Essen. Vor der nächsten Tarifrunde bei Galeria offenbart sich eine Kontroverse zwischen Verdi und Betriebsrat. Was sie für die Beschäftigen bedeutet.
Die Galeria-Beschäftigten kommen nicht zur Ruhe. Erst das Insolvenzverfahren, dann das Bangen um Filialen und Arbeitsplätze. Und immer noch unbeantwortet ist die wichtige Frage, wie die verbliebenen rund 11.000 Mitarbeitenden der Essener Warenhauskette künftig bezahlt werden. Die Gewerkschaft Verdi und Teile des Gesamtbetriebsrats haben da unterschiedliche Auffassungen.
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Bei Galeria haben sie aufgehört zu zählen, ob es die achte oder neunte Verhandlungsrunde ist, zu der sich Geschäftsführung und Verdi am Mittwoch (26. Juli) in Frankfurt am Main treffen. Die Gespräche ziehen sich wie Kaugummi. Nachdem Galeria im Oktober 2022 einseitig den Integrationstarifvertrag wegen der wirtschaftlichen Krise gekündigt hatte, ist unklar, wie es mit den Gehältern, Weihnachts- und Urlaubsgeld weitergehen soll. Verdi-Verhandlungsführer Marcel Schäuble fordert, dass Galeria in den Flächentarifvertrag zurückkehrt.
Nur 25 Prozent der Händler im Flächentarif
Das lehnt das Unternehmen strikt ab. „Der Flächentarifvertrag ist für unsere Branche nicht mehr marktüblich“, schrieb Arbeitsdirektor Guido Mager im Juni an alle Beschäftigten und verwies auf Zahlen der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Danach wenden noch gerade einmal rund 25 Prozent der Handelsunternehmen in Deutschland den Flächentarifvertrag an. Mager will stattdessen seine Position durchsetzen: „Die Tarifgehälter werden unter Berücksichtigung unseres wirtschaftlichen Erfolgs erhöht.“
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Mit ihren jeweiligen Vorstellungen sind Verdi und Galeria seit mehr als einem halben Jahr in ihren Tarifgesprächen keinen Millimeter vorangekommen. Mitten in dem Konflikt kommen nun Teile des Gesamtbetriebsrats mit einem Vorschlag um die Ecke, der eine Einigung erleichtern könnte, zugleich aber auch den tiefen Graben zwischen Betriebsrat und Gewerkschaft offenbart. „Ich präferiere eine innovative Tarifpolitik. Der Flächentarifvertrag läuft den extremen Veränderungen im Einzelhandel hinterher“, sagt ein hochrangiger Arbeitnehmervertreter im Gespräch mit unserer Redaktion. Namentlich will der Mann nicht genannt werden, weil Tarifverhandlungen Angelegenheit von Verdi sind. Die Anspannung ist so groß, dass sich auch die Gewerkschaft auf Anfrage unserer Redaktion nicht zu den Gesprächen bei Galeria äußern will.
„Galeria hat noch einen Schuss frei“
Verdi befindet sich gerade in einer schwierigen Gemengelage. Denn nicht nur beim Warenhauskonzern wird um Tarife gerungen, sondern im Einzelhandel aller Bundesländer. Und nebenbei streiten sich auch noch der abgesetzte Verhandlungsführer und Galeria-Aufsichtsrat Orhan Akman und Verdi seit Monaten vor Gericht um dessen fristlose Kündigung, die Richter bereits für unwirksam erklärt haben. Mit einer eingereichten Klage will Akman sogar den Verdi-Bundeskongress im September in Berlin, bei dem der Vorstand neu gewählt werden soll, zu Fall bringen. Eine Einigung ist nicht in Sicht.
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Die Spitze des Gesamtbetriebsrats hält die Verdi-Forderung, Galeria müsse bald wieder nach Flächentarif bezahlen, für übereilt. „Galeria hat noch einen Schuss frei. Ein drittes Insolvenzverfahren würde das Unternehmen vermutlich nicht überleben“, sagt der Arbeitnehmervertreter und verweist auf die Planungen der Geschäftsführung, die Profitabilität in drei Jahren wieder zu erreichen. „In dieser Phase sollte man das Unternehmen nicht mit einer verfrühten Rückkehr in den Flächentarifvertrag überfordern“, meint er.
Betriebsrat für neuen Nonfood-Tarifvertrag
Der hochrangige Arbeitnehmervertreter weiß allerdings auch, dass die Mitarbeitenden sehr wohl Sympathie genau dafür haben. „Beschäftigte, die Verdi nahestehen, tendieren natürlich eher zu einfach strukturierten Tarifforderungen. Das ist verständlich“, gibt er die Stimmung wieder. Er und andere sprechen sich für ein anderes Modell aus. „Ein ganz neuer Tarifvertrag für den Nonfood-Einzelhandel würde die aktuellen Anforderungen am ehesten erfüllen“, sagt der Arbeitnehmervertreter. Dazu gehören für ihn Themen wie Altersarmut, Verkauf über mehrere Kanäle, aber auch prekäre Beschäftigungsverhältnisse, die im Einzelhandel besonders häufig anzutreffen seien.
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Bei Verdi indes glaubt man, gute Gründe zu haben, Galeria zurück – zur Not schrittweise - in die Tarifbindung zu holen. Denn nach Berechnungen der Gewerkschaft zahlt der Warenhauskonzern momentan im Schnitt 15 Prozent weniger als Wettbewerber. Nach einem Tarifabschluss für die Branche, den man sich bei zehn Prozent erhofft, würde die Kluft gar 25 Prozent betragen. Das würde die Tendenz noch verstärken, dass sich Galeria-Beschäftigte besser bezahlte Jobs suchten. Manche dürfte die hohe Inflation geradezu dazu zwingen, heißt es.
„Jüngere gehen zu Aldi und Lidl“
Die Gefahr des Fachkräfteschwunds sieht auch der Arbeitnehmervertreter. „Einige Jüngere gehen zu Aldi oder Lidl, weil sie dort mehr verdienen. Dort ist aber auch der Druck sehr viel höher“, sagt er. „Das Durchschnittsalter bei Galeria ist mit 50 Jahren recht hoch. Das Gros der Beschäftigten läuft dem Unternehmen nicht weg.“ Um nicht in ein Nachwuchsproblem zu geraten, müsse Galeria „positiver wahrgenommen werden“. Deshalb warnt der Arbeitnehmervertreter schon jetzt: „Arbeitsniederlegungen tun dem Restart von Galeria nicht gut.“
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Auf den Aufruf zu neuerlichen Warnstreiks könnte es aber hinauslaufen, sollte die Verhandlungsrunde am Mittwoch (26. Juli) wiederum ohne Ergebnis zu Ende gehen. Arbeitsdirektor Mager hatte davor bereits im Juni gewarnt. „Für Galeria ist es in der Phase des Neustarts fatal, wenn immer wieder zu Streiks aufgerufen und Halbwahrheiten verbreitet werden. Dadurch werden unsere Arbeitsplätze erneut gefährdet“, schrieb er.
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Der Arbeitnehmervertreter nimmt die Drohung durchaus ernst: „Ich sehe die Gefahr, dass sich Galeria am Ende auch aus dem Manteltarifvertrag verabschieden könnte. Da geht es um Arbeitszeit und Urlaubsansprüche.“