Essen. Warum schaffen wir es oft nicht den “inneren Schweinehund“ zu besiegen? Wir haben Tipps gegen Aufschieberitis und für besseres Zeitmanagement.
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Und wer ist der treueste Begleiter seiner Gewohnheiten? Der „innere Schweinehund“. Sei es im Guten, sei es im Schlechten. Denn wenn wir es im rechten Licht betrachten, haben wir eine Menge erwünschter und nützlicher Gewohnheiten: Wenn wir morgens aufgestanden sind, putzen wir die Zähne, duschen, ziehen uns an, kochen Kaffee und frühstücken, fahren zur Arbeit… Die Liste ließe sich ellenlang fortsetzen. Und doch greifen viele in jeder Pause zur Zigarette, am Abend zum Feierabendbier, finden bei Süßigkeiten und Chips kein Ende, fläzen sich, ohne vorher Bewegung zu haben, auf der Couch – und kriegen beim Fernsehen nicht die Kurve, mal zeitig ins Bett zu gehen.
Wer solche Gewohnheiten loswerden will, steht nicht auf verlorenem Posten, man muss sie aber „verlernen, also alte Muster löschen und neue Muster speichern“, meint Eva Kalbheim (55), Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Die gebürtige Essenerin hat gerade das Buch: „Den inneren Schweinehund bändigen“ in der Reihe „für dummies“ veröffentlicht. Und ehe Sie nun vermuten, dass hier lediglich ein paar Grundlagen für eine gelungene Selbstüberwindung behandelt werden: Die Autorin macht einen Rundumschlag durch Themen wie Aufschieberitis, Zeitmanagement, Achtsamkeit und Stressabbau. Und sie hilft eben auch dabei, mit lästigen Gewohnheiten zu brechen und neue, bessere zu etablieren.
Obwohl Eva Kalbheim selbst gut organisiert ist und strukturiert an ihre Aufgaben herangeht, kennt auch sie ihren persönlichen inneren Schweinehund sehr gut: „Der lauert immer dann, wenn es darum geht, regelmäßig zum Sport zu gehen. Ich weiß genau: Sport tut mir gut! Ich fühle mich besser, ich bin fitter, ich bleibe schlank. Und trotzdem sitzt da mein Schweinehund breit auf dem Sofa. Ich umgehe das, indem ich meine Sporttasche immer schon ins Auto packe, wenn ich zur Arbeit fahre. So dass ich dann direkt vom Job ins Sportstudio fahre. Die Versuchung ist groß: Wenn ich erstmal zu Hause angekommen bin, dann ist es vorbei.“
Aufschieberitis, Zeitmanagement, Achtsamkeit und Stressabbau
Das klingt nach einem recht individuellen Trick, aber Eva Kalbheim gibt keine Patentrezepte, sondern sie rät in jedem Fall dazu, sich selbst genau zu beobachten, das eigene Verhalten zu analysieren – und eigene Ansätze zu finden, wie man das gewünschte Ziel erreicht.
Apropos: Vorsätze und Ziele, wie auch immer geartet, sollten möglichst präzise formuliert sein. Allein ein Satz wie: „Ich sollte mehr Sport treiben“ ist so unscharf formuliert, dass Kalbheim den inneren Schweinhund schon grinsen sieht: „Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie diesen Satz sagen und gemütlich in ihrer Wohnung sitzen bleiben, liegt bei nahezu 100 Prozent.“ Sie schlägt vor, möglichst konkret zu werden: „Ich will dienstags und freitags nach der Arbeit gemeinsam mit Ulrike eine Stunde im Stadtwald joggen, egal wie das Wetter ist. Und hinterher trinken wir gemütlich einen Tee zusammen.“ Dieser Vorsatz beantwortet gleich ein paar der berühmten W-Fragen, nicht nur das „Wer“, sondern auch das „Wann“, „Wo“, „Wie“, Wieviel“, „Mit Wem“. Er schließt gleich mögliche Widrigkeiten aus, sichert sich Unterstützung – und verspricht im Anschluss ans Geleistete eine ordentliche Belohnung…
Der „innere Schweinehund“, dieses verflixte Vieh, begegnet uns im Leben ja allerorten: Wer sich nicht überwinden kann, anstrengende oder unangenehme Aufgaben zu beginnen oder sie zielstrebig fortzuführen, schiebt es gern auf jenes fantastische Tierwesen. Dabei gab’s den Schweinehund ja auch in der wahren Welt: Er ist der nächste Verwandte des „Sauhunds“, beide waren schlecht beleumundete, aber unverzichtbare Helfer bei der Wildschweinjagd – und taugen auch heute durchaus noch als Schimpfwort. Wer also in sich selbst einen „inneren Schweinehund“ entdeckt, der für Faulheit, Willensschwäche und mangelnde Selbstdisziplin verantwortlich ist, will sich quasi selbst linguistisch von der Schuld freisprechen. Der Schweinehund ist in diesem Fall auch nichts anderes als ein Sündenbock!
Abrupte Schritte müssen geplant werden
Wo immer man dem Schweinehund begegnet, gibt es einen Erfolgsschlüssel: „In meiner Wahrnehmung hängt das alles zusammen mit dem Thema Selbsterkenntnis. Mich wirklich zu reflektieren, mir über meine eigenen Werte klar zu werden, meine inneren Antreiber und Blockierer kennenzulernen, das macht alles einfacher.“ Sie rät zur genauen, individuellen Planung und dazu, sich Unterstützung zu sichern. Wenn man mit dem Rauchen aufhören will, schafft es nicht jeder, am Tag X einfach komplett aufzuhören, auch wenn dies eine der Methoden ist. Selbst so ein abrupter Schnitt muss geplant und vorbereitet werden. Und manche schaffen es nur mit einer schrittweisen Reduzierung der gerauchten Menge. Wenn Familie und Freunde darüber Bescheid wissen, können sie unterstützen – und werden im Falle eines Scheiterns nicht allzu hart mit jemandem ins Gericht gehen, der es wirklich versucht hat.
Überhaupt ist ein wichtiger Schlüssel bei der Erreichung von Zielen: Erfolge auch vor sich selbst anzuerkennen, ein Versagen zu akzeptieren und es erneut zu versuchen. Das ist etwas, mit dem viele Menschen Probleme haben: „Mit unserer deutschen Mentalität neigen wir eher dazu, Erfolge für selbstverständlich zu halten. Und Dinge, die nicht so gut laufen, zu thematisieren. Das sitzt in vielen Menschen tief drin“, sagt Eva Kalbheim. Man müsse auch mal sagen: „Mensch, das war schon ein ganz schönes Stück Arbeit, das hast du gut gemacht.“
Wer handelt, kann scheitern
Dabei spielt auch Entschiedenheit, Entschlossenheit und manchmal auch ein bisschen Mut eine Rolle: Man muss sich entscheiden, planen und anschließend handeln. Wer stundenlang nur Backrezepte für Apfelkuchen durchliest, hat am Ende noch keinen Apfelkuchen. Man muss schon Eier aufschlagen, Mehl, Zucker und Äpfel benutzen – und sollte einen Backofen zur Verfügung haben. Ob’s dann bei einem guten Rezept auch ein guter Kuchen wird? „Handeln impliziert Scheitern. Es gibt immer die Möglichkeit: Es klappt oder es klappt nicht. Aber wenn ich anfange zu handeln und ein bisschen ausprobiere, dann kann es ein leckerer Kuchen werden. Und es muss die Akzeptanz geben zu sagen: Wenn’s nicht klappt, probiere ich ein anderes Rezept aus oder versuche es noch mal und schaue: Wo ist was schief gelaufen? Das ist auch eine Handlungsrichtschnur.“
Die Ziele kennen und verfolgen
Eine der Aufgaben, die sich Kalbheim dabei gesetzt hat: „Ich versuche, das Thema Selbstdisziplin etwas sexier zu machen. Dass Selbstdisziplin etwas mit Wirksamkeit zu tun hat. Dass ich meine Ziele kenne und meinen Zielen folge.“ Denn dass man mit Hindernissen und Rückschlägen konfrontiert wird, verliert ein wenig seinen Schrecken, wenn man ganz diszipliniert mit sich selbst umgeht.
Und manchmal darf der innere Schweinehund auch siegen: Es darf (außer vielleicht beim Rauchen oder anderen Genussgiften) auch mal Tage geben, an denen man Fünfe gerade sein lässt. Vorausgesetzt, man verliert dabei seine langfristigen Ziele nicht aus den Augen.
Eva Kalbheim: Den inneren Schweinehund bändigen - für dummies, Viley, 342 Seiten, 16,99 €