Essen. . Sicherheit ist eine Illusion. Sagt Katja Michalek. Die 45-Jährige hat ihren Job als Führungskraft gekündigt – und arbeitet heute als Trainerin.
20 Jahre lang hat Katja Michalek bei einer großen Firma gearbeitet, zuletzt als Führungskraft. Die Stelle gefiel ihr. Aber mit 40 wusste die Essenerin: „Den Job möchte ich nicht bis zur Rente machen.“ Sie entschied sich für eine Ausbildung zur Trainerin und machte sich selbstständig. Redakteurin Maren Schürmann sprach mit der 45-Jährigen über ihren Neustart.
Was war der Impuls zu sagen, ich höre auf?
Katja Michalek: Als die Lufthansa umstrukturierte, wusste ich, dass sich mein Job verändern und mein Verantwortungsbereich stark verkleinern würde. Dann habe ich überlegt: Wenn ich den Job eh nicht mehr ewig machen möchte, kann ich auch jetzt aufhören, solange ich den Zeitpunkt noch mitbestimmen kann. Trotzdem war das eine Herausforderung zu sagen, ich suche mir etwas ganz Neues. Die Jobs in der Airline-Branche sind speziell. Ich wusste ja gar nicht, was meine Fähigkeiten da draußen wert sind.
Wie haben Sie herausgefunden, was Ihnen liegt?
Zur Abfindung gab es noch ein sehr gutes Beratungsangebot zur beruflichen Neuorientierung. Und begeisterungsfähig wie ich bin, sagte ich jedes Mal zu Hause: ,Schatz, ich mache jetzt das und das.’ Und mein Mann: ,Aha? Geh noch mal zurück zu deiner Beraterin und denk noch mal weiter.’ (lacht). Ich hatte viele Ideen. Ich wollte eine Webseite mit Hilfsangeboten für Eltern machen. Ich wollte ein Zentrum gründen, mit Kita und Tagesmutter. Aber dann dachte ich, ich möchte mich nicht immer nur mit Kleinkindern beschäftigen. Meine Kinder werden schließlich auch älter – der Kleine ist jetzt sechs, der Große acht.
Was hat den Ausschlag gegeben?
Ich saß in einem Workshop, der zur Beratung gehörte und dachte plötzlich: Wie cool ist das denn? Das möchte ich auch gerne machen! Da habe ich zu meinem Mann gesagt: ,Schatz, ich werde Trainerin.’ Und mein Mann: ,Das sagst du ja eigentlich schon seit 15 Jahren nach jedem Seminar.’ Da ist es mir erst aufgegangen, dass ich es die ganze Zeit schon vor Augen hatte. Danach ging es dann wirklich schnell.
Sie haben eine Ausbildung zur Trainerin gemacht, zunächst als Bewerbungscoach gearbeitet. Heute halten Sie Vorträge zum Thema Resilienz – wie kam es dazu?
Resilienz ist die mentale Widerstandskraft. Es gibt diesen schönen Spruch: Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten, weitermachen. Was uns befähigt, das zu tun, das ist Resilienz. Wie wichtig sie ist, habe ich bei meinem Mann festgestellt. Er war 30 Jahre lang selbstständig, sehr leistungsorientiert, hat aber nicht auf seine Resilienz geachtet. Darüber ist er schwer krank geworden und schließlich aus dem Job ausgestiegen. Das war zu Beginn meiner Selbstständigkeit. Es ist extrem wichtig, dass man einer Tätigkeit nachgeht, die einem Spaß macht. Dann ist man auch erfolgreich – wie auch immer man selbst Erfolg definiert. Aber es ist genauso wichtig, auf sich selbst zu achten und die eigene Resilienz zu schützen.
Sie wirken elanvoll, selbstbewusst – haben Sie nie schlaflose Nächte?
Der Schwamm als Vorbild
Einen Schwamm kann man zusammendrücken, doch sobald die Hand sich löst und damit der Druck, springt er in seine alte Form zurück. Dieses Phänomen aus der Werkstoffphysik – Resilienz (Lateinisch: resilire = zurückspringen) – überträgt die Psychologie auf Menschen, die eine hohe mentale Widerstandskraft haben und nach Krisen unbeschadet wieder in die alte Form kommen.
Katja Michalek hat dazu Bücher geschrieben: „Nichts ist zu schwer für den, der spinnt – Stärke deine Resilienz und werde erfolgreich und glücklich“ (Punktlandung, 137 S. 19,99 €). Sowie ein Übungsbuch: „Spinn dich stark, Tag für Tag“ (172 S., 19,99 €).
