sein. Es fehlt oft das Wissen, was für den Weg dahin wichtig ist. Ich glaube, es ist wichtig, dass man sich erstmal mit der Persönlichkeit auseinandersetzt. Wie Menschen denken, handeln und warum sie etwas tun. Das ist die Basis und dann muss man sich das Zwischenmenschliche anschauen, weil jeder von uns wird sein Leben lang mit anderen Menschen in Kontakt sein, ob das privat ist oder beruflich. Wie führt man eigentlich gute Beziehungen? Wie kann man lösungsorientiert kommunizieren? Das würde so vieles im Leben vereinfachen.
Aber nicht immer gibt es für alles eine Lösung. Sie warnen in Ihrem Buch vor den so genannten Energievampiren.
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Ich habe mich lange nicht mit den Energiesaugern auseinandergesetzt – und bin dann selbst in den Sog geraten. Ich habe gemerkt, wenn ich mit dieser Person zusammen bin, dann bin ich immer auf der Hut und vorsichtig, was ich sage, und fühle mich hinterher ausgelaugt. Ich glaube, jeder kennt jemanden, mit dem er mal ein Gespräch hatte und dachte: Puh, das hat mich jetzt irgendwie erschöpft. Wenn man in engem Kontakt mit so einer Person ist, in einer Firma oder in einer WG oder in einer Beziehung: Was das für Auswirkungen haben kann! Da ist es wichtig, das zu reflektieren und sich davon zu lösen, weil es auf Dauer ungesund ist.
Sie finden auch, dass sich junge Leute mehr mit Gesundheit beschäftigen sollten. Dabei gibt es heute doch so viele Ernährungs- und Fitnesstrends.
Veganer-sein oder Fitness-Trends – wenn man zum Beispiel Instagram nimmt, merkt man, dass das weniger mit dem Gedanken der Gesundheit verbunden ist als mit dem guten und fitten Aussehen. Ich weiß nicht, ob die Leute das hinterfragen, oder ob sie eher die ganzen Fitness-Blogger mit ihren tollen Körpern sehen und deswegen auf ihre Ernährung und Sport achten und nicht langfristig wegen ihrer eigenen Gesundheit.
Sie kritisieren in Ihrem Buch nicht nur die Schulthemen, sondern auch die Art, wie man sich den Stoff aneignet?
Ich tausche mich viel mit Eltern, Lehrern und Schülern aus und es scheint immer noch zu sein, wie es bei mir war: Bulimie-Lernen. Die Kinder stopfen den Stoff nur für die Prüfungen in sich hinein. Das führt dazu, dass sie auch die wichtigen Sachen aus dem Unterricht, weil einfach so viel gelernt werden muss, wieder vergessen. Letztlich bleibt nicht viel hängen. Es wird ja auch nicht so viel wiederholt.
Man sollte Ihrer Ansicht nach also weniger lernen, dafür mehrmals das Gleiche?
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Wiederholung hat eine extreme Kraft. Wenn man die wichtigen Basics des Lebens paar Mal wiederholen würde, statt immer weiter zu vertiefen, dann werden die Basics gefestigt für später. Ein Beispiel: Ich bin zwar mittlerweile aus der Kirche ausgetreten, aber ich war früher als Kind viel in der Kirche, da wurden immer die gleichen Lieder gesungen und ich kann das alles noch mitsingen, ich kann immer noch das ,Vater unser’ runterbeten, weil ich es so oft wiederholt habe.
Sie beanstanden auch, dass man in der Schule zu Anpassung und Hierarchiedenken gezwungen wird. Wie könnte man das ändern?
Die Schüler sagen immer wieder: ,Wir trauen uns im Unterricht gar nicht, uns zu melden, weil wir befürchten, etwas Falsches zu sagen. Wir wissen ja nicht immer, ob das richtig ist, was wir denken.’ Schüler haben das Gefühl, dass sie keine Fehler machen dürfen, weil manche Lehrer ziemlich cholerisch reagieren. Und Schüler werden ständig bewertet von den Lehrern. Aber es gibt auch schlechte Lehrer, die nie von den Schülern bewertet werden. Eine gegenseitige Bewertung wäre gut. Damit die Schüler nicht denken: ,Meine Meinung zählt nicht.’
In der Schule lernt man ja wirklich nicht alles, mir fallen da auch ganz praktische Dinge ein, wie Kochen, Steuererklärung machen, Versicherung abschließen, ein Konto anlegen. Warum haben Sie so etwas in Ihrem Buch nicht erwähnt?
Uns geht es darum, die verschiedenen Basics für ein glückliches Leben zu vermitteln und den Lesern die Werkzeuge dafür zu erklären. Vielleicht macht man dazu noch ein zweites Buch mit ein paar praktischen Tipps. Das wäre bei dem ersten Buch zu viel gewesen.
Auf YouTube gehen Sie Dinge mit Humor an. Müsste es auch ein Schulfach „Humor“ geben?
Da habe ich noch gar nicht drüber nachgedacht. Ich finde, es sollte zumindest ein Fach zum Glück geben. Da könnte der Humor eine Rolle spielen. Ich kann supergut über mich selber lachen. Es gibt ja Menschen, die können gut austeilen, aber nicht einstecken. Das hat ja auch viel mit dem eigenen Selbstwert zu tun. Dass man zumindest lernt, sich selber nicht immer so ernst zu nehmen. Das wäre sehr hilfreich für das eigene Selbstbewusstsein.
Zur Person: Joyce Ilg
Die Kölnerin Joyce Ilg hat Fotoingenieurwesen studiert und Schauspielunterricht genommen. Ihre erste Rolle hatte sie in der RTL-Dailysoap „Unter uns“. Die 36-Jährige ist auf YouTube erfolgreich. In ihren Videos zeigt sie Sketche. Ihr Kanal „Joyce“ hat 1,27 Millionen Abonnenten. Sie hat mit Chris Halb12 ein Buch geschrieben. Ihr Sketchpartner hat BWL mit Schwerpunkt Sozialpsychologie studiert.
„Hätte ich das mal früher gewusst! Was man wirklich im Leben braucht, aber in der Schule nicht lernt“, Rowohlt, 300 S., 12 €