Bochum. Till und Dietrich Grönemeyer investieren gemeinsam in Start-ups. Ein Gespräch über Familienbande, Thymian, Steuersenkungen und American Football.

Start-ups brauchen prominente Vorbilder, um Lust an der Firmengründung zu bekommen. Der Bochumer Dietrich Grönemeyer (71) hat sich nicht nur als Mediziner einen Namen gemacht. Gemeinsam mit seinem Sohn Till investiert er auch in Start-ups. Ein Gespräch über Familienbande, Thymian, Steuersenkungen und American Football.

Herr Grönemeyer, Sie arbeiten eng mit Ihrem Sohn Till in der eigenen Firma zusammen. Funktioniert das ohne den üblichen Familienstreit?

Dietrich Grönemeyer: Ich finde es toll, mit meinem Sohn zusammenzuarbeiten und das schon seit 15 Jahren. Wir verstehen uns gut. Ich weiß, dass das nicht in allen Familien so ist. Vielleicht liegt es an der Aufgabenteilung. Ich bin der Mediziner, Till ist der Betriebswirt. Auf der anderen Seite ist das aber auch schade. Till wäre in siebter Generation Arzt in unserer Familie gewesen. Das hätte mich natürlich gefreut.

Till Grönemeyer: Ich habe mich bewusst gegen die Medizin entschieden. Nach dem Zivildienst auf der Inneren Station eines Krankenhauses 1999 habe ich mir geschworen: Hier kriegen mich keine zehn Pferde mehr hin. Der Umgang mit den Patienten war eine Katastrophe. In dem uralten Hierarchiesystem zwischen den Ärzten und dem Pflegepersonal habe ich mich einfach nicht zu Hause gefühlt. Stattdessen habe ich Betriebswirtschaft in Hagen studiert und Musik und Filme produziert.

Ihre Grönemeyer Health GmbH in Wattenscheid investiert in Start-ups. Aktuell haben Sie zehn Beteiligungen. Wie ist es dazu gekommen?

Dietrich G.: Ich bin selbst ein Start-up-Unternehmer. Als Chefarzt der Radiologie im Evangelischen Krankenhaus Mülheim habe ich Anfang der 1990er Jahre das vermutlich erste Management-Buyout-Projekt in der Kliniklandschaft angestoßen. Wir Radiologen haben uns in unserem eigenen Institut selbstständig gemacht. Damals wurde der Grundstein für die Telemedizin und die Mikrotherapie gelegt. 1997 habe ich dann in meiner Heimatstadt Bochum das ambulante Grönemeyer-Institut für Mikrotherapie als Universitätsambulanz mit vier Angestellten gegründet. Heute sind es etwa 150. Durch Investments in Medizintechnik hatte ich damals bereits viele Hundert neue Arbeitsplätze initiiert. Deutschland DAS Gesundheitsland ist meine Vision. Das Label med in Germany dazu habe ich damals zusammen mit meinem Sohn kreiert.

Till G.: Gesundheitsvorbeugung, Fitness und Ernährung haben mich schon immer interessiert. Man muss etwas tun, damit man erst gar nicht krank wird. Deshalb haben wir 2010 eine Investment-Holding gegründet, die sich an Start-ups beteiligt. Darüber sind schon mehr als 1000 Arbeitsplätze entstanden.

In welchen Branchen investieren Sie?

Till G: Wir sind breit aufgestellt, gucken uns junge Firmen von Hightech bis zur Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln an und steigen dort mit 0,5 Prozent bis zur Mehrheit ein. Es gibt nur eine Ausnahme, und das ist Biotech. Da werden große Finanzierungstickets in Millionenhöhe aufgerufen. Nicht selten wird mehr versprochen als gehalten werden kann.

Till und Dietrich Grönemeyer finanzieren auch das Start-up Atlas, das in ihrer Wattenscheider Zentrale sitzt. Atlas entwickelt und betreibt Navigations-Roboter, die an allen gängigen MRTs und Tomographen eingesetzt werden können.
Till und Dietrich Grönemeyer finanzieren auch das Start-up Atlas, das in ihrer Wattenscheider Zentrale sitzt. Atlas entwickelt und betreibt Navigations-Roboter, die an allen gängigen MRTs und Tomographen eingesetzt werden können. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Herr Professor Grönemeyer, warum haben Sie sich für die Selbstständigkeit entschieden und nicht für die weitere Klinik-Karriere?