Warum Menschen Krisen meistern, liegt an einem Netz aus trainierbaren Eigenschaften, die laut Katja Michalek zusammen die Resilienz ergeben. Die einzelnen Fäden, die dieses Netz spinnen, sind Optimismus und Impulskontrolle, also das Können, bewusst und nicht aus einem Impuls heraus zu handeln. Die Emotionssteuerung, bei der wir uns von äußeren Faktoren wie Regen nicht herunterziehen lassen. Des Weiteren Zielorientierung, zudem das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sowie das Können, Zusammenhänge zu erkennen und zu reflektieren. Und schließlich Empathie. Nicht nur, um sich in andere einzufühlen – sondern, um sich eigene Fehler zu verzeihen.
Ich schlafe eigentlich grundsätzlich gut (lacht). Ich habe zwischendurch auch Ängste und Unsicherheiten und denke, hoffentlich klappt das alles. Ich habe aber gute Wege gefunden, damit umzugehen. Meine Zielgruppe sind Unternehmerinnen mit Kindern, weil ich mich gut in die Situation hineinfühlen kann. Es funktioniert nicht immer alles so, wie man sich das vorgestellt hat. Manchmal muss man dann einfach lieb mit sich selbst umgehen und es halt morgen noch mal probieren.
Als Sie ganz klein waren, haben Ihre Eltern – ein Lehrer und eine Kindergärtnerin – in Kenia gearbeitet. Wie sehr hat Sie diese Zeit geprägt?
Die Zeit in Nairobi hat mich sehr geprägt, ich war drei, als wir da hingezogen sind. Ich habe tolle Kindheitserinnerungen. Dann sind wir für sechs Jahre zurück nach Essen und danach wieder nach Kenia bis zu meinem Abitur. Diese Wechsel waren schwer. Aber sie hatten den Effekt, dass es mir nie schwer gefallen ist, ganz neu anzufangen.
Es gibt Menschen, die hassen die Veränderung. Denen würde so ein Schritt wesentlich schwerer fallen.
Man muss ja nicht alles radikal ändern, wenn man sich mit seinem Job nicht wohlfühlt. Manchmal kann man auch mit seiner Einstellung beginnen: Möchte ich mich über den Kollegen ärgern, der nie den Kaffee nachkocht, oder möchte ich das nicht? Mit kleinen Schritten anfangen. Zusätzlich kann man die Veränderung selbst anstoßen, indem man interessante Seminare besucht oder inspirierende Bücher liest. Dann schreckt es auch nicht so, wenn von außen eine Veränderung zum Beispiel durch die Digitalisierung kommt. Die wenigsten machen heute noch den Job, den sie einmal gelernt haben. Selbst diejenigen, die Veränderungen fürchten.
Manche glauben, für den radikalen Schnitt seien sie viel zu alt. Und: Einen sicheren Job gibt man ja nicht so schnell auf.
Sicherheit ist eine Illusion. Kaum jemand wird heute bei der Firma in Rente gehen, bei der er mal angefangen hat. Es gibt Menschen, die verdienen gut, sind aber kreuzunglücklich. Sie würden beim radikalen Neustart wahrscheinlich nicht den Lebensstandard aufrechterhalten können und sind deshalb gefangen in ihrem angeblichen Erfolg. Auch dann gibt es Möglichkeiten, sich zum Beispiel nebenher etwas aufzubauen. Wer will, findet auch Wege. Es ist immer nur die Frage: Wie sehr will ich es wirklich?
Sie werden also mit 50 noch mal etwas anderes machen?
Jein. Ich werde als Trainerin tätig sein, weil ich das einfach liebe. Das Tolle ist, ich kann immer wieder andere Dinge hinzunehmen. Ich bin ja auch als Speakerin tätig, halte also Vorträge über Resilienz, ich habe zwei Bücher geschrieben – wer weiß, was mir noch so einfällt (lacht). Warum sollte man mit 50 nicht noch mal durchstarten? Meine Mutter hat sich zweimal neu erfunden. Als wir aus Kenia zurückkamen, hat sie in einem Heim für geistig behinderte Menschen gearbeitet. Und als sie mit 60 in Rente ging, hatte sie keine Lust, zu Hause auf meinen Vater zu warten. Sie hat eine Ausbildung zur medizinischen Fußpflegerin gemacht. Meine Mutter ist jetzt 81 und liebt es immer noch, mit ihrem Köfferchen durch Essen zu fahren und den Menschen die Füße zu machen. Also: Egal, wie alt man ist, es gibt immer Möglichkeiten. Man muss eben die Augen offenhalten. Und ein bisschen mutig sein.