Oberhausen. . Alkohol war sein Freund. So glaubte der Alkoholiker. Doch trocken lebt es sich besser. Ein Mann aus Oberhausen erzählt, wie er es geschafft hat.

„Heute kämpfe ich nicht mehr auf dem Schlachtfeld.“ Bernhard Kock nickt bestimmt und blickt lächelnd auf seine Hände. Ein Lächeln, das seine Alkoholkrankheit ihm genommen hatte. 29 Jahre sind seit seinem letzten Schluck vergangen. Nicht die einfachsten Lebensjahre für den heute 79-Jährigen aus Oberhausen. Auf jeden Fall die bedeutendsten.

Die Wende kommt mit 50: Auf einer Geschäftsreise fährt der Suchtkranke mit Restalkohol, baut einen Unfall. Aufzuhören, das kostet ihn jede Willensstärke, die er aufbringen kann. „Ich habe in meinem Kopf konsequent eine rote Linie gezogen, die genau vor der Tür zu jeder Kneipe endet“, sagt der Rentner. „Ich gab dafür den Kontakt zu allen meinen Thekenbekanntschaften auf, musste mich komplett von dem Teil meines Lebens trennen.“

„Ich habe in meinem Kopf konsequent eine rote Linie gezogen, die genau vor der Tür zu jeder Kneipe endet“, sagt der Rentner Bernhard Kock.
„Ich habe in meinem Kopf konsequent eine rote Linie gezogen, die genau vor der Tür zu jeder Kneipe endet“, sagt der Rentner Bernhard Kock. © Fabian Strauch

Dafür gewinnt er neue Bekannte: Die Selbsthilfegruppe wird zu Bernhard Kocks wöchentlichem Anker. Bis heute geht er hin. Er erinnert sich, wie dringend er das Loch füllen wollte, das der Alkohol hinterlassen hatte. „Am Wochenende saß ich schon morgens vorm Fernseher. Statt in die Kneipe zu gehen, fing ich an zu lesen. Ich interessierte mich wieder für das Weltgeschehen.“ Er nimmt Ehrenämter an, beim Kreuzbund in Essen und Oberhausen. In seiner Firma wird er Suchtbeauftragter, hält Vorträge. „Ich wollte mit meinen Erfahrungen anderen helfen. Am Anfang war es Ablenkung, doch es füllte mich schnell aus.“ Und: „Die Schicksale der Anderen helfen mir, mich selbst wahrzunehmen.“

Die „Trinkerkarriere“ beginnt mit 16

Kocks „Trinkerkarriere“, wie er sie heute nennt, beginnt mit 16. Auf der Abschlussfeier der Handelsschule möchte er dazugehören. Zögerlich trinkt er drei Schnäpse, Danziger Goldwasser. „Ich erinnere mich bis heute, wie gut es mir auf einmal ging. Ich war gelöst, spaßte mit den Kollegen, tanzte sogar mit Mädchen. Das Gefühl war berauschend.“

Genau das verbindet Kock ab da mit Alkohol. Er wird in einer international tätigen Firma für Marketing und Vertrieb zuständig. Die Verantwortung sorgt für Stress, das Feierabendbier gehört dazu, immer öfter auch ein Kurzer: „So entspannte ich nach einem harten Tag. Alkohol war mein Freund, wenn ich nicht mehr weiter wusste.“

Er trifft sich mit Kunden im Restaurant, um trinken zu können

30 Jahre lebt Bernhard Kock mit diesem Freund, schluckt immer öfter auch vor wichtigen Meetings. „Ich musste etwas verkaufen. Man ging oft mit den Kunden in ein Restaurant, damit nicht auffiel, dass ich trank, um die Situation unter Kontrolle zu haben.“ Es wird schlimmer. Er versteckt kleine Fernet-Flaschen im Türrahmen, die er schon morgens runterkippt, „um klar zu werden“. Der Familienvater versackt regelmäßig mit bis zu 20 Schnaps und zehn Bier in der Kneipe.

Nach dem Autounfall zieht seine Frau Helga die Reißleine, droht, ihn zu verlassen. Kocks Chef versetzt ihn, da er ihn ohne Führerschein nicht mehr im Vertrieb gebrauchen kann. „Wenn ich ehrlich bin, habe ich den Wirbel nicht verstanden. Meine Frau zwang mich dazu, in eine Selbsthilfegruppe zu gehen und ich machte mit – hatte aber immer im Hinterkopf, dass ich irgendwann zu meinem Freund, dem Alkohol, zurückkehren werde.“ Erst nach einer Therapie, „zum Nasebleichen“, ist er bereit loszulassen. „Dieses Gift hatte meinen Körper zerfressen.“

Dass er durchgehalten hat, erfüllt ihn mit Stolz

Mittlerweile ist Bernhard Kock fast so lange trocken, wie er mit dem Alkohol gelebt hat. „Ich bin stolz, so lange durchgehalten zu haben.“ In Gaststätten geht er grundsätzlich nicht alleine. „Sehe ich andere Leute trinken, möchte ich selber nichts. Aber ein klein wenig Neid ist schon da. Weil dieser Mensch dieses Getränk ohne Reue zu sich nehmen kann.“ Bernhard und Helga Kock leben heute in einer ruhigen Gegend, Alkohol sucht man überall im Haus vergebens. Der Kampf gegen die Versuchung wird nie enden.