Dietrich G.: Mein Ziel war es, mit mikroinvasiven Methoden an der Wirbelsäule oder in Tumoren große Operationen zu vermeiden, lokale Schmerzen gezielt zu lindern und viele dieser innovativen Methoden der Mikrotherapie ambulant durchzuführen. Das funktionierte in der konventionellen Medizin aber nicht. Deshalb war ich darauf angewiesen, an mich selbst zu glauben und mich selbst zu finanzieren. Auch meinen Lehrstuhl. Ich hatte nie einen finanzierenden Arbeitgeber wie andere Universitätsprofessoren. Kredite von Banken habe ich nicht bekommen. Deshalb habe ich Firmen gegründet, um das nötige Geld durch Erlöse aufzubringen, um meine Struktur und die Mitarbeiter refinanzieren zu können. Heute würde man dies als einen sehr frühen Medizin-Inkubator definieren.

Steigen Sie in bestehende Start-ups ein oder stellen Sie auch Teams zusammen, die bestimmte Probleme lösen sollen?

Dietrich G.: Wir tun beides. Die Atlas GmbH etwa hier bei uns im Haus in Wattenscheid entwickelt und betreibt Navigations-Roboter. Ärztinnen und Ärzte können damit an jedem gängigen Computer-Tomographen oder MRT der Welt durch präzise millimetergenaue Navigation mit Kleinstinstrumenten, ohne den Körper zu öffnen, schonend behandeln. Z.B. Minieingriffe an und in der Bandscheibe, Tumoren oder an Nerven und in Hüftgelenken mit Medikamenten gezielt Schmerzen beseitigen. Auch Zelltransplantationen sind so möglich.

Till G.: In das Münchener Start-up Mother Earth Dermatics (MED) sind wir eingestiegen, weil es mit dem Pflanzenextrakt von Thymian Insekten von Pflanzen und Menschen abhält. Die beiden jungen Forscher wollen ein Alternativprodukt zu Autan oder Antibrumm auf den Markt bringen. Das Neue ist: Die Insekten werden nicht durch das Mittel getötet, sondern lassen sich erst gar nicht auf der Haut oder der Pflanze nieder.

Dietrich G.: Thymian ist im Übrigen meine Lieblingspflanze. Sie hilft gegen Erkältungen und viele andere Erkrankungen. Er wirkt unter anderem antiviral und antibiotisch.

Sie sind bundesweit in Start-ups investiert. Wie beurteilen Sie die Gründerszene in Ihrer Heimat Ruhrgebiet?

Till G.: Im Ruhrgebiet entstehen viele Innovationen. Wir haben aber das Problem, dass jede Stadt ihr eigenes Süppchen kocht und man nicht gemeinsam etwas aus diesen Innovationen macht. In Berlin gibt es auch deshalb so viele erfolgreiche Start-ups, weil es dort eine zusammenhängende Community gibt, im Ruhrgebiet aber nicht.

Dietrich G.: In ganz Deutschland werden Innovationen nicht ausreichend wertgeschätzt. Wir verhindern Entwicklungen anstatt sie zu befördern. Deshalb haben wir auch die digitale Welt verschlafen. Statt junge Menschen, die neue Ideen haben, zu unterstützen, bremsen wir sie.

Gibt es denn ausreichend Investoren wie Sie, die junge Firmen anschieben?

Till G.: In Deutschland haben wir die kritischsten Investoren in ganz Europa. Risikokapital heißt in Deutschland Risikominimierung. Man wartet so lange, bis das Risiko einer Geschäftsidee kalkulierbar ist. So funktionieren Innovationen aber nicht. Es gibt nicht immer den doppelten Boden, der uns schützt. Deutsche denken zu oft vom Produkt her und vergessen dabei die Frage, wie sie es verkaufen können.

Was raten Sie?

Dietrich G.: Im Kampf gegen Diabetes habe ich neulich in der WAZ eine Zuckersteuer gefordert. Um mehr Drive bei Innovationen zu erzeugen, schlage ich eine Steuersenkung für Forschung und Entwicklung vor.

Zum Schluss noch eine private Frage an Till Grönemeyer. Was fasziniert Sie so an American Football?

Weitere Texte aus dem Ressort Wirtschaft finden Sie hier:

Till G.: Football ist meine Leidenschaften, seitdem ich Kind war. Deshalb bin ich im September als Gesellschafter bei Berlin Thunder eingestiegen. Im Gegensatz zum deutschen Fußball steht bei American Football die Unterhaltung im Mittelpunkt. Beim Fußball geht es ums Geld. Die familienfreundliche und sehr entspannte Atmosphäre, an der auch meine jungen Kinder sehr viel Spaß haben, gefällt mir besser. Die ist beim Fußball von heute leider nicht mehr gegeben